SUPERMACHT
T+A hat seinen besten Vollverstärker mit erlesener Technik weiter verfeinert. Preislich langt der Neue zwar kräftig hin, doch was er dafür bietet, ist wirklich stark.
Schauen Sie nur mal genau hin. Sieht so ein Gerät aus, bei dem angesichts der schieren Leistungsdaten Vergleiche angebracht wären wie „Kraft wie ein wilder Stier“? Nein, da steht einem doch eher ein elegant gestylter, absolut souverän wirkender Bolide gegenüber. Die aufgeräumte Front mit einem sanft grün illuminierten, großzügigen Display und zwei großen Knöpfen links und rechts unterstreicht das noch. Der neue, ohne Aufrüst- Maßnahmen dralle 16 000 Euro teure T+A PA 3100 HV sieht seinem Vorgänger PA 3000 HV ähnlich, aber nicht wie aus dem Gesicht geschnitten. Zwei anheimelnde AnzeigeInstrumente fallen sofort nach dem Einschalten des 3100 neu ins Auge. Und „Vorgänger“stimmt auch nicht, denn der 3000er, 12900 Euro schwer und bislang unerschütterliche Hörraum- Referenz bei AUDIO, wird weiterhin gebaut.
MADE IN GERMANY
Geräte der „High Voltage“- HV-Serie der Herforder Edelschmiede sind keine Billigheimer. Chefentwickler Lothar Wiemann nennt dafür eine Menge guter, von AUDIO längst auch vor Ort verifizierter Gründe: Made in Germany, vorbildlicher Service, extrem penible Endkontrolle, eine ehrfurchtgebietende Abteilung für Forschung und Entwicklung. Vor allem aber auch die Preisentwicklung auf dem Bauteile- Markt. „Da gibt es heute nur noch billigen Schund. Außer, man gibt sehr viel Geld aus, beispielsweise für Teile aus dem Militärbereich.“Schraubt man die Qualitätsanforderungen so hoch wie T+A, dann werden für einen Widerstand auch mal bis zu drei Euro fällig. In einem Segment, in dem sonst um Zehntel Cent gefeilscht wird. Und schnell wird auch klar, dass die so wunderschön unaufdringlichen VU- Meter einen erheblichen Anteil an der Kalkulation haben. „Die machen wir selbst, man kriegt ja nichts Gescheites.“Gebaut wird unter Reinraumbedingungen. Kein Wunder, dass Entwicklung und Fertigung bei T+A sich nicht immer so grün wie die Anzeigen ausgeleuchtet sind. Und möglicherweise sieht das Controlling auch nur bedingt vergnügt zu, wenn trotz teurem Einkauf immer noch viele Teile ausgemustert werden. Von den Endtransistoren, pro Kanal acht kapitale Exemplare, fällt schon mal etwa die Hälfte bei Anlieferung durchs Raster – die Leistungserbringer müssen schon
Ein kraftvoller TransistorVerstärker mit dem Charme von Röhren? Bitte sehr!
sehr gut miteinander können. Das Hochvoltkonzept fährt die Transistoren ja immerhin mit plusminus 250 Volt, was ihre Kennlinien ähnlich wie bei Röhren über einen weiten Bereich linearisiert. Das heißt auch, dass die Halbleiter lastunabhängig über einen weiten Frequenzbereich gleichmäßig arbeiten. Das wiederum erlaubt, auf möglicherweise klangschädigende Überallesgegenkopplung fast ganz verzichten zu können. Es bedeutet aber, dass etwa die Verstärkungsfaktoren perfekt abgestimmt sein müssen. Die Endstufen sind bei PA 3000 HV und PA 3100 HV weitgehend gleich, die Vorstufe macht den Unterschied. Deren neue Schaltung dürfte den Kostenwächtern noch mehr Stirnrunzeln bereiten. Im PA 3100 HV verwirklichte Wiemann ein „Direct Coupled“- Konzept. Der Verzicht auf Koppelkondensatoren zwischen den einzelnen Verstärkerstufen ist nicht trivial. Normalerweise eliminieren mögliche Risiken wie Gleichspannungsoffset dabei sogenannte ServoSchaltungen, die aber wiederum unerwünschte Nachschwinger erzeugen. Lothar Wiemann wollte DC ohne Servo – und erreicht sie mit extremer Selektion der Bauteile, die dann so genau abgeglichen werden, dass sie auch bei unterschiedlichen Temperaturen nicht auseinanderlaufen. Nicht geändert hat sich der modulare Aufbau: Für rund 1100 Euro können Vinylfans eine exzellente Phonostage nachrüsten. Und Kunden mit Raumakustikproblemen sei das Raumkorrektur- Modul für knapp 2000 Euro ans Herz gelegt.
Das Thema Aufrüstung kann man auch auf die Spitze treiben, denn da steht mit dem PS 3000 HV ein ZusatzNetzteil für kernige 8500 Euro parat, um dem Amp noch mehr Saft zuzuführen. Dabei hat der PA 3100 HV doch schon ein kapitales Netzteil, das erwiesenermaßen für exorbitante Stromlieferfähigkeit und damit absolut sattelfeste Stabilität sorgt. Wiemann erklärt die Funktion
der Zusatzstromversorgung auch nicht mit Kraftzuwachs, sondern damit, dass mit Auswärtsversorgung keine Ströme mehr im eigentlichen Verstärker fließen, dadurch keine inwärtigen elektromagnetischen Felder mehr entstehen und so die Ruhe im Klangbild, der „Schwarzwert“, nochmals zunimmt. Nun, AUDIO war schon mit der Grundausstattung mehr als zufrieden. Schließ-
lich beginnt der Autor jeden Verstärkertest recht leise, mit zarter Musik. Amps, die vor Kraft nicht laufen können, oder die statt „schwarzer“Ruhe nur nervöse Grauwerte verbreiten, trudeln da schnell mal ins Abseits. Doch dort hatte der PA 3100 HV nichts verloren. Er blieb immer Spielmacher, absolut beherrschte er das Geschehen auch bei leisesten Klavieranschlägen, bei zartesten Violin- oder Violastrichen. Die russische Komponistin/ Pianistin Lera Auerbach hat die „Préludes“ihres Landsmanns Dmitri Schostakowitsch für Viola und Klavier arrangiert und mit der armenischen Ausnahme- Bratscherin Kim Kashkashian bei ECM eingespielt. Kein dem Autor bisher bekannter Transistor-Vollverstärker und nur die wenigsten Vor- End- Kombinationen entwickeln schon im Leisetreten eine solche Breite an Nuancen. Selbst der danebenstehende PA 3000 HV schien da minimal zu schludern und Frau Kashkashians fulminante Ausdrucksvielfalt nicht mit dem ungemeinen Feingefühl des größeren Bruders auszubreiten. Höchste Röhrenkultur von Transistoren. Mit dem nach Fertigstellung der diesmonatigen SACD- Seite angelieferten, auf Single Layer SHM-SACD veröffentlichten Meisterwerk „Liege & Lief“von Fairport Convention zeigte der große T+A dann seine Kompetenz über den vollen Dynamikbereich. Wir konnten die betagte Aufnahme (1969) mit begeisterungsbedingter Hemmungslosigkeit aufdrehen bis zu Irrwitz- Pegeln. Da, wo die meisten Amps miesepetrig werden und Sandy Dennys Stimme oder Richard Thompsons Gitarre verschärfen und man unwillkürlich leiser drehen will, schien der Herforder Bolide nach immer mehr Level zu lechzen. Ein untrügliches Zeichen für höchste Qualität. Die auch beim Gitarristen- Highspeed „Friday Night in San Francisco“, just auf Ultra-HD- CD aus Hongkong eingetroffen, keinen Deut nachließ. Die Abhör- Lautsprecher B&W 802 D3 schienen förmlich zu jubilieren. Die Clipping- Anzeige oder gar die Schutzschaltung blieben auch bei Heavy Rock oder großorchestralen Schwergeschütz aus. Die Balance aus souveräner Kraftentfaltung und feinst differenzierter Klangkultur blieb perfekt. Widerspruchslos übernahm der PA 3100 HV dann auch den finalen Zuspielpart beim Kabeltest (Seite 46). Nicht heimlich, still und leise, sondern offen, laut und leise übernahm der PA 3100 HV vom PA 3000 HV die Referenzrolle. Auf die verfeinerte Art.