SCHWINGEND IM FLUSS
Subchassis-Laufwerke pendeln so manche potenzielle Unbill in der analogen Wiedergabe einfach aus. Einfach? Leider nein. Zu klanglichen Höchstleistungen können sich nur clevere, technologisch fundierte Konstruktionen emporschwingen. Solche wie das Laufwerk
Vor den Lohn haben die Götter den Schweiß gesetzt. In unserem Falle heißt der Gott Conrad Mas, Plattenspieler- Schöpfer aus dem Vereinigten Königreich. Der zu erarbeitende Lohn sind Klänge seines Avid Sequel SP. Dass es sich lohnt, erahnen erfahrene AUDIO- Leser schon mit seiner Anwesenheit hier. Warum sollte die Redaktion sonst vier volle Seiten für ein in der Summe immerhin 11830 Euro teures Abspielgerät investieren? Wie sehr es sich lohnt, erfuhr der Autor nach durchaus überschaubarer Mühe. Dennoch der Tipp an LP- Freunde mit überschaubarer Erfahrung: Lassen Sie sich den Avid Sequel – solo in Schwarz oder Schwarz/Silber immerhin auch schon 8900 Euro teuer – vom Händler Ihres Vertrauens zusammenbauen und aufstellen. Audiophile Freunde der Feinmechanik sollten sich indes die Freude machen, die knapp 30 Einzelteile zu einem Laufkunstwerk zu errichten. Das tragende Aluminium- Druckgussteil zeigt sich in der Draufsicht als der typische Dreizackstern mit Ausbuchtung für den 24-Volt-Wechselstrommotor. Der hintere Dorn hat noch einen kleinen Wurmfortsatz mit einer Schraubbrückenklemme zur Zugentlastung des Tonarmkabels – nur eines der vielen Details, die einen für diese Konstruktion einnehmen. Die drei Zylinderbeine ruhen optisch auf gleich durchmessenden, gerändelten Scheiben. Aber die Füße halten Kontakt nur zur Basis über Schraubgewinde, mit denen sich das Dreibein perfekt horizontal ausrichten lässt. Im Inneren der Zylinder winden sich die Schraubfedern, in deren Federweg das mit Streben versteifte Aluminium- Subchassis in Leichtbauweise ruht. Die Aufhängung ist recht weich, mit einem beigefügten Imbusschraubendreher in Maßen zu justieren. Nach dem Antippen wird jedenfalls fröhlich geschwungen. Allerdings wirklich nur in erwünschter vertikaler Richtung.
AUSGETAUMELT
Denn das Taumeln in unerwünschter Horizontale unterbindet der Avid Sequel SP – wie sein kleiner Bruder Volvere SP – mit einem genialen Trick. Um jeden Zylinder gilt es, einen Gummiring zu schlingen, der sich an der Unterseite des Subchassis wiederum um einen kleinen Nippel windet. Das ergibt die perfekte Kontrolle. Wie wichtig die kleinen O- Ringe sind, zeigte sich im späteren Betrieb: Mutwillig angepatscht, reagierten die angeschlossenen Boxen mit heftigen Auslenkungen der Tieftöner. In Ruhe gelassen, drang kein Infraschall zu den Membranen durch. Wie exzellent hier das Feder- Masse- System Subchassis austariert ist, zeigten auch die beiden „Idiotentests“(auch Pseudoschlagzeugspiel genannt) für Laufwerke: Heftiges Füßestampfen auf den Boden und schon kraftvolles Klöppeln auf dem Stellplatz zeitigten keinerlei Wirkung. Aber auch auf einem Subchassis will ein Teller gleichmäßig und laufruhig gedreht sein. Im Falle des Avid rotiert ein 6,7 Kilogramm schwerer, mit einem feisten Außenwulst bewehrter Teller in einem invertierten Lager auf einer Wolfram-Karbid- Lagerkugel. Das tut er, wie das Messlabor ermittelte, vorbildich rumpelarm. Doch bis er das tut, will noch der Antrieb zwischen dem kleineren Teller- Innendurchmesser unten zum Motorpulley hergestellt sein. Das ist trotz eines ein- und wieder ausschraubbaren Montagepins eine ziemliche Fummelei – zum Glück lässt die Gesamtkons-
truktion hoffen, dass keiner dieser Riemen jemals abspringt. Dabei muss der Betrieb bei jedem Plattenwechsel am ausgelagerten Steuerteil – der deutlich größer dimensionierte Versorger macht den Hauptunterschied zum Volvere – gestoppt und wieder hochgefahren werden. Denn Conrad Mas verlangt den Betrieb mit der beigefügten Schraubklemme (siehe Bild unten rechts). Und die sollte bei laufendem Motor nicht auf- und wieder abgedreht werden. Die komfortmindernde Klemmerei erschließt sich einem, wenn man mit dem Knöchel auf den mit einer Korkmatte beklebten Teller klopft – da ist noch ein helles Ping zu hören. Der möglichst innige Kontakt zwischen Platte, Matte und Achse verhindert ein „Durch- klingeln“– den richtigen Dreh am Puck (nicht zu fest und nicht zu locker) erarbeitet man sich in der Praxis recht schnell.
ARM DRAN
Die Tonarm- Basis am Sequel ist perfekt vorbeitet für SME- Ausleger, und hier für die bestens beleumundeten Neunzöller der Engländer. Der deutsche Avid-Vertrieb lieferte mit dem 309 (Einzelpreis 2550 Euro), an dem es nun wirklich nichts zu auszusetzen gibt. Lagerspiel null, Verabeitung perfekt – wer will da noch den fehlenden Fingerbügel am Headshell bejammern? Zumal da vorne ein guter alter Bekannter montiert war: der Tonabnehmer Nagaoka MP-150, für rund 380 Euro im Regal für„Bewährte Systeme“zu haben. Dessen nackter, elliptisch geschliffener Diamant durfte denn auch fleißig in die Rillen tauchen, denn zum Hörtest hatte der Autor kurzerhand sämtliche ab Seite 126 vorgestellten LPs mitgebracht – und das waren in diesem Monat eine Menge Einzelscheiben. Ob mit dem raubauzigen Bluesrock von Frijid Pink, den perfekten Popweisen von Carol King oder dem funkigen Jazz von Pustefix Dizzie Gillespie: Ganz schnell wurde hier klar, dass mit der Avid-SME- NagaokaKombination ein Guter, nein: ein sehr Guter Platten spielte. Ob die teils über 30 Minuten langen Improvisationen um Drummer- Legende Elvin Jones oder die atmosphärischen Gitarren- Flüge von William Ackerman: Das hatte Biss, knackige Dynamik und klare Kontur.
Doch je mehr sich die Vorzüge dieses superben Laufwerks – bis in höchste Lautstärken markant sauberer, strammer, schlackenfreier Bass sowie phänomenal stabile Abbildung – herauskristallisierten, je mehr die Begeisterung für die jede Dynamiknuance wahrende Qualität des Tonarmes wuchs, desto mehr erwies sich das MP-150 als Nicht-ganzso-stark- Stelle des Ensembles.
REICH BELOHNT
Den Einbau der – freilich auch bestens eingespielten – 1000- Euro- Referenz Benz Micro ACE H belohnte der Sequel schon mit mehr Samt und Seide. Reinhard Meys noch junge Stimme etwa in „Aus meinem Tagebuch“gewann an Schmelz und Ausdruckskraft – und der Vergleich der neuen Universal- Ausgabe mit Meys frühen Intercord- LPs förderte die Unterschiede klar zu Tage. Für eine Königsdisziplin – Darstellung eines klassischen Orchesters – montierte der Autor einen seiner Favoriten. Mit dem Clearaudio Stradivari (3200 Euro) explodierte das erwartete Feuerwerk im bei Tacet rückwärts geschnittenen Finale von Beethovens Siebter Sinfonie denn auch mit aller gebotenen Pracht. Welch eine Fülle von Details, welch eine Akkuratesse, welch eine Schönheit. Und in all den wirbelnden Streichern, Bläsern und Pauken wahrte der Avid vorbildlich die räumliche Ordnung. Anders als manch anderer Subchassis- Spieler gerierte er sich nicht als launische Diva, sondern zeigte sich als wahrer Diener der Musik.
Dieser Subchassis-Spieler geriert sich nicht als Diva, sondern zeigt sich als Diener der Musik