Überraschungsgast
Niemand hatte die neue 700er-Serie von Bowers & Wilkins auf dem Radar: Was die Briten mit ihrer 702 S2 aus dem Hut zaubern, ist enorm
Es gibt Dinge, die passieren einfach. So wie ein Sommergewitter. Das kommt ohne große Ankündigung praktisch aus dem Nichts und entlädt sich gewaltig mit Blitz und Donner. So ähnlich geschah es auch mit der neuen 700er-Serie von Bowers & Wilkins. Nichts hatte diese Serie angekündigt. Respekt für den Abschirmdienst der Briten – niemand hatte etwas von den Entwicklungen in Südengland mitbekommen. Bis jetzt. AUDIO ereilte ein Anruf aus Halle, und wenig später, gerade noch rechtzeitig vor Redaktionsschluss, stand der erste Lautsprecher der 700er-Serie bei uns in der Redaktion. Genau nach unserem Geschmack war es auch noch das größte Modell der Serie, die 702 S2. Andere Familienmitglieder waren für einen Test noch nicht verfügbar, aber wir werden die kleineren Schwestern der 702 S2 sukzessive zum Test in unseren Hörraum bitten, denn die 700er-Serie ist spannend, vielleicht sogar die spannendste im ganzen Portfolio von Bowers & Wilkins. Die 800er bleibt unangefochten die Topserie, deren Konstruktion, Verabreitung und Klang sich auf allerhöchtem Niveau bewegen. Die Preise leider auch. Aber wer dem Diamanthochtöner schon mal lauschen durfte, kann diesem superben Klang so leicht verfallen wie einst Odysseus den Sirenen. Aber nicht im-
mer sind die Kriegskassen satt gefüllt, wenn die Einkaufsschlacht im HiFi-Laden ansteht. Das Herz sagt 800, des Portemonnaie sagt 700. Es war schon früher kein Fehler, zu einem der budgetfreundlicheren Lautsprecher aus dem Hause B&W zu neigen. Aber jetzt dürfte der Griff zu einer 700er noch leichter fallen; Aufsteiger kommen dem Traum von einer 800er jetzt deutlich näher, und das fast zum Preis einer CM10 S2. Ja, fast, denn auch hier haben sich die Preise geändert und wie das meist so ist, klettert das EuroBarometer nach oben, wenn auch moderat. Kostete die CM10 S2 noch 1800 Euro, so werden für die 702 S2 jetzt 2000 Euro fällig. Der Preisanstieg rechtfertigt sich aber schnell durch die neuen Technologien und Tugenden der 702 S2. Apropos S2: Wir erinnern uns daran, dass es vor 14 Jahren schon einmal eine 700er- Reihe gab, mit der die faszinierende Technologie der Nautilus- Serie Einzug in bezahlbare Lautsprecher hielt. Das Herunterbrechen der Hochtechnologie aus den Topserien auf die unteren Ränge hat bei B&W also Tradition. Die Produktfamilie der 700er- Serie gestaltet sich analog zur CM- Serie. Die jeweiligen Topmodelle der Standboxen 702 S2 und CM10 S2 und der Kompaktboxen 705 S2 und CM6 S2 tragen den Hochtöner stolz in einem torpedoförmigen Aluminiumgehäuse auf dem Kopf. Bei den beiden kleineren Standboxen sowie bei den kleineren Kompaktboxen ist der Hochtöner in die Schallwand integriert. Zwei Center- Modelle werden die Herzen der Kinofreunde höher schlagen lassen. Der günstigste Einstig in die Welt der 700er gelingt mit der kleinsten Kom-
pakten für schlanke 1000 Euro das Stück. Doch genug von Preisen und Modellpolitik, kommen wir zu Gretchenfrage: Was ist ist neu bzw. lohnt sich der Um- oder Aufstieg? „Viel und ja“könnte die einfache Antwort lauten. Aber fangen wir außen an: Die Bespannung sieht kaum anders aus als bei der CM10. Enthüllt man dann die Schallwand, entfährt dem Kenner ein „Aaah!“: Die gelbe Kevlar- Membran ist Geschichte, Silber ist das neue Gelb. Continuum heißt das Material, das bereits der 800er- Serie ganz neue Klangqualitäten verlieh. Unsere nörgelnde Frage, ob und wann die Wundermembran in den preiswerteren Serien kommt, ist somit beantwortet. Hart und sickenlos eingespannt, bewegt sich nur der mittlere Teil der Membran. Eine schlanke Spule im Feld eines kräftigen Neodymmagneten gibt ordentlich Schub, die hohe Innendämpfung des Materials unterbindet Partialschwingungen. In der 800er war der Wechsel von Kevlar zu Continuum deutlich zu hören: Weniger harsch, viel feiner und ausgeglichener klang die Box. Eine genauere Betrachtung verdient der neue Hochtöner: In der 700er- Serie spielt eine Art Hybridkalotte. Bei der Diamantserie wird Kohlenstoff auf einen Träger aufgedampft, der Träger dann weggeätzt. Zurück bleibt eine hochsensible und sauteure Diamantkalotte. In der CM- Serie werkelte eine doppellagige Aluminiumkalotte. Jetzt kommt eine extrem dünne Aluminiumkalotte, die eine winzige Schicht Kohlenstoff aufgedampft bekommt. Zur Verstärkung erhält das zarte Kalöttchen noch einen Kohlefaserring – fertig ist der CarbonDome-Tweeter. Bei der 702 S2 und der 705 S2 sitzt der Hochtöner in einem eigenen Gehäuse auf der Box. Statt Zink- Druckguss gibt es jetzt aus dem
Vollen gefrästes Aluminium, das wie in der 800er-Serie ungewollte Schwingungen unterdrückt und den Tweeter selbst bei schwerster Hochtonarbeit kühl hält. Da Membranfläche durch nichts zu ersetzen ist als durch noch mehr Membranfläche, schwingen in der 702 S2 gleich drei Tieftöner im Gleichtakt. Hier haben wir es mit einem Verbundwerkstoff zu tun, der das Beste aus Pappe und Kunstoff vereint. Das Profil der Membran entspricht dem der Aerofoil- Membranen aus der Topserie und ähnelt dem einer Tragfläche. Nur die Materialien fallen hier etwas günstiger aus … Um die hervorragenden akustischen Eigenschaften einer Pappmembran noch zu verbessern, entschied man sich hier für ein EPS- gefülltes Profil, das den unliebsamen Partialschwingungen den Garaus machen soll. Die 702 S2 hat sich ziemlich ungeniert bei ihren großen Schwestern bedient – wir bekamen das Gefühl, dass hier eine verkappte 804 D3 vor uns steht. Ob das der Wahrheit entspricht, sollte der ausführliche Hörtest klären. Bei so viel technischen Vorschusslorbeeren waren wir extrem gespannt, wie die 702 S2 denn nun klingen würde. Wir starteten gleich mit einem sehr schwierigen Titel, „Angel“von Massive Attack. Und hier stellte die 702 S2 ihr Können gleich einmal eindrucksvoll unter Beweis: Ganz lässig ließ sie den basslastigen, wummernden Trip- Hop-Sound der Briten von ihren Membranen tropfen. Souverän beleuchtete Sie wusste jedes einzelne Klangdetail souevrän zu beleuchten und stellte alles sauber getrennt in den Raum, sodass sich eine wunderbare Ortbarkeit ergab. Auch die ausgeglichene Wiedergabe dieses Titels durfte die Box auf der Habenseite verbuchen. Es folgte der ultimative Test mit „Mars, The Bringer Of
Die B&W wusste jedes einzelne Klangdetail souverän zu beleuchten