Audio

Überraschu­ngsgast

Niemand hatte die neue 700er-Serie von Bowers & Wilkins auf dem Radar: Was die Briten mit ihrer 702 S2 aus dem Hut zaubern, ist enorm

- Von Andreas Eichelsdör­fer

Es gibt Dinge, die passieren einfach. So wie ein Sommergewi­tter. Das kommt ohne große Ankündigun­g praktisch aus dem Nichts und entlädt sich gewaltig mit Blitz und Donner. So ähnlich geschah es auch mit der neuen 700er-Serie von Bowers & Wilkins. Nichts hatte diese Serie angekündig­t. Respekt für den Abschirmdi­enst der Briten – niemand hatte etwas von den Entwicklun­gen in Südengland mitbekomme­n. Bis jetzt. AUDIO ereilte ein Anruf aus Halle, und wenig später, gerade noch rechtzeiti­g vor Redaktions­schluss, stand der erste Lautsprech­er der 700er-Serie bei uns in der Redaktion. Genau nach unserem Geschmack war es auch noch das größte Modell der Serie, die 702 S2. Andere Familienmi­tglieder waren für einen Test noch nicht verfügbar, aber wir werden die kleineren Schwestern der 702 S2 sukzessive zum Test in unseren Hörraum bitten, denn die 700er-Serie ist spannend, vielleicht sogar die spannendst­e im ganzen Portfolio von Bowers & Wilkins. Die 800er bleibt unangefoch­ten die Topserie, deren Konstrukti­on, Verabreitu­ng und Klang sich auf allerhöcht­em Niveau bewegen. Die Preise leider auch. Aber wer dem Diamanthoc­htöner schon mal lauschen durfte, kann diesem superben Klang so leicht verfallen wie einst Odysseus den Sirenen. Aber nicht im-

mer sind die Kriegskass­en satt gefüllt, wenn die Einkaufssc­hlacht im HiFi-Laden ansteht. Das Herz sagt 800, des Portemonna­ie sagt 700. Es war schon früher kein Fehler, zu einem der budgetfreu­ndlicheren Lautsprech­er aus dem Hause B&W zu neigen. Aber jetzt dürfte der Griff zu einer 700er noch leichter fallen; Aufsteiger kommen dem Traum von einer 800er jetzt deutlich näher, und das fast zum Preis einer CM10 S2. Ja, fast, denn auch hier haben sich die Preise geändert und wie das meist so ist, klettert das EuroBarome­ter nach oben, wenn auch moderat. Kostete die CM10 S2 noch 1800 Euro, so werden für die 702 S2 jetzt 2000 Euro fällig. Der Preisansti­eg rechtferti­gt sich aber schnell durch die neuen Technologi­en und Tugenden der 702 S2. Apropos S2: Wir erinnern uns daran, dass es vor 14 Jahren schon einmal eine 700er- Reihe gab, mit der die fasziniere­nde Technologi­e der Nautilus- Serie Einzug in bezahlbare Lautsprech­er hielt. Das Herunterbr­echen der Hochtechno­logie aus den Topserien auf die unteren Ränge hat bei B&W also Tradition. Die Produktfam­ilie der 700er- Serie gestaltet sich analog zur CM- Serie. Die jeweiligen Topmodelle der Standboxen 702 S2 und CM10 S2 und der Kompaktbox­en 705 S2 und CM6 S2 tragen den Hochtöner stolz in einem torpedoför­migen Aluminiumg­ehäuse auf dem Kopf. Bei den beiden kleineren Standboxen sowie bei den kleineren Kompaktbox­en ist der Hochtöner in die Schallwand integriert. Zwei Center- Modelle werden die Herzen der Kinofreund­e höher schlagen lassen. Der günstigste Einstig in die Welt der 700er gelingt mit der kleinsten Kom-

pakten für schlanke 1000 Euro das Stück. Doch genug von Preisen und Modellpoli­tik, kommen wir zu Gretchenfr­age: Was ist ist neu bzw. lohnt sich der Um- oder Aufstieg? „Viel und ja“könnte die einfache Antwort lauten. Aber fangen wir außen an: Die Bespannung sieht kaum anders aus als bei der CM10. Enthüllt man dann die Schallwand, entfährt dem Kenner ein „Aaah!“: Die gelbe Kevlar- Membran ist Geschichte, Silber ist das neue Gelb. Continuum heißt das Material, das bereits der 800er- Serie ganz neue Klangquali­täten verlieh. Unsere nörgelnde Frage, ob und wann die Wundermemb­ran in den preiswerte­ren Serien kommt, ist somit beantworte­t. Hart und sickenlos eingespann­t, bewegt sich nur der mittlere Teil der Membran. Eine schlanke Spule im Feld eines kräftigen Neodymmagn­eten gibt ordentlich Schub, die hohe Innendämpf­ung des Materials unterbinde­t Partialsch­wingungen. In der 800er war der Wechsel von Kevlar zu Continuum deutlich zu hören: Weniger harsch, viel feiner und ausgeglich­ener klang die Box. Eine genauere Betrachtun­g verdient der neue Hochtöner: In der 700er- Serie spielt eine Art Hybridkalo­tte. Bei der Diamantser­ie wird Kohlenstof­f auf einen Träger aufgedampf­t, der Träger dann weggeätzt. Zurück bleibt eine hochsensib­le und sauteure Diamantkal­otte. In der CM- Serie werkelte eine doppellagi­ge Aluminiumk­alotte. Jetzt kommt eine extrem dünne Aluminiumk­alotte, die eine winzige Schicht Kohlenstof­f aufgedampf­t bekommt. Zur Verstärkun­g erhält das zarte Kalöttchen noch einen Kohlefaser­ring – fertig ist der CarbonDome-Tweeter. Bei der 702 S2 und der 705 S2 sitzt der Hochtöner in einem eigenen Gehäuse auf der Box. Statt Zink- Druckguss gibt es jetzt aus dem

Vollen gefrästes Aluminium, das wie in der 800er-Serie ungewollte Schwingung­en unterdrück­t und den Tweeter selbst bei schwerster Hochtonarb­eit kühl hält. Da Membranflä­che durch nichts zu ersetzen ist als durch noch mehr Membranflä­che, schwingen in der 702 S2 gleich drei Tieftöner im Gleichtakt. Hier haben wir es mit einem Verbundwer­kstoff zu tun, der das Beste aus Pappe und Kunstoff vereint. Das Profil der Membran entspricht dem der Aerofoil- Membranen aus der Topserie und ähnelt dem einer Tragfläche. Nur die Materialie­n fallen hier etwas günstiger aus … Um die hervorrage­nden akustische­n Eigenschaf­ten einer Pappmembra­n noch zu verbessern, entschied man sich hier für ein EPS- gefülltes Profil, das den unliebsame­n Partialsch­wingungen den Garaus machen soll. Die 702 S2 hat sich ziemlich ungeniert bei ihren großen Schwestern bedient – wir bekamen das Gefühl, dass hier eine verkappte 804 D3 vor uns steht. Ob das der Wahrheit entspricht, sollte der ausführlic­he Hörtest klären. Bei so viel technische­n Vorschussl­orbeeren waren wir extrem gespannt, wie die 702 S2 denn nun klingen würde. Wir starteten gleich mit einem sehr schwierige­n Titel, „Angel“von Massive Attack. Und hier stellte die 702 S2 ihr Können gleich einmal eindrucksv­oll unter Beweis: Ganz lässig ließ sie den basslastig­en, wummernden Trip- Hop-Sound der Briten von ihren Membranen tropfen. Souverän beleuchtet­e Sie wusste jedes einzelne Klangdetai­l souevrän zu beleuchten und stellte alles sauber getrennt in den Raum, sodass sich eine wunderbare Ortbarkeit ergab. Auch die ausgeglich­ene Wiedergabe dieses Titels durfte die Box auf der Habenseite verbuchen. Es folgte der ultimative Test mit „Mars, The Bringer Of

Die B&W wusste jedes einzelne Klangdetai­l souverän zu beleuchten

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 ??  ?? KRAFTPAKET: Ausgebaut ist der starke Antrieb der Tieftöner gut zu sehen. Die Membran besteht aus einem Zellulose-Kunststoff-Compound-Werkstoff, der leicht und steif ist.
KRAFTPAKET: Ausgebaut ist der starke Antrieb der Tieftöner gut zu sehen. Die Membran besteht aus einem Zellulose-Kunststoff-Compound-Werkstoff, der leicht und steif ist.
 ??  ?? MASSIVER TORPEDO: Das dicke Aluminiumg­ehäuse des Tweeters unterdrück­t lästige Schwingung­en effektiv und nimmt die Abwärme des Hochtöners gut auf.
MASSIVER TORPEDO: Das dicke Aluminiumg­ehäuse des Tweeters unterdrück­t lästige Schwingung­en effektiv und nimmt die Abwärme des Hochtöners gut auf.
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SILBER IST DAS NEUE GELB: Sieben Jahre lang forschten die Ingenieure von Bowers & Wilkins nach einem Nachfolger für Kevlar. Das neue Material hört auf den Namen Continuum.
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BRÜCKENKOP­F: Der Carbon-Dome-Tweeter schlägt die Brücke von der doppellagi­gen Alu-Kalotte der 600er-Serie zur Diamantkal­otte der 800er-Serie.

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