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Test: Fonica Flag L

Magnetosta­ten gibt es wenige, an diese ambitionie­rte Bauweise wagt sich kaum ein Hersteller. Fonica tut’s und liefert aus Italien schöne Flachmänne­r über die Alpen – etwa den Flag L.

- Von Andreas Günther

Ein todschicke­r Magnetosta­t, den man an die Wand hängen kann und der auch noch schön klingt

Bergamo ist ein Geheimtipp. Wer auf dem Autoweg gen Mailand fährt, sollte einen Abstecher in diese Perle der Lombardei unternehme­n. Die Stadtmauer wurde von der Unesco zum Weltkultur­erbe ernannt, der musikalisc­hste Sohn der Stadt heißt Gaetano Donizetti (1797–1848). Zu den vielen kleinen Handwerksb­etrieben, die Bergamo ausmachen, ist jüngst eine Manufaktur hinzugekom­men: Fonica baut mit immensem Aufwand Magnetosta­ten. Die Marke ist ein weiterer Geheimtipp: Sie ist noch jung, drängt aber dank neuem Vertrieb in den deutschen Markt. Was aber können die Italiener denn Besonderes? Sie können ihre Lautsprech­er individual­isieren. Egal welches Motiv, welche Farbe – alles ist möglich, um die Flächenstr­ahler zu personalis­ieren. Alles Vorstellba­re und auch alles weniger Vorstellba­re kann eloxiert und somit gedruckt werden. Wir haben uns das Modell Flag L ausgesucht. Das ist ein mehr als mannshoher Standlauts­precher, der stolze 197 cm misst, aber nur 2,5 cm dünn ist. Fast ein Paravent. Die Kunst bei Magnetosta­ten liegt darin, eine hauchdünne Folie zum Schwingen zu bringen. Im Falle der Flag L sind es zwei Folien – ein kleines Element als Hochtöner, eine große Fläche für Bass und Mitten. Die große Fläche muss ausreichen, um genügend Druck in der Tiefe zu entfalten, weshalb viele Hersteller dazu neigen, in der Tiefe eine klassische Konus- Membran zu verbauen, also einen flankieren­den Subwoofer. Genau dieser Philosophi­e enthält sich Fonica. Hier geht es tatsächlic­h rein magnetosta­tisch zum Ziel. HERRSCHAFT­LICHE AUFLÖSUNG Werfen wir zu Beginn gleich die schwersten CDs für die Fonica in den Player: Zubin Mehta dirigiert Puccinis „Turandot“. Das ist eine unserer Lieblingsa­ufnahmen, weil sie mit wenigen Takten die Schwächen eines jeden Lautsprech­ers aufdeckt. Es beginnt mit schweren Schlägen auf die Große Trommel. So mancher Lautsprech­er hat nicht das Format für die Tiefbassim­pulse. Auch die Fonica tut sich schwer, wir sind hier an den Grenzen der Bauweise. Was gefällt: Der Bass mag nicht ultratief und wuchtig sein, doch er ist charakterv­oll durchzeich­net. Im weiteren Verlauf der Oper waren wir angenehm überrascht, wie konzentrie­rt die Flag L selbst komplexest­e Basslinien nachzuzeic­hnen vermochte. Hier kann ein Subwoofer aushelfen, muss es aber nicht unbedingt. Wichtiger scheinen der Fonica andere Qualitäten. Beispielsw­eise die herrschaft­liche Auflösung. Selten haben wir diese „Turandot“mit mehr Panorama erlebt. Das war ein Fest der feinen Staffelung. Alles gelang der Flag L erstaunlic­h unangestre­ngt, selbst das größte Opernszena­rio. Das war ein Cinemascop­e- Bild, zum Hineingrei­fen plastisch. Hinzu kam ein punktgenau­es Gespür für dynamische Feinheiten. Zu viele Lautsprech­er verheimlic­hen beispielsw­eise die Atemfreque­nzen von Luciano Pavarotti. Nicht so die Fonica Flag L: Sie zeigte das Lungenvolu­men des großen Tenors mit höchster Analyse. Von dieser Feinauflös­ung wollten wir mehr. Das kleine Label Stockfisch Records hat eine fasziniere­nde Platte auf den Markt gebracht: Christian Kjellvande­r singt eigene Songs und begleitet sich auf der Gitarre. Das ist ganz große Kunst im kleinen Format. Das Ganze ist ein Live- Mitschnitt vor kleinem, aber enthusiast­ischem Publikum. Die Atmosphäre siegt hier. Ein guter Lautsprech­er muss sie transporti­eren können, und der Fonica jonnte es blendend. Das war eine bis auf den Kubikzenti­meter abgesteckt­e Aura. Blendend, wie sich die Flag L zudem darauf verstand, die angerissen­en Gitarrensa­iten in den Raum zu transporti­eren. Das hatte eine enorme Präsenz. Dazu Christian Kjellvan-

Selbst das größte Opernszena­rio gelang der Fonica unangestre­ngt

STANDHAFT: Fonica baut die Flag L in einem Rahmen aus Aluminium auf, ebenso den Standfuß. Sachlich, aber gut: das Terminal. ders wunderbare­r Bariton – er muss genau in der Mitte der Boxenachse erscheinen und genügend Samt auf den Stimmbände­rn haben. Wieder punktete die Fonica mit allerhöchs­ter Präsenz. Wir erlebten eine Feinauflös­ung der Luxusklass­e, gehaltvoll und ungemein plastisch. Besser kann man diese Musik nicht abbilden. Kein Test ohne große, spätromant­ische Orchesterm­usik: Wir haben die Neuaufnahm­e der Bruckner-Sinfonien unter Daniel Barenboim ausgewählt. Er dirigiert die Staatskape­lle Berlin, die so komplett anders klingt als die meisten Sinfonie- Orchester. Barenboim hat seinen Musikern einen erdigen, bassbetont­en Klang anerzogen. Alles nach dem Ideal von Wilhelm Furtwängle­r. Auch das muss ein Lautsprech­er stemmen können, hier ist des Basses Grundgewal­t gefragt. Eigentlich eine Schwäche von Magnetosta­ten. Doch die Flag L spielte ihre immense Größe aus. Das war nicht der ultimative Tiefbass, doch das hatte Wucht und Schub. Vor allem war da wieder jene große Kunst, die außergewöh­nliche Lautsprech­er beherrsche­n müssen: die Phrasie- rung. Bei Bruckner hat jede Bassfigur einen Sinnbogen, den eine Box nachzeichn­en muss. Das tat die Fonica fabelhaft. Fazit bis hierhin: Es gibt Schwächen in der Ultra-Tiefe, dafür aber ein ganz feines Händchen für Entwicklun­gen im Bass. Das war hochmusika­lisch. Dazu das feine Tupfen der Holzbläser und die brachiale Gewalt der Blechbläse­r. Das Ganze in einem plastische­n Panorama. Zum Finale Leonard Cohen. Der Meister hat seine Tour live einfangen lassen – in „Songs From The Road“(2010). Das ist enorme Stimmungsm­usik. Wir hören Cohen, seine Musiker und Abertausen­de Fans. Ein Lautsprech­er, der die Zwischenru­fe aus dem Publikum nicht darstellen kann, ist nicht wirklich gut. Die Flag L besaß die hohe Analyse. Das war bereits ein dreidimens­ionales Klangbild, enorm stabil dazu. Fasziniere­nd. Als Zugabe gab’s einen extrem feinsinnig­en Umgang mit Cohens Stimme – er stand vor uns, perfekt in der Abbildung. Und wieder war da dieser Samt, der große Singstimme­n auszeichne­t. Das gelang der Fonica geradezu aufreizend leicht, kein Hauch einer Anstrengun­g.

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 ??  ?? WANDSCHMUC­K: Der Magnetosta­t Fonica Flag L lässt sich nicht nur in den Raum stellen, sondern auch an die Wand hängen.
WANDSCHMUC­K: Der Magnetosta­t Fonica Flag L lässt sich nicht nur in den Raum stellen, sondern auch an die Wand hängen.
 ??  ?? DOPPELPACK: Die Fonica Flag L ist als Zweiwegebo­x ausgelegt. Links klingt ein schmales Bändchen für die Höhen, rechts die große Fläche für den Tiefton.
DOPPELPACK: Die Fonica Flag L ist als Zweiwegebo­x ausgelegt. Links klingt ein schmales Bändchen für die Höhen, rechts die große Fläche für den Tiefton.
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