Test: Fonica Flag L
Magnetostaten gibt es wenige, an diese ambitionierte Bauweise wagt sich kaum ein Hersteller. Fonica tut’s und liefert aus Italien schöne Flachmänner über die Alpen – etwa den Flag L.
Ein todschicker Magnetostat, den man an die Wand hängen kann und der auch noch schön klingt
Bergamo ist ein Geheimtipp. Wer auf dem Autoweg gen Mailand fährt, sollte einen Abstecher in diese Perle der Lombardei unternehmen. Die Stadtmauer wurde von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannt, der musikalischste Sohn der Stadt heißt Gaetano Donizetti (1797–1848). Zu den vielen kleinen Handwerksbetrieben, die Bergamo ausmachen, ist jüngst eine Manufaktur hinzugekommen: Fonica baut mit immensem Aufwand Magnetostaten. Die Marke ist ein weiterer Geheimtipp: Sie ist noch jung, drängt aber dank neuem Vertrieb in den deutschen Markt. Was aber können die Italiener denn Besonderes? Sie können ihre Lautsprecher individualisieren. Egal welches Motiv, welche Farbe – alles ist möglich, um die Flächenstrahler zu personalisieren. Alles Vorstellbare und auch alles weniger Vorstellbare kann eloxiert und somit gedruckt werden. Wir haben uns das Modell Flag L ausgesucht. Das ist ein mehr als mannshoher Standlautsprecher, der stolze 197 cm misst, aber nur 2,5 cm dünn ist. Fast ein Paravent. Die Kunst bei Magnetostaten liegt darin, eine hauchdünne Folie zum Schwingen zu bringen. Im Falle der Flag L sind es zwei Folien – ein kleines Element als Hochtöner, eine große Fläche für Bass und Mitten. Die große Fläche muss ausreichen, um genügend Druck in der Tiefe zu entfalten, weshalb viele Hersteller dazu neigen, in der Tiefe eine klassische Konus- Membran zu verbauen, also einen flankierenden Subwoofer. Genau dieser Philosophie enthält sich Fonica. Hier geht es tatsächlich rein magnetostatisch zum Ziel. HERRSCHAFTLICHE AUFLÖSUNG Werfen wir zu Beginn gleich die schwersten CDs für die Fonica in den Player: Zubin Mehta dirigiert Puccinis „Turandot“. Das ist eine unserer Lieblingsaufnahmen, weil sie mit wenigen Takten die Schwächen eines jeden Lautsprechers aufdeckt. Es beginnt mit schweren Schlägen auf die Große Trommel. So mancher Lautsprecher hat nicht das Format für die Tiefbassimpulse. Auch die Fonica tut sich schwer, wir sind hier an den Grenzen der Bauweise. Was gefällt: Der Bass mag nicht ultratief und wuchtig sein, doch er ist charaktervoll durchzeichnet. Im weiteren Verlauf der Oper waren wir angenehm überrascht, wie konzentriert die Flag L selbst komplexeste Basslinien nachzuzeichnen vermochte. Hier kann ein Subwoofer aushelfen, muss es aber nicht unbedingt. Wichtiger scheinen der Fonica andere Qualitäten. Beispielsweise die herrschaftliche Auflösung. Selten haben wir diese „Turandot“mit mehr Panorama erlebt. Das war ein Fest der feinen Staffelung. Alles gelang der Flag L erstaunlich unangestrengt, selbst das größte Opernszenario. Das war ein Cinemascope- Bild, zum Hineingreifen plastisch. Hinzu kam ein punktgenaues Gespür für dynamische Feinheiten. Zu viele Lautsprecher verheimlichen beispielsweise die Atemfrequenzen von Luciano Pavarotti. Nicht so die Fonica Flag L: Sie zeigte das Lungenvolumen des großen Tenors mit höchster Analyse. Von dieser Feinauflösung wollten wir mehr. Das kleine Label Stockfisch Records hat eine faszinierende Platte auf den Markt gebracht: Christian Kjellvander singt eigene Songs und begleitet sich auf der Gitarre. Das ist ganz große Kunst im kleinen Format. Das Ganze ist ein Live- Mitschnitt vor kleinem, aber enthusiastischem Publikum. Die Atmosphäre siegt hier. Ein guter Lautsprecher muss sie transportieren können, und der Fonica jonnte es blendend. Das war eine bis auf den Kubikzentimeter abgesteckte Aura. Blendend, wie sich die Flag L zudem darauf verstand, die angerissenen Gitarrensaiten in den Raum zu transportieren. Das hatte eine enorme Präsenz. Dazu Christian Kjellvan-
Selbst das größte Opernszenario gelang der Fonica unangestrengt
STANDHAFT: Fonica baut die Flag L in einem Rahmen aus Aluminium auf, ebenso den Standfuß. Sachlich, aber gut: das Terminal. ders wunderbarer Bariton – er muss genau in der Mitte der Boxenachse erscheinen und genügend Samt auf den Stimmbändern haben. Wieder punktete die Fonica mit allerhöchster Präsenz. Wir erlebten eine Feinauflösung der Luxusklasse, gehaltvoll und ungemein plastisch. Besser kann man diese Musik nicht abbilden. Kein Test ohne große, spätromantische Orchestermusik: Wir haben die Neuaufnahme der Bruckner-Sinfonien unter Daniel Barenboim ausgewählt. Er dirigiert die Staatskapelle Berlin, die so komplett anders klingt als die meisten Sinfonie- Orchester. Barenboim hat seinen Musikern einen erdigen, bassbetonten Klang anerzogen. Alles nach dem Ideal von Wilhelm Furtwängler. Auch das muss ein Lautsprecher stemmen können, hier ist des Basses Grundgewalt gefragt. Eigentlich eine Schwäche von Magnetostaten. Doch die Flag L spielte ihre immense Größe aus. Das war nicht der ultimative Tiefbass, doch das hatte Wucht und Schub. Vor allem war da wieder jene große Kunst, die außergewöhnliche Lautsprecher beherrschen müssen: die Phrasie- rung. Bei Bruckner hat jede Bassfigur einen Sinnbogen, den eine Box nachzeichnen muss. Das tat die Fonica fabelhaft. Fazit bis hierhin: Es gibt Schwächen in der Ultra-Tiefe, dafür aber ein ganz feines Händchen für Entwicklungen im Bass. Das war hochmusikalisch. Dazu das feine Tupfen der Holzbläser und die brachiale Gewalt der Blechbläser. Das Ganze in einem plastischen Panorama. Zum Finale Leonard Cohen. Der Meister hat seine Tour live einfangen lassen – in „Songs From The Road“(2010). Das ist enorme Stimmungsmusik. Wir hören Cohen, seine Musiker und Abertausende Fans. Ein Lautsprecher, der die Zwischenrufe aus dem Publikum nicht darstellen kann, ist nicht wirklich gut. Die Flag L besaß die hohe Analyse. Das war bereits ein dreidimensionales Klangbild, enorm stabil dazu. Faszinierend. Als Zugabe gab’s einen extrem feinsinnigen Umgang mit Cohens Stimme – er stand vor uns, perfekt in der Abbildung. Und wieder war da dieser Samt, der große Singstimmen auszeichnet. Das gelang der Fonica geradezu aufreizend leicht, kein Hauch einer Anstrengung.