FRISCH GEPRESST
Brian Eno Vier Alben
Virgin/ Universal (jeweils 2 LPs 45 rpm) Viele Rezensenten werden wieder die ach so tollen Verdienste Brian Peter George St. John le Baptiste de la Salle Enos um die Weiterentwicklung des Pop würdigen. Manch einer wird sogar das Märchen seiner allenfalls mit den Beatles vergleichbaren Pioniertaten erzählen. Dabei haben die wieder aufgelegten LPs „Here Come The Warm Jets“(1974), „Taking Tiger Mountain (By Strategy)“(1974), „Another Green World“(1975) sowie „Before And After Science“(1977) mit dem von Eno mitinitiierten Ambient noch wenig zu tun. Allenfalls die letzte Seite von „Science“und einige verteilte Titel nehmen das Langweiler-Format vorweg. Ansonsten gibt’s unterdurchschnittlich spannenden Glamrock, mäßig eingängigen Pop und schlecht gesungene Rätseltexte zu hören. Auch die illus-
Carrie Newcomer The Slender Thread
Stockfisch/ In-Akustik (Doppel- LP 45 rpm) Beim 2015er-Stockfisch-Debüt der USAmerikanerin halfen Ian Melrose (Gitarre) und Hans-Jörg Mauksch mit seinem typischen Fretless-Bass-Sound. Irish Harp, Tin Whistle, Akkordeon und Keyboardflächen und Klavier bereichern das Soundsprektrum weiter, in dem Carrie Newcomers warme Altstimme bestens aufgehoben ist. Der Titel geht zwar auf Sidney Pollacks düsteren Film „The Slender Threat“zurück, aber die 13 Songs dieses unaufdringlichen, spirituellen Albums hinterlassen eher angenehm-melancholische Gefühle. Nach der SACD gibt es jetzt auch den DMM-Umschnitt auf zwei schnelllaufende, exzellent gepresste LPs. Klangunterschiede hängen mehr vom Equipment ab als vom Medium. Bei Songs wie „Haunted“ist jedenfalls Gänsehaut garantiert.
Shelly Manne Daktari
Music on Vinyl/ Cargo Auch wenn diese Schallplatte musikalisch, klanglich oder historisch nicht zwingend in eine Monatsauswahl gehört – der Kultfaktor schiebt „Daktari“dennoch hinein. Wie wohl jedem Überfünfziger drängten sich dem Autor schon beim Titelbild Erinnerungen an den Buschdoktor Tracy, die Schimpansin Judy und vor allem den schielenden Löwen Clarence auf. Die Musik zur höchst populären TV-Serie (hierzulande ab 1969 zu sehen) steuerte der Schlagzeuger und Bandleader Shelly Manne bei. Nicht mit afrikanischen Musikern, aber mit der Creme der HollywoodStudiocracks brachte er 1968 die Titelmelodie und Tracks wie „Rhino Trot“, „Elephantime“oder „Galopping Giraffes“mit – jedenfalls für Westohren – viel afrikanischem Flair aufs Band. Clarence und Judy bekommen auch ihre Themen. Ach, schön war’s. tre Gästeschar, so die Roxy-MusicKumpels Phil Manzanera und Andy Mackay, vor allem King-Crimson-Vordenker Robert Fripp , John Cale, Fred Frith, sogar Phil Collins macht aus schwachen Songs keine guten Platten. Kaiser Eno mag als Produzent seinen Nerzmantel verdient haben, als Solokünstler steht er weitgehend nackert da. Immerhin klingen die LPs dank gutem Remastering und Überspielung auf schnell rotierende Vinyls viel besser als die Altvorderen, auch die Ausstattung mit „Half Speed Mastering Certificate“und Rückenklappe ums Klappcover ist sehr gut. Die Scheiben sehen außerdem glänzend aus. Von glänzender Fertigungsqualität kann dennoch keine Rede sein: Pardon, aber trotz Waschens hielten den Autor etliche Knacker vom Einschlafen ab.
Chamberjam Europe Werke von Piazzolla, Nisinman
Berliner Meister Schallplatten/ Speakers Corner Ein Direktschnitt, Hut ab: Rainer Maillard nimmt mit Tonmeister Stephan Flock noch immer direkt vom Mischpult in die Schneidemaschine Neumann VMS 80 auf. Dieses audiophile Kunststück und künstlerische Wagnis gingen diesmal Bandoneon-Virtuose Marcelo Nisinman, Geiger Daniel Rowland, Gitarrist Alberto Mesirca, Pianistin Natacha Kudritskaya und Kontrabassist Zoran Markovic ein. Sie spielten jeweils eine komplette Schallplattenseite mit Tangos von Nisinman und Tango-Nuevo-Begründer Astor Piazzolla (1921–1992) ein. Die irrwitzige Konzentration trübte aber hörbar nicht die Spielfreude und Ausdruckskraft. Selbst wer nicht auf die argentinische Schiebemusik steht, wird die frappierende Natürlichkeit und Dynamik dieser Aufnahme lieben – trotz weniger Knacker.
Christopher Jones No Looking Back
Stockfisch/ In-Akustik Wohl jeder Audiophile kennt seinen Anlagentester „No Sanctuary Here“, doch der Gitarrist, Sänger und Songschreiber Chris(topher) Jones hat viel mehr Musik geschrieben und gemacht. Etwa dieses feine Singer/SongwriterAlbum, das der 2005 in Deutschland verstorbene Amerikaner schon 1982 für das Stockfisch-Label aufgenommen hat. Sechs der zehn Titel hatte er von Kollegen übernommen, darunter „Willing“von Lowell George. Schon damals produzierte Günter Pauler auf höchstem Niveau, und auch das in DMM von Sohn Hendrik gemasterte Vinyl-Reissue tönt top. 1-A-Pressung.
July July
Music On Vinyl/ Cargo Gemessen am überschaubaren kommerziellen Erfolg, hat das selbstbetitelte Debüt der Londoner PsychedelicRocker July (1968) erstaunlich viele Reissues erfahren. Zu den Vinyl-Neuauflagen gesellt sich nun diese konkurrenzfähige von MOV. Zur kurzlebigen Truppe (2009 mal reformiert) gehörten immerhin Produzent Tom Newman (Mike Oldfields „Tubular Bells“) und Gründungsmitglieder von Jade Warrior. Julys melodischer, mit zahlreichen Verfremdungseffekten und abgespacten Gitarren angereicherter Rock hatte seinerzeit wohl zu starke Konkurrenz, aber heute können auch Beatles- und Hendrix-Fans mal ein Ohr riskieren.
ZZ Top Live From Texas
Eagle Records/ Cargo (Doppel-LP) Heimspiel: Am 1. November 2007 ließen ZZ Top im Nokia Theatre in Grand Prairie, Texas, eine Best-of-Show mitfilmen. Die Blu-ray zeigt die etwas in die Jahre gekommme „Little Ol‘ Band“in guter Form, obwohl die Herrn Gibbons, Hill und Beard schon seit 1969 zusammenspielen. Über ein paar Tricks und Feinheiten der älteren Studio-Originale bügelt die Band locker hinweg, aber was soll‘s – wir hören mmer noch Blues‘n‘Boogierock vom Raspeligsten. Wie schon die CD verzichtet auch die Doppel-LP auf „Pincushion“, „Heard It On The X“und leider fehlt „I Thank You“. Doch gibt‘s das fast volle Brett Unterhaltung auf grau marmoriertem Vinyl.
Duke Jordan Trio So Nice Duke
Harmonix Master Sound/ Sieveking Sound Über die audiophilen Meriten des japanischen Labels Three Blind Mice muss man wirklich nicht mehr schwadronieren. Die Bandmaschinen der Japaner liefen mit, als Duke Jordan (p, 1922– 2006) 1982 mit Jesper Lundgaard (b) und Aage Tanggard (dr) im Jazzclub „So Nice“in Nagoya gastierte. Altmeister Jordan hatte schon mit Charlie Parker gespielt, seine Darbietung von sieben populären Standards wirkt herrlich altmodisch und zeitlos. Das schon für eine feine XRCD auf JVC-Equipment remasterte Band schnitt Tohru Kotetsu nun mit Hilfe von Kazuo Kiuchi und seinen „Harmonix Tuning Tools“für eine fantastisch klingende LP.
Rubén González Introducing
World Circuit Records/ Indigo (Doppel- LP) Vor 20 Jahren öffnete der Gitarrist und Produzent Ry Cooder die Ohren der Welt für die Musik des kubanischen Buena Vista Social Club. Ebenfalls 1997 legte Club-Mitglied Rubén González (1919–2013) sein CD-Debüt vor, das zum Jubiläum ein würdiges Reissue erfährt – mit einem gelängten Titel und einer Nummer mehr. Das schöne 16-seitige Booklet ergänzt eine ganz vorzüglich produzierte (Nick Gold) und tadellos gepresste Doppel-LP im Klappcover. Mit einer gutaufgelegten Begleitband machte der Pianist ohne Overdubs in zwei Tagen klar, wie wunderbar die unverfälschte Musik aus Castros Reich klingen kann.
Al Cohn The Jazz Workshop
RCA/ Speakers Corner Es swingt zuweilen meisterlich in dem „Jazz Workshop“, den Tenorsaxofonist Al Cohn im Mai 1955 veranstaltete. Zur Arbeitssitzung hatte er ein wenig mehr gehalten als im Untertitel versprochen: „Four Brass, One Tenor“hatten er und sein mitarrangierender Kollege Manny Albam mit einer hochkarätigen Rhythm Section von g,p, b, dr ergänzt; und in die vier Trompeten bliesen Mitglieder der Bands von Count Basie und Woody Herman. „Cohn, Not Cohen“(so ein flotter Feger auf Seite 2), machte aus der ungewöhnlichen Besetzung ein unterhaltsames Spektakel. Das hat Speakers Corner in vorzüglichem MonoSound exzellent nachgefertigt.