Test Audion Stirling Anniversary
Ein ganz klassisches Design – und dennoch ein Röhrenverstärker, den man haben will. Audion hat einen feinen Single-Ended-Amp erschaffen, der nur mit einem Cinch-Eingang und 12 Watt auskommt, aber an den richtigen Lautsprechern wunderbar groß klingen kann.
Mit einer Leistung von 2 x 12 Watt ist dieser Röhrenverstärker wahrlich kein Leistungsprotz – aber das muss er auch nicht sein. Mit dem richtigen Lautsprecher klingt dieser Kleine geradezu großartig
Audion ist auf dem deutschen Markt ein mittlerer Unbekannter. Leider. Die Briten haben ihr Unternehmen 1987 gegründet und sich dem gehobenen Röhrenbau verschrieben. Eine Ewigkeit im HiFi- Geschäft. Recht frisch sind die Verstärker nun im Vertrieb von MachOne in Ingolstadt. Vor uns steht das Modell „Sterling Anniversary“– klassischer kann ein Röhren- Amp nicht aussehen. Das ist eine feine, kompakte Bauweise, die schon beim Anblick unser Herz erfreute. Die Liebe steigerte sich, als wir von dem Schaltungskonzept erfuhren: Hier glimmt eine echte Single Ended mit EL34- Endröhren und E88CC-Treiberröhren. Die Kraftausbeute ist naturgemäß bescheiden – gerade einmal 12 Watt gibt es an 8 Ohm. Doch das Schaltungskonzept ist fast ein Fetisch für Amp- Kenner. Der Eintakter wartet nicht mit den üblichen Übernahmeverzerrungen eines Push- Pull-Verstärkers auf. Au- ßerdem erfreuen die harmonischen Verzerrungen eher das Ohr. Den weiteren Aufwand der Konstruktion ersieht man beim Blick in das Innenleben: Hier wurden sämtliche klangentscheidenden Elemente direkt verdrahtet. Der deutsche Vertrieb sattelt noch auf: Speziell für MachOne gibt es NextGenKlemmen von WBT bei Cinch- Buchsen und Lautsprecheranschlüssen. Auch die Röhren wurden vom deutschen Vertrieb feinselektiert. Hier glimmen Endröhrenmodelle von PSVane Typ T Series Mark II und Treiberröhren von NOS Siemens E 88 CC. Kenner ahnen: Hier will jemand etwas erreichen. Das ist Feinkost, zumal MachOne nur 190 Euro Aufpreis für dieses Tuning verlangt. Was ist der Sterling Anniversary? In seinem Rücken liegt nur ein einziger Cinch-Anschluss. Der reicht vollkommen aus, um ihn als Endstufe zu betreiben. Doch gibt es zusätzlich ein Potenziometer an der Front – der Sterling Anniversary kann also auch die Rolle eines bewusst reduzierten Vollverstärkers erfüllen. Angesichts seiner kompakt bemessenen Leistungsausbeute liebt er Lautsprecher mit hohem Wirkungsgrad. Also experimentierten wir mit den Horns- und Voxativ- Klangwandlern dieser Ausgabe. Als erste Klanghürde legten wir Beethovens gesammelte Klavierkonzerte auf. In einer Geheimtipp- Aufnahme: Claudio Arrau sitzt an den Tasten, es spielt die Staatskapelle Dresden, Sir Colin Davis dirigiert. Hier klingt Luxus an jedem Pult. Die Staatskapelle glänzt mit feiner Dynamik, Arrau ist zudem ein Altmeister des eleganten Klaviertons. Eine wunderbare Poesie entfaltet sich, die kongenial auch
SOLCHE FÜLLE AN DETAILS IST SELTEN
so etwas wie einen poetischen Verstärker sucht. Nicht zu hart soll er sein, aber extrem ruhig und farbstark. Genau diese Werte brachte der Audion ein. Das war wunderbar entspannt und doch extrem feindynamisch. Diese Fülle an Details, gerade im Anschlag von Claudio Arrau, hatten wir an anderen Transistoren- Amps nicht gehört. Auch klang der Audion alles andere als schmalbrüstig – das hatte in den Forte- Momenten der Partitur enorme Schlagkraft. Zum Finale noch mal Feines von einem anderen Altmeister: Neil Young in seinem neuen Album „The Visitor“. Das ist ganz fein tarierter Pop/ Rock, ambitio- niert aufgenommen. Der Sterling Anniversary verliebte sich geradezu in die massiven Bass- Grooves. Auch hier überraschte uns die Stabilität. Klasse auch die Stimmabbildung. Das erschien ultrapräzise vor der Boxenachse. Dann die charakteristische Mundharmonika und die akustischen Gitarren in „Almost Always“– das hatte Charme und Luft. Genau diese Mischung macht den Sterling Anniversary zu einer großen Empfehlung: Er kann wunderbar luftig aufspielen und zugleich ordentlichen Druck im Klangbild entfalten. Wir haben uns geschworen, in der Zukunft mehr von den Briten hören zu wollen.