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Test Audion Stirling Anniversar­y

Ein ganz klassische­s Design – und dennoch ein Röhrenvers­tärker, den man haben will. Audion hat einen feinen Single-Ended-Amp erschaffen, der nur mit einem Cinch-Eingang und 12 Watt auskommt, aber an den richtigen Lautsprech­ern wunderbar groß klingen kann.

- Von Andreas Günther

Mit einer Leistung von 2 x 12 Watt ist dieser Röhrenvers­tärker wahrlich kein Leistungsp­rotz – aber das muss er auch nicht sein. Mit dem richtigen Lautsprech­er klingt dieser Kleine geradezu großartig

Audion ist auf dem deutschen Markt ein mittlerer Unbekannte­r. Leider. Die Briten haben ihr Unternehme­n 1987 gegründet und sich dem gehobenen Röhrenbau verschrieb­en. Eine Ewigkeit im HiFi- Geschäft. Recht frisch sind die Verstärker nun im Vertrieb von MachOne in Ingolstadt. Vor uns steht das Modell „Sterling Anniversar­y“– klassische­r kann ein Röhren- Amp nicht aussehen. Das ist eine feine, kompakte Bauweise, die schon beim Anblick unser Herz erfreute. Die Liebe steigerte sich, als wir von dem Schaltungs­konzept erfuhren: Hier glimmt eine echte Single Ended mit EL34- Endröhren und E88CC-Treiberröh­ren. Die Kraftausbe­ute ist naturgemäß bescheiden – gerade einmal 12 Watt gibt es an 8 Ohm. Doch das Schaltungs­konzept ist fast ein Fetisch für Amp- Kenner. Der Eintakter wartet nicht mit den üblichen Übernahmev­erzerrunge­n eines Push- Pull-Verstärker­s auf. Au- ßerdem erfreuen die harmonisch­en Verzerrung­en eher das Ohr. Den weiteren Aufwand der Konstrukti­on ersieht man beim Blick in das Innenleben: Hier wurden sämtliche klangentsc­heidenden Elemente direkt verdrahtet. Der deutsche Vertrieb sattelt noch auf: Speziell für MachOne gibt es NextGenKle­mmen von WBT bei Cinch- Buchsen und Lautsprech­eranschlüs­sen. Auch die Röhren wurden vom deutschen Vertrieb feinselekt­iert. Hier glimmen Endröhrenm­odelle von PSVane Typ T Series Mark II und Treiberröh­ren von NOS Siemens E 88 CC. Kenner ahnen: Hier will jemand etwas erreichen. Das ist Feinkost, zumal MachOne nur 190 Euro Aufpreis für dieses Tuning verlangt. Was ist der Sterling Anniversar­y? In seinem Rücken liegt nur ein einziger Cinch-Anschluss. Der reicht vollkommen aus, um ihn als Endstufe zu betreiben. Doch gibt es zusätzlich ein Potenziome­ter an der Front – der Sterling Anniversar­y kann also auch die Rolle eines bewusst reduzierte­n Vollverstä­rkers erfüllen. Angesichts seiner kompakt bemessenen Leistungsa­usbeute liebt er Lautsprech­er mit hohem Wirkungsgr­ad. Also experiment­ierten wir mit den Horns- und Voxativ- Klangwandl­ern dieser Ausgabe. Als erste Klanghürde legten wir Beethovens gesammelte Klavierkon­zerte auf. In einer Geheimtipp- Aufnahme: Claudio Arrau sitzt an den Tasten, es spielt die Staatskape­lle Dresden, Sir Colin Davis dirigiert. Hier klingt Luxus an jedem Pult. Die Staatskape­lle glänzt mit feiner Dynamik, Arrau ist zudem ein Altmeister des eleganten Klavierton­s. Eine wunderbare Poesie entfaltet sich, die kongenial auch

SOLCHE FÜLLE AN DETAILS IST SELTEN

so etwas wie einen poetischen Verstärker sucht. Nicht zu hart soll er sein, aber extrem ruhig und farbstark. Genau diese Werte brachte der Audion ein. Das war wunderbar entspannt und doch extrem feindynami­sch. Diese Fülle an Details, gerade im Anschlag von Claudio Arrau, hatten wir an anderen Transistor­en- Amps nicht gehört. Auch klang der Audion alles andere als schmalbrüs­tig – das hatte in den Forte- Momenten der Partitur enorme Schlagkraf­t. Zum Finale noch mal Feines von einem anderen Altmeister: Neil Young in seinem neuen Album „The Visitor“. Das ist ganz fein tarierter Pop/ Rock, ambitio- niert aufgenomme­n. Der Sterling Anniversar­y verliebte sich geradezu in die massiven Bass- Grooves. Auch hier überrascht­e uns die Stabilität. Klasse auch die Stimmabbil­dung. Das erschien ultrapräzi­se vor der Boxenachse. Dann die charakteri­stische Mundharmon­ika und die akustische­n Gitarren in „Almost Always“– das hatte Charme und Luft. Genau diese Mischung macht den Sterling Anniversar­y zu einer großen Empfehlung: Er kann wunderbar luftig aufspielen und zugleich ordentlich­en Druck im Klangbild entfalten. Wir haben uns geschworen, in der Zukunft mehr von den Briten hören zu wollen.

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WENIGER GEHT NICHT: Nur ein einziger Cinch-Eingang wartet im Rücken des Sterling Anniversar­y auf Signale, weshalb ihn Audion als Mix aus Endstufe und Vollverstä­rker verkauft.
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AUFGESTOCK­T: Der deutsche Vertrieb bietet von Haus aus ein Upgrade an – für 190 Euro extra gibt’s besonders feine Röhren von PSVane und NOS Siemens.

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