Neu auf Vinyl
Klangtipps: Thomas Stronen, Janne Mark, Joe Jackson, Wolfgang Lackerschmid, Debussy
Der mediale Output von Synthesizer-Wizzard Klaus Schulze umfasst zur Zeit grob geschätzt rund 120 Tonträger. Und irgendwann verlieren inzwischen auch Wohlmeinende die Lust auf das Gesumse. Doch bereits zu LP-Zeiten hatte der Berliner Elektronik-Pionier einige Alben vorgelegt, die noch heute relevant sind. 20 Produktionen aus den Jahren 1972 bis 1988 – plus die beiden als „Wahnfried“1996/1997 veröffentlichten – legt Universal jetzt neu als LP auf. Der soundsovielte große Reissue-Rundumschlag, von denen die CD-„Deluxe“-Editions um 2006 herum noch in brausender Erinnerung sind. Die neuen, jeweils 180 Gramm schweren Vinyle gehen alle auf Remaster von Meister Eroc zurück, die digitale Rohkost kann man sich jeweils per Download einverleiben. Aus dem ersten Schwung hat AUDIO fünf Highlights der 1970erJahre herausgepickt. Zuerst das Positive: Das Remastering ist in Ordnung, es geht jetzt in der Frequenzbalance zuweilen etwas druckvoller und ziviler zu als bei den alten Ausgaben. Editorisch hingegen gibt es leider einiges zu meckern. Das beginnt bei den ungefütterten, unwürdi- gen Innenhüllen. Das Debüt „Irrlicht“(1972) steckt zudem nicht im Originalcover mit der schönen Unterzeile „Quadrophonische Symphonie für Orchester und E-Maschinen“, sondern in dem der Zweitausgabe mit Copyright-Vermerk „1975“. Die Musik, übrigens noch ganz ohne Synthesizer eingespielt, war damals wirklich eine Pioniertat: extrem lange Haltetöne, flauschige Akkordfolgen, zunehmende Tempi, rückwärtslaufendes Orchester – ein wenig anstrengend, aber interessant. Noch wesentlich beeindruckender fiel dann „Timewind“1975 aus, als Schulze eine ganze Synthesizer-Batterie auf Themen von Richard Wagner losließ. Die beiden Titel „Bayreuth Return“und „Wahnfreid 1983“füllen mit etwa einer halben Stunde Spielzeit jeweils eine komplette Seite. Und das hätte beim LP-Mastering im Presswerk eben doch deutlich mehr als den Autopiloten erfordert. Was nützt das beste Remastering, wenn dann bei der LPPressung schneidstichelschonende Höhenabsenkung und Dynamik- Kompression die Wiederhörensfreude trüben? Nicht ganz so ins Ohr fällt das bei „Moondawn“von 1976. Hier wird jeder frühe Schulze-Fan erst einmal den RockTeil in der Mitte von „Mindphaser“anpeilen, und der klingt jetzt auch schön knackig. Dafür ist die Cover-Repro verwaschen. Die „elektronische Winterlandschaft“(Untertitel), die Schulze auf „Mirage“1977 ausbreitete, steckt dagegen in einem etwas grünstichigen Klappcover, was auch im Vergleich zur 2009 bei Revisited/SPV erschienenen Nachpressung auffällt. Musikalisch war Schulze mit düster-mystischen Klängen im Aufschwung, seinen künstlerischen Höhepunkt erreichte er dann 1978 mit dem Doppeldecker „X“. Die sechs musikalischen Biographien sind spannend, abwechslungsreich, haben mal Drive, mal spiegeln sie Zerrissenheit, mal breiten sie sphärische Ruhephasen aus. Doch dass jetzt das wundervolle 16-SeitenBooklet des Originals fehlt, treibt einem die Zornesröte ins Gesicht. Da fallen das blassere Cover, der erneut komprimierte Sound, einige Knacker und erhöhtes Rillengeräusch nicht mehr ganz so ins Gewicht.Genussfortschritt gegenüber frühen LP-Ausgaben? Fehlanzeige.