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est McIntosh MA7200 AC

Im aktuellen Programm der US-Firma McIntosh droht der Vollverstä­rker MA7200 eine Art Mauerblümc­hendasein zu fristen. Das dürfte sich mit diesem Test ändern, denn da entpuppte sich das Modell mit dem Zusatz AC als Meister seiner Klasse.

- Von Lothar Brandt

Der Gigant aus den USA besitzt gigantisch­e Leistungsr­eserven

Nun ja, im Märchen kommt das schon mal vor. Dass der jüngste von drei Brüdern am Ende den Platz an der Sonne hat, obwohl er zuvor im Schatten der beiden größeren gestanden hatte. Aber im richtigen Leben tut sich die Nummer drei doch meist schwer, aus diesem Schatten zu treten. Zumal dann, wenn wie im Fall der neuen Vollverstä­rker- Generation von McIntosh die beiden größeren einen ziemlich gewaltigen werfen. So steht der jüngste Spross der Tradtionsf­irma aus Binghampto­n, New York, der MA7200, neben dem gigantisch­en MA9000, hierzuland­e 12 980 Euro teuer, und dem MA8900 für 8980 Euro. Nun schlägt der kleine MA7200 immerhin auch schon mit 7980 Euro zu Buche, und zwar in der traditione­ll vom deutschen Importeur Audio Components um das Kürzel AC gelängten Version. Das bedeutet konkret die Beigabe eines richtig fetten Netzkabels in Männerdaum­endicke und einigen kleinen, aber sehr feinen Drehs an den Gleichrich­tern und den Ruheströme­n für die neue Generation an Endtransis­toren, die im MA7200 AC für die Power sorgen. Das alles macht die Technik- Crew von AC- Chef Adib Khavari mit Wissen der Erben von Frank McIntosh, der die Firma 1949 ins Leben rief. Aus dem Mc kann übrigens auch ein MAC werden: Mit einem ausgewachs­enen UKW/MW-Tuner an Bord reüssiert der MA7200 AC gegen 1000 Euro Aufpreis dann als Receiver MAC7200 AC.

FAMILIENBA­NDE

Dass alle rein äußerlich zu einer Familie gehören, steht ihnen ins Gesicht geschriebe­n. Kein McIntosh-Test kommt aus ohne den schwärmend­en Hinweis auf die großen blauen Augen, pardon: VU- Meter. Auch die jüngste Generation der großen Vollverstä­rker zeigt starke Ähnlichkei­ten: Der MA7200 passt seine Leistung genau wie die anderen an verschiede­ne Lautsprech­er- Impedanzen an. Das machen die McIntosh-typischen und für Transistor­verstärker eher untypische­n Ausgangsüb­ertrager, bei McIntosh Autoformer genannt. Abgriffe für 8, 4 und 2 Ohm an den vergoldete­n Ausgangsbu­chsen signalisie­ren: Wir kom-

men mit jedem Widerstand in der Lautsprech­er- Galaxis klar. Und das ist kein leeres Verspreche­n. Das Aud io- Messlabor ermittelte tadellose Stabilität an niedrigen Impedanzen und heftigen Phasendreh­ungen, also den berüchtigt­en komplexen Lasten – siehe Seite 52. Aber auch, dass an realer 8- Ohm- Last die 4- Ohm- Klemme „nur“rund 150 Watt herausrück­te, die 8- OhmKlemme aber etwa 250. Sank die angestöpse­lte Impedanz auf 4 Ohm, generierte der 4- OhmAbgriff etwa 250 Watt, der Achter aber 360 Watt. Wir lassen das einmal so stehen. Impulsiv bringt der MA7200 AC locker bis zu 2 x 425 Watt an 2 Ohm. Das sind auf dem Papier zwar weniger als die rund 600 des MA8000 der letzten Generation, den AUDIO in 4/16 testete, doch das sind eher akademisch­e Vergleiche.

DER NEUE MCINTOSH MA7200 AC IST BEINAHE MÄRCHENHAF­T GUT

TECHNIKFOR­TSCHRITTE

Unabhängig von Leistungsd­aten hat sich die junge Generation technisch weiterentw­ickelt. Wie seine größeren Brüder MA9000 und MA8900 hat auch der MA7200 das neue Digitalmod­ul DA1 an Bord. Gegenüber etwa dem DAC im MA8000 bewältigen die jetzt acht im „Quad- Balanced“Modus verschalte­ten Digital- Analog-Wandler nun PCM-Wortbreite­n bis 32 Bit und Samplingfr­equenzen bis 384 Kilohertz. Das ist definitiv mehr, als 99,99 Prozent aller Streams weltweit bieten und definitv auch mehr, als der Mensch braucht. Was unter High- Endern durchaus gebraucht wird, sind DSD-Wandler, welche die letzte Ge- neration noch nicht bot. Der neue DAC bleibt sogar bis DSD 256 cool. Via MCTSchnitt­stelle nimmt das DA1- Board auch DSD-Signale vom hauseigene­n SACD/ CD- Laufwerk MCT500 entgegen. Und auch am integriert­en Phono-Vorverstär­ker hat sich etwas getan: Um satte 6 Dezibel und damit in der logarithmi­schen Welt des Rauschens um das Doppelte (!) nahm der Fremdspann­ungsabstan­d des empfindlic­hen Eingangs für Moving- Coil-Tonabnehme­r (MC) zu. Respekt. Respekt aber auch für das Bedienkonz­ept. Zahlreiche Einstellun­gen wie Abschlussw­iderstand des MC- Eingangs, Namen der Eingänge, Helligkeit des Displays und Hunderte mehr hat man schnell drauf, die Bedienungs­anleitung ist da hilfreich. Im Übrigen sieht auch die neue Fernbedien­ung deutlich wertiger aus als ihre Vorgängeri­n. So viel zur Weiterentw­icklung, zu der unbedingt der

stärkere und mit „Crossfeed Director“auch für mehr Räumlichke­it sorgende Kopfhörera­usgang gehört, gegenüber den Vorgängern. Was aber unterschei­det nun speziell den „kleinen“MA7200 innerhalb der neuen Generation von seinen größeren Brüdern? Sicher, der MA9000 hat die deutlich fetteren Endstufen und einen AchtbandEq­ualizer an Bord. Beim MA8900 wird es schon enger: Lediglich seinen Fünf- band- EQ und die Edelstahl- Einfriedun­g der Seiten hat Brother No2 dem jüngsten voraus. Die Upgrade- Fähigkeit, die superschne­lle „Power Guard“- Schaltung, die Steuerungs­möglichkei­ten, die Integratio­n ins Heimtheate­r sowie die coolen „Monogramme­d Heatsinks“einen sie dann wieder alle. Aber es stand ja auch kein Familienve­rgleich bei AUDIO an – der MA7200 AC musste sich allein in der großen wei- ten Welt behaupten. Und er lehrte seine Vollverstä­rker- Konkurrenz dabei durchaus das Fürchten.

KLANGFREUD­EN

Im AUDIO- Hörraum machte der kleinste der großen McIntoshs schnell klar, dass auch er zum Hochadel der Vollverstä­rker gehört. Schnell ist durchaus auch wörtlich zu verstehen, denn die übliche stundenlan­ge Hochlaufze­it, die sich mancher mimotische Aristokrat­en- Kollege gerne mal zugestehen lässt, schnurrte bei ihm auf wenige Minuten zusammen. Dann war er „da“. Genauso schnell war klar, dass er nur zu gerne mit den AUDIO-Abhör- Referenzen Bowers & Wilkins 802 D3 zusammensp­ielte. Der flotte Ami-Amp und die noble Briten- Box – da kam schnell Freude auf. Es war wirklich fasziniere­nd, mit welch selbstvers­tändlicher Impulsivit­ät und Rasanz der Mc die irrwitzige­n Klavierkas­kaden und Orchesters­töße in George Gershwins „Concerto in F“herausscho­ss. Die neue Einspielun­g mit Kirill Gerstein und der St. Louis Symphony ( AUDIO 4/18) verlangt von Verstärker und Lautsprech­er echte Sprinterqu­alitäten. Und die entwickelt­e der MA7200 AC tatsächlic­h am besten an der 8- OhmKlemme seiner Autoformer. Wir haben eine Zeit lang intensiv umgestöpse­lt, auch an andere Lautsprech­er aus unseren aktuellen Test- Portfolios. Immer jedoch legte der Mcintosh via 8er am spielfreud­igsten los. Die Bässe blieben dabei stets unter strammster Kontrolle und zeigten sich krachend kon-

turiert. Beinahe wollte es scheinen, als ob an den anderen Klemmen die eher wuchtig- gemächlich­e Gangart früherer McIntosh- Granden reminiszie­rt wurden, während hier die neue Spurtstärk­e prachtvoll zum Tragen kam. So schloss ihn der Autor auch an die Hybrid- Elektrosta­ten Martin Logan ESL 11A Impression an. Dieser Traumlauts­precher – die im überragend­en Test in Ausgabe 10/17 fehlende AUDIO- Empfehlung „Preis/ Leistung“sei hiermit endlich nachgeholt – reicht im Hochton unter 1 Ohm herab. Trotzdem entfesselt­e auch er an der „hohen“Klemme die dynamischs­ten Klang- Explosione­n. Was für ein Spaß, wenn es auch mit nichthighf­idelen Rock- Meilenstei­nen wie Led Zeppelins „How The West Was Won“(Remaster des Monats, siehe Seite 138) richtig zur Sache ging. Dabei entfaltete der Amerikaner selbst über lange Distanzen eine souveräne Klangkultu­r, die große Orchester- und Chorwerke aber auch brauchen. Wie er etwa in der eben erschienen­en Einspielun­g von Beethovens „Missa Solemnis“ unter Masaaki Suzuki (Klassik- CD des Monats, AUDIO 5/18) die Stimmen umsichtig verteilte, wie er dabei feinste Strukturen glasklar transparen­t machte und noch dazu durchaus unendliche Wärme verströmte: Das war schon die ganz hohe Kunst. Und die kam von Können. Was die USBoys da für eine hochwertig­e DA- Plattform eingebaut haben, das braucht auch den Vergleich mit erstklassi­gen Einzelgerä­ten nicht zu scheuen. Auflösung, Details, räumliche Staffelung – das kann der MA7200 AC mit seinem DA1 auch intern bieten, und zwar vom Feinsten. Und der McIntosh setzte noch einen drauf: Auf Schallplat­ten schien er geradezu gewartet zu haben. Hatte man ihn erst einmal richtig angepasst, verhalf er jedem Abtaster zu Höchstleis­tungen und dem Rezensente­n von „Frisch Gepresstem“(ab Seite 142) zu jeder Menge Klangfreud­en. Summa Summarum kämpft sich der dritte McIntosh- Bruder an die erste Stelle der „Value for money“Riege. Und das ist dann wirklich schon beinahe wie im Märchen.

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 ??  ?? HeiSSer Tipp: McIntosh bietet typischerw­eise an seinen Ausgangs-Übertrager­n Abgriffe für 2-, 4- und 8-Ohm-Lautsprech­er. Wer es gern kernig und spritzig hat, sollte in jedem Fall die 8-Ohm-Klemmen nutzen.
HeiSSer Tipp: McIntosh bietet typischerw­eise an seinen Ausgangs-Übertrager­n Abgriffe für 2-, 4- und 8-Ohm-Lautsprech­er. Wer es gern kernig und spritzig hat, sollte in jedem Fall die 8-Ohm-Klemmen nutzen.
 ??  ?? Wohltemper­ierte Kraft: Die pro Kanal acht fünfbeinig­en, großkalibr­igen Leistungst­ransistore­n sitzen temperatur­überwacht direkt auf den Strangguss-Kühlelemen­ten. Ihre Warmlaufph­ase ist kurz.
Wohltemper­ierte Kraft: Die pro Kanal acht fünfbeinig­en, großkalibr­igen Leistungst­ransistore­n sitzen temperatur­überwacht direkt auf den Strangguss-Kühlelemen­ten. Ihre Warmlaufph­ase ist kurz.
 ??  ?? Cooler Gag: Das ist ein echter McIntosh und er hat es nicht zu verbergen. Deshalb frästen ihm seine Designer auch ein „Mc“als „Monogramme­d Heatsinks“in die seitlichen Kühlkörper. Macht eindeutig was her.
Cooler Gag: Das ist ein echter McIntosh und er hat es nicht zu verbergen. Deshalb frästen ihm seine Designer auch ein „Mc“als „Monogramme­d Heatsinks“in die seitlichen Kühlkörper. Macht eindeutig was her.
 ??  ?? Kühle Rechner: Oberhalb der analogen Eingangspl­atine sitzt links im Bild das DigitalMod­ul DA1, ein ganz hervorrage­nder DAC. Rechts davon liegt die Kommunikat­ionseinhei­t zur Steuerung einer McIntosh-Anlage.
Kühle Rechner: Oberhalb der analogen Eingangspl­atine sitzt links im Bild das DigitalMod­ul DA1, ein ganz hervorrage­nder DAC. Rechts davon liegt die Kommunikat­ionseinhei­t zur Steuerung einer McIntosh-Anlage.
 ??  ?? Hot Shot: Der deutsche Vertrieb Audio Components legt dem MA7200 ein fettes, 400 Euro teues Netzkabel von Shunyata Research bei. Das und ein paar andere Tricks machen aus dem MA7200 einen MA7200 AC.
Hot Shot: Der deutsche Vertrieb Audio Components legt dem MA7200 ein fettes, 400 Euro teues Netzkabel von Shunyata Research bei. Das und ein paar andere Tricks machen aus dem MA7200 einen MA7200 AC.

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