Est Technics SL-1000R
Technics lehnt sich lustvoll aus dem Fenster und ruft aller Welt zu: Schaut her – so baut man den ultimativen Direkttriebler. Der SL-1000R ist ein Fest für Vinyl-Fans. Wenn nur der hohe Preis nicht wäre. ■ Von Andreas Günther
Unglaubliche 40 Kilogramm bringt der Direkttriebler auf die Waage. Und das Schwergewicht klingt top
Die meisten Testgeräte erreichen uns in Pappkartons. Das ist nicht ehrenrührig, sondern Konvention. Dieser Plattenspieler jedoch wird in einem massiven, hochwertigen Flightcase geliefert. Das kennen wir sonst nur von den ganz großen Namen des HighEnd. Technics im Flightcase – das ist seltsam. Schließlich stand und steht diese Marke doch für gutes, erschwingliches HiFi in stringenter Einfachheit. Die
Japaner werden da wohl etwas Besonderes verpackt haben. Und tatsächlich: Im Flightcase sind die Bauteile des neuen Plattenspielers SL1000R versammelt. Das wurde für uns ein Fest des Auspackens. „Gemeine“HiFi- Komponenten wuchtet man einfach aus dem Karton heraus – hier jedoch wird ein Erlebnis zelebriert. Das ist ein Lego-Spiel für Erwachsene. Und Reiche – denn dieser Plattenspieler erscheint mit erstaunlichen 16 000 Euro auf unserer Wunschliste. Was eine Folgefrage aufwirft: Warum konstruiert Technics ein derartiges Superlaufwerk? Hier spielt etwas Sentimentalität mit; es ist das Bewusstsein für die einst große Firmengeschichte. So gab es Ende der 60er- Jahre den legendären SP-10. Das war eine Wuchtbrumme mit Direktantrieb, die ausschließlich an die Tonstudios und Rundfunksender adressiert war. Wobei das Prozedere einigen Aufwand erforderte. Der SP-10 wurde in eigene Profitische eingebaut, mit getrennter Stromversorgung, Laufwerk und Arm. Was die Fans unter den gewöhnlichen Endkunden nicht davon abhielt, auch einen SP-10 zu ergattern. Dieser wurde dann in eine mutige Eigenkonstruktion integriert – das sind Schmuckstücke, die heute abenteuerliche Preise auf eBay erreichen. >>
Technics hat sich vorgenommen, mit dem SL-1000R das Ultimative zu schaffen. Die Ingenieure wurden nicht an die Kandare gelegt, sondern durften sich austoben. Was wie Aluminium aussieht, ist auch massives Aluminium. Insgesamt bringt dieser Plattenspieler über 40 Kilogramm auf die Waage. Die Freude am Gewicht lebt Technics auch beim Plattenteller aus. Wir sehen on Top eine Lage aus Messing, die wiederum verbunden ist mit einer Unterschicht aus Aluminium- Druckguss. So ein Doppel ist schön, aber nicht unbedingt schwer. Deshalb tunt Technics den Teller mit einer schweren Kautschuk- Füllung und schießt obendrein zwölf Wolframgewichte in die Konstruktion. So wiegt der Teller rund acht Kilo. Und es ist beeindruckend, wie schnell der SL-1000R diese acht Kilo auf Touren bringt. Winzige Sekunden vergehen – und der Teller hat seine Sollgeschwindigkeit erreicht. Auch ein Faktor, den die Profis lieben. Dahinter steht kein Zaubertrick, sondern eine aufwendige Motorkonstruktion.
Sauberes Kraftwerk
Der SL-1000R ist ein Direkttriebler, der Teller liegt also direkt auf einem Kraftwerk. Der Motor verzichtet auf Eisenkerne, stattdessen gibt es einen soge- nannten Doppelspulen-Stator. Man stelle sich eine Scheibe mit neun Spulen vor, die auf der gegenüberliegenden Seite durch weitere, um sechzig Grad versetzte, Spulen ergänzt wird. Das erzeugt eine hohe Antriebskraft bei zugleich niedrigstem Ruckeln. Technics verkün- det stolz, dass der Gleichlauf maximal nur um 0,015 Prozent abweichen könnte. Dieser Motor besitzt Power, Laufruhe und eine hohe Souveränität. Seine Kraft bezieht er von einer externen Steuereinheit. Technics will damit jede ungewünschte Einwirkung des
Stromkreislaufs von der Basis fernhalten. Ein Schaltnetzteil arbeitet eine perfekt rauscharme Spannungsversorgung auf. Technics lässt den Wechselstrom durch gleich mehrere, rauschunterdrückende Schaltkreise in Gleichstrom verwandeln. Geliefert wird auch die Span- nung für 78 Umdrehungen – wer also partout seine Sammlung historischer Schellackplatten abspielen will, der SL1000R ist auch dafür bereit. Fehlt noch der Blick auf den Tonarm. Technics nutzt hier eine Konstruktion in S- Form, die bei 10 Zoll in der Länge liegt. Das Armrohr besteht aus Magnesium, das Ganze wird kardanisch gelagert. Das Innenrohr wurde verkabelt mit sauerstofffreiem Kupfer. Ehe wir jetzt in Lobeshymnen ausbrechen: zwei kleine Dinge haben den großen Auftritt verhagelt. Der schöne Arm wirkt regelrecht amputiert, weil Technics weder eine Headshell noch einen Tonabnehmer beipackt. Mahl ehrlich: Angesichts eines Gesamtpreises von 16 000 Euro wäre doch zumindest eine Headshell Pflicht gewesen. Das ist schade, liebe Technics- Strategen. Richtig ärgerlich wird es für denjenigen, der den SL-1000R an die Phonostufe anschließen will. Er findet auf der Rückseite unter dem Tonarm eine SMEMuffe vor – aber kein Kabel. Technics lässt den Kunden allein. Er muss sich auf dem freien Markt selbst ein SME- aufCinch- Kabel beschaffen. Wurde hier gespart oder schlichtweg etwas vergessen? Wenn es ein Konzept ist, so erscheint es schwer verständlich. Vergessen wir das, verdrängen wir das. Lauschen wir lieber hinein. Wir haben mit unterschiedlichen Tonabnehmern und Phonostufen experimentiert. Selbst bis in die höchste Ausbaustufe zeigte sich der SL-1000R nicht als limitierendes Element. Was für ihn spricht. Das ist ein Traumlaufwerk. Beispielsweise
haben wir eine der letzten Luxuspressungen der Deutschen Grammophon aus analogen Zeiten aufgelegt: Bartoks Klavierkonzerte mit Maurizo Pollini an den Tasten, Claudio Abbado leitet dazu das Chicago Symphony Orchestra. Das ist furiose Musik, gewaltig in der Spannbreite der dynamischen Möglichkeiten. Da bebt die Nadel, da geraten die Membranen an ihre Grenzen. Der SL-1000R verlieh der Aufnahme eine wunderbare Ruhe: Das war ein stattlicher Schwarzwert, vor dem sich das dynamische Spektakel abzeichnete. Man spürte die hohe mechanische Qualität von Laufwerk und Tonarm. Die Wucht des Klaviers konnte regelrecht süchtig machen. Auf Vergleichslaufwer- ken war auch die Hochdynamik spürbar, nicht aber diese feine Graduierung zwischen Mezzoforte und doppeltem Forte. Bei aller Souveränität: Hier zeigte sich auch ein extrem spielfreudiger Plattenspieler. Dazu die perfekte Staffelung des Orchesters – das war ein plastisches Klangbild, wie es selbst in manchen HiResFiles nicht anzutreffen ist. Wieder zeigte sich, dass die angeblich alte LP der CD haushoch überlegen ist.
Da war die LP der CD haushoch überlegen
DIE HÖCHSTE KLASSE
Wer frisches, aktuelles Vinyl mag: Der großartige Remix von „Sgt. Pepper“ist auf schwarzer Scheibe erschienen. Nie klangen die Beatles besser, es ist, als hätten sie sich erst gestern in das Tonstudio an der Abbey Road begeben. Ein Plattenspieler muss hier punktgenau auf die Bassfiguren achten, was der Technics SL-1000R grandios ausstellte. Da zeigte sich eine Kombi mit höchster Analyse, perfekter Stimmabbildung, stattlichem Fundament und dazu noch wunderbar beherzter Spielfreude. Ohne Frage die höchste Klasse.