KRAFT IM RÜCKEN
Gut gebaut: Der Gravelli Virtuoso macht Bella Figura in jedem Wohnraum. Und man braucht für ihn keinen Amp, denn er wird aktiv verstärkt.
Auf der High End 2018 huschte unser Blick über diesen Lautsprecher – und wir waren fasziniert. Da hatte ein Entwickler aus Beton ein bildschönes Gehäuse gegossen, es mit Chassis bestückt und ihm obendrein noch ein Aktivmodul in den Rücken gesetzt. Gravelli heißt die Company. Da denkt man an die Po- Ebene im nördlichen Italien – und liegt falsch. Gravelli unterhält seine Fertigung und seine Firmenzentrale in Prag. Von hier aus werden die Lautsprecher auch in die Welt gesandt – Gravelli versucht sich als Direktvermarkter. Trotzdem ist der Preis eindeutig: 4900 Euro wünscht sich Gravelli, rund 30 Exemplare entstehen pro Monat. Vier Modelle stehen zur Wahl, mit einer Front aus Karbon, Stahl, Messing oder Kupfer. Der Beton wird dazu farblich angepasst. Uns gefällt wie gesagt das Design. Der Kompaktlautsprecher wirkt schmal, nach hinten leicht angewinkelt. An der Front tönt ein BMR, ein „Balanced Mode Radiator“mit planer Membranfläche. An den Seiten schwingen je ein aktiver und ein passiver Bass. Wir haben mehrfach nachgefragt, wer die Chassis für Gravelli anliefert und jedes Mal einen Korb erhalten: Gravelli beruft sich auf das Firmengeheimnis und will keine Zulieferer bekanntgeben. Nur so viel: Das Aktivmodul im Rücken stammt von Hypex, die Holländer unterhalten fast ein Monopol in diesem Branchensegment. Hier werden die Chassis zudem mit DSP angesteuert, wer will, kann auch einen Digitalstream zuführen. Was die Macher dazu verleitet, einen „Highly Coherent and Natural Sound“zu versprechen. Ein Versprechen, dass der Virtuoso im Hörtest jedoch nicht eingelöst hat. Wir waren perplex: Die Höhenanteile wirkten beim Gravelli- Lautsprecher bedeckt bis kaum vorhanden. Die Mitten erreichten uns deutlich verfärbt, beinahe vernuschelt. Wie so oft ins solchen Momen-
ten: Man sucht den Fehler bei sich. Deshalb haben wir heftig mit der Aufstellung experimentiert, zudem sind wir auch von der analogen Ansteuerung abgewichen und haben das Signal per Digital- Cinch zugefüttert. Und lausche da: Alles wurde deutlich besser. Dieser Lautsprecher braucht ein Händchen bei der richtigen Positionierung im Raum. Per Designanspruch und Technologie wurde er für das feine Sideboard oder den größeren Schreibtisch entwickelt. Doch vor den höchsten Höhen des High- End verwehrt sich diese Box. Auch unter den idealsten Aufstellungsvariationen blieb der Klang bedeckt und unfrei. Beispielsweise hatten wir Mahlers „Lieder aus des Knaben Wunderhorn“in 24 Bit und 96 Kilohertz aufgelegt. Die Gravelli punktete mit einem formstarken Tiefbass, doch der Präsenzbereich wirkte verfärbt, die Stimme von Dietrich Fischer- Dieskau blieb ohne Brillanz. Trotzdem: die Basis stimmt, Gravelli müsste sich nur überlegen, ob der BMR-Töner die beste aller Lösungen darstellt.