Welcome to the machine
Für alle, die im Sinne des Pink-Floyd-Songs am liebsten in der Steak Bar essen und im Jaguar fahren, gibt es jetzt DEN Geschmacks-Verstärker: Der Cambridge Edge A verbindet Masse nach amerikanischem Vorbild mit britischer Noblesse. Macht ihn diese Mischung zu einem der besten Amps aller Zeiten? ■ Von Stefan Schickedanz
Würde jemand anderes diesen Verstärker bauen, wäre er auch ein Hingucker, aber nicht halb so spektakulär. Dieses schlicht gestaltete, zugleich visuell sehr präsente Prachtstück kommt weder von Mark Levinson oder McIntosh aus den USA noch von Accuphase aus Japan. Ausgerechnet aus England, wo Amps gewöhnlich als kleine schwarze Kästchen daherkommen, stammt der 25- Kilo- Koloss. Mehr noch lässt aufhorchen, dass Cambridge dahintersteckt. Deren Vollverstärker sind zwar nicht immer schwarz, dafür aber besonders niedlich. Der Edge A macht Schluss mit putzig. Spätestens nach dem Anfassen wird selbst Laien klar: Die meinen es ernst mit dem Hören am Limit. Dabei hatte uns gerade Cambridge in den letzten Jahren besonders drastisch den Wandel in der Branche vor Augen geführt und aufgezeigt, was inzwischen mit kleinen Wireless- Aktivboxen aus der Yoyo-Serie ganz ohne die üblichen Elektronik- Bausteine möglich ist. Jetzt kommt eine Kehrtwende, die unserer ewigen Kanzlerin würdig wäre: Die Briten fahren einen richtig amtlichen Amp auf. Ein Gerät, das vom visuellen und haptischen Auftritt ebenso als Statement zu verstehen ist wie von der klanglichen Konzeption. Dafür gingen sie neue Wege. Die in London beheimateten Entwickler durften ohne die üblichen Zeitlimits und Kostenrahmen den „verstärkenden Draht neu erfinden“. Das führte – man ahnt es – zu einer mehrjährigen Entwicklungszeit, nach der die Kalkulation am Ende statt der ursprünglich angepeilten 3000 Euro einen Verkaufspreis
von 5000 Euro ergab. Doch das ist keinesfalls nachteilig für das Projekt, ganz im Gegenteil. Nebenbei suchten sich die Briten, die seit langem auf Design und Entwicklung in der Heimat und auf Zusammenbau in Fernost setzen, für die Edge-Serie einen neuen Produzenten. Die Handicaps beginnen bereits beim Gehäuse. Die seitlichen, aus dem Vollen gefrästen Alu- Kühlrippen und der aus demselben Material bestehnde massive Deckel sind dabei schon fast trivial. Die aus einem Stück grau eloxiertem Alumi Alumi-
Der AMP sAugt bis zu 240 W iM LeerLAuf
nium gefertigte Front- und Rückwand ist an den Ecken verrundet. Dieses stilprägende Element führte zu einigem Ausschuss, bevor die Qualität den hohen Erwartungen entsprach. Der koaxial aufgebaute Kombi- Knopf zur Lautstärkeregelung und Quellenwahl prägt den Stil aber ganz entscheidend und machte die Sache sogar so komplex, dass ihn die Briten in der Heimat montieren lassen. Dahinter steckt auch zugleich eine der schaltungstechnichen Finessen des Cambridge Edge A. Das hochwertige Alps- Potenziometer dämpft nicht etwa wie üblich das Signal, sondern nur den Pegel einer Referenzstromquelle, der in digitale Werte umgewandelt wird. Die Steuerelektronik regelt das eigentliche Signal dann über ein Leiternetzwerk von Widerständen. In der Ausgangsstufe setzen die Engländer auf eine bewährte Technologie, die aller-
dings wegen der Verwechslungsgefahr mit Class- D- Endstufen von Class-XDauf Class-XA unbenannt wurde. Es handelt sich dabei um eine Weiterentwicklung von Class- A/ B, die Übernahmeverzerrungen zwischen den Push- Pull-Transistorpaaren weiter verringern soll. Auch Einstrahlungen aus anderen Signalbereichen des DC- gekoppelten Verstärkers sollen den spiegelbildlich aufgebauten Endstufen nichts anhaben können. Die Versorgung erfolgt nicht über Drähte, sondern über genau definierte Stromschienen, die noch dazu extrem dicht zur Masse verlaufen. Die Idee dahinter ist, dass sich die Störungen zum Teil gegenseitig aufheben. >>
Damit aber gar nicht erst viele Interferenzen auftreten, setzen die Entwickler, die ihre Namen auf den Platinen verewigen durften, auf streufeldarme Ringkerntrafos, die sie nicht nur unter einem Abschirmgitter verbergen. Sie lassen auch in der Endmontage – dort stehen die gleichen Messgeräte wie in London – die elektromagnetische Strahlung messen und die Trafos durch Verdrehen gegeneinander so justieren, dass sich möglichst viele Streufelder auslöschen.
Wie AUS Dem LehrbUch
Der Rest entspricht dem Handbuch des Verstärkerbaus mit getrennten Stromversorgungen für die verschiedenen Bereiche und nach Sektionen getrenntem Platinenaufbau. Die Vorverstärkerelektronik teilt sich der Edge A mit der Vorstufe Edge NQ, die Endstufenmodule mit der Endstufe Edge W. Schließlich sollte der Preis nicht ins Endlose driften. Um den Drift der Schaltungen zu kontrollieren, heizt der Brite nach dem Einschalten erst einmal im WarmupModus auf. Daraufhin fährt er den Ruhestrom herunter auf Verbrauchswerte, die Ökos allerdings immer noch in Schnappatmung versetzen würden. Doch der Zweck heiligt die Mittel. Der Cambridge zeigte sich selbst an ehrfurchtgebietend teuren französischen Lautsprechern wie der Focal Scala Utopia Evo ( Test folgt in AUDIO 11/18) so unnachgiebig wie Wellington in Waterloo. Furiose Attacke flankiert von enormen Raumgewinnen und unnachgiebiger Stabilität in der Abbildung und der Basskontrolle. Der anspringende AhaEffekt hielt sich sogar mit Bluetooth und im Betrieb als USBDAC (32 Bit/ 384 kHz) mit DSS256. Besonders stimmig und differenziert klang es aber via S/ PDIF (16/24 Bit, 32– 96 kHz) oder analog über die symmetrischen XLREingänge. Nicht nur hochauflösende Klassik, auch Rock und Pop wie London Grammar („Night Call“) brachten es an den Tag: Der in der Stadt an der Themse entwickelte Cambridge ist der London Hammer, einer der ganz Großen seiner Art.