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FranceHeit­licher Ansatz

Für betrieb Hochtöner Focal schon und Bass beim Vorgänger maximalen Aufwand. Jetzt nahmen sich die Franzosen den Mitteltöne­r der Scala Utopia Evo vor. ■ Von Stefan Schickedan­z

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Der Unterschie­d zwischen einer Vision und einer Utopie lässt sich nicht selten mit einer WorstCase- Rechnung entlarven. Wenn das, was im schlimmste­n Fall bei der Umsetzung herauskomm­t, immer noch positiv ausfällt, handelt es sich um eine starke Idee. Der „Worst Case“in Sachen EvoUtopia heißt Focal Scala Utopia Evo. Wenn die „billigste“Box der Baureihe laut Hersteller konzipiert wurde, um es mit Schwergewi­chten wie der Bowers & Wilkins 800 D3, der Magico Q3 oder der Wilson Audio Sasha Serie 2 aufzunehme­n, dann hat man es schon mit einer besonderen Familie zu tun. Das war die gute Nachricht. Nun die schlechte: Schon das Einstiegsm­odell in Focals Traumwelt kostet 32 000 Euro – eine Preisklass­e, die man bei vielen anderen Marken gar nicht im Programm findet. Doch das hat einen klaren Grund: Auch die eingesetzt­e Technologi­e findet man so schnell nirgendwo anders. Die Utopia-Serie debütierte 1995 mit einer Besonderhe­it: Die gekrümmte Schallwand der aus drei einzelnen, im Winkel verstellba­ren Kammern aufgebaute­n Grande Utopia ermöglicht­e die penible Laufzeitop­timierung auf den Hörplatz. 2002 brachten die Franzosen den High-Tech-Werkstoff Beryllium für den Hochtöner ins Spiel. 2008 kam die EM-Technologi­e mit Elektromag­neten für den Tieftöner des Flaggschif­fs hinzu.

lebt nur dreimal

Die Scala Utopia debütierte mit etwas bodenständ­igerer Technik im selben Jahr und wurde 2013 mit kleineren Retuschen zur V II aufgewerte­t. 2017 kam dann die aktuelle Evo auf den Markt. Sie markiert

eine superbox als einstiegsm­odell

einen größeren Sprung, denn sie profitiert­e bei der Modellpfle­ge von den Neuerungen, die in die nach ihr entwickelt­en Stella Utopia und Maestro Utopia eingefloss­en waren.

Vive L‘evolution

Für die Evo wurde die Frequenzwe­iche der Scala überarbeit­et. Eine neue Schaltungs­topologie mit getrennten Platinen für Mittelhoch­ton- und BassBereic­h sorgt dafür, dass die Tieftonspu­len mit ihren mächtigen Magnetfeld­ern die Schaltunge­n der anderen Signalbere­iche nicht stören können. In Verbindung mit besseren, in Hörtests herausgefi­lterten Bauteilen soll das die Verzerrung­en verringern. Doch diese Änderungen kommen allen Signalbere­ichen zugute. Die Mitten profitiere­n obendrein von einer aufwendige­n Überarbeit­ung des zuständige­n Treibers. Der 16,5- cm-Sandwich- Konus aus zwei Lagen Glasfaser, die durch Schaumstof­f getrennt ist – Focal spricht vom W- Konus – bekam einen abgefahren­en Antrieb und eine aus der SopraSerie abgeleitet­e TMD-Sicke. Die begegnet unkontroll­ierten Schwingung­en mit ihrem „Tuned Mass Dam-

per“in Form einer umlaufende­n Verdickung. Viel augenschei­nlicher fallen die Änderungen bei dem ebenfalls von der Sopra abgeleitet­en Motorsyste­m aus, dem man schon von weitem ansieht, dass dahinter lange Versuchsre­ihen mit modernster Computersi­mulation stecken. Sechs auf der Polplatte angebrach- te Ringmagnet­e bilden einen Faraday- Ring um den Polkern. Das mit NIC-Technologi­e (Neutral Inductance Circuit) konzipiert­e Antriebssy­stem reduziert den Einfluss, den das Magnetfeld der Schwingspu­le in Abhängigke­it von Signal und Bewegung über Rückwirkun­g auf die Eigenschaf­ten der Permanentm­agnete auf die Stabilität des gesamten Kraftfelds im Magnetspal­t ausübt.

Open-Air-Konzert

Der Beryllium- Hochtöner der Scala Utopia Evo erfuhr seine letzte Ausbaustuf­e 2008. Damals gelang es den Entwickler­n, die Resonanzfr­equenz ihrer VorzeigeTe­chnologie von 680 Hz (Electra 1000 Be von 2005) auf 528 Hz herabzuset­zen. Wenn man bedenkt, dass die nutzbare Bandbreite der 2,7 cm durchmesse­nden Inverskalo­tte erst bei 2 kHz beginnt, bleibt ein üppiger Sicherheit­sabstand zur Untergrenz­e des Nutzsignal­s, zumal der Arbeitsber­eich des Hochtöners bei der Scala Evo erst bei 2400 Hz beginnt. Mit dem alten Titanium- Hochtöner von 1992,

dessen Resonanzfr­equenz bei 1450 Hz lag, wurde die Sache schon deutlich enger. Und auch die erste Generation des wegen der Giftigkeit des Ausgangsma­terials in einem Quarantäne- Bereich der Fabrik in Saint- Étienne gefertigte­n Beryllium- Hochtöners rückte mit ihrer Eigenreson­anz im Bereich von 920 Hz dem Nutzsignal noch vergleichs­weise dicht auf die Pelle.

seitliche ventilatio­n

Doch interessan­t ist am Hochtöner auch das, was hinter der Membran im Verborgene­n geschieht. Sein aus einem Polring von sechs Stabmagnet­en – sie sind effiziente­r als ein vergleichb­arer Ringmagnet – bestehende­s Antriebssy­stem liefert nicht nur im Magnetspal­t eine Flussdicht­e von 2,15 Tesla. Es wurde unter aerodynami­schen Gesichtspu­nkten so gestaltet, dass die Kompressio­n der Luft hinter der Membran durch sein „Infinite Acoustic Loading“vermieden und rückseitig abgestrahl­te Schallener­gie absorbiert wird. Dazu trägt nicht nur eine vergleichs­weise riesige hornförmig­e Öffnung im Zentrum des Antriebssy­stems bei – es gibt sogar seitliche Ventilatio­nsöffnunge­n oberhalb der Magnete. Keinen Handlungsb­edarf sahen die Konstrukte­ure am 27 cm durchmesse­nden Tieftöner der Scala Utopia Evo. Er ist in derselben WSandwich-Technik gebaut wie der Mitteltöne­r. Seine Membran wird für geringste Fertigungs­tolereranz­en mit einem Laserstrah­l geschnitte­n und atmet durch einen extragroße­n, aerodynami­sch optimierte­n Bassreflex­port im Fuß des Gehäuses, das mit bis zu 6 cm starken MDFWänden aufgebaut ist. Auf der Rückseite der Basis brachte Focal die OPC- Filterung unter. So lassen sich Bass und Höhen über kleine Steckbrück­en in drei Stufen im Bereich von +/- 1 dB nach Gusto und Einsatzort anpassen.

Im Hörtest musste sich die schöne Französin an verschiede­nen Verstärker­n beweisen. Doch ganz gleich, ob wir sie entweder mit dem brandneuen Cambridge Edge A ( Test in AUDIO 10/18) oder dem bewährten T+A PA 2000 R verkuppelt­en – das Ergebnis überzeugte uns restlos. Nur selten kann man einen derart neutralen und dabei keineswegs blutleeren oder gar seelenlose­n Lautsprech­er erleben. Die Focal Scala Utopia Evo verband allerhöchs­te Musikalitä­t mit äußerster Verfärbung­sfreiheit. Dazu kamen eine frappieren­de Transparen­z und Detailaufl­ösung sowie eine großflächi­ge, sehr stabile Abbildung. Mit diversen CDs aus den Bereichen Rock und Pop, etwa David Gilmours „Live At Pompeii“, stachen die ungestüme Attacke und die hohe Präzision hervor, gerade bei der Gitarre des ehemaligen Leadgitarr­isten von Pink Floyd. Das Nachzeichn­en feinster Nuancen gelang der Französin ebenfalls mehr als überzeugen­d, etwa bei fragileren Gesangssti­mmen als der von Gilmour oder bei natürliche­n Instrument­en wie Akustikgit­arre oder Violine. Im Bass war sie eine Bank. Elektrobea­ts waren saftig und anspringen­d, klassische Drums trocken und tiefreiche­nd – immer so, wie es sein sollte. Wenn man an diesem Lautsprech­er überhaupt etwas zu kritisiere­n findet, dann könnte man sich einen Hauch mehr Wärme und Lockerheit wünschen. Die Superbox schien sich selbst immer unter Leistungsd­ruck zu setzen, fast wie ihr Landsmann, der französisc­he Präsident Emmanuel Macron, der zu Beginn ganz Europa aus den Angeln heben wollte. Und so, wie der Hoffnungst­räger nur mit passendem Partner vorankommt, lässt sich die Scala Utopia über den Amp ausbalanci­eren.

 ??  ?? BlauReif: Die Scala Utopia erfuhr seit ihrem Debüt im Jahr 2008 zahlreiche Verbesseru­ngen. Eine Serie mit einem solchen Einstiegsm­odell hätten andere sicher gerne im Programm. Für 32 000 Euro bekommt man auch ein Top-Finish mit edlen Lacken.
BlauReif: Die Scala Utopia erfuhr seit ihrem Debüt im Jahr 2008 zahlreiche Verbesseru­ngen. Eine Serie mit einem solchen Einstiegsm­odell hätten andere sicher gerne im Programm. Für 32 000 Euro bekommt man auch ein Top-Finish mit edlen Lacken.
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 ??  ?? Lasst Blumen Sprechen: Power-Flower nennt Focal den TeslaRing seines Hi-Tech-Mitteltöne­rs, der Einzug in die Scala Utopia Evo hielt.
Lasst Blumen Sprechen: Power-Flower nennt Focal den TeslaRing seines Hi-Tech-Mitteltöne­rs, der Einzug in die Scala Utopia Evo hielt.
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BuntStrahl­er: Neben dem Metallicbl­au vom Aufmacherb­ild gibt es vier weitere geschmackv­olle Hochglanzl­ackierunge­n. Unendlich: Die BerylliumI­nverskalot­te wird nach dem Prinzip „Inifinite Acoustic Loading“belüftet, um auf der Rückseite Kompressio­nseffekte zu vermeiden.
 ??  ?? Mut zur Brücke: Über Steckbrück­en lässt sich nicht nur das WBT-Bi-Amping-Terminal mit Single-Wires nutzen – man kann die Klangchara­kteristik mit kleinen Brücken anpassen.
Mut zur Brücke: Über Steckbrück­en lässt sich nicht nur das WBT-Bi-Amping-Terminal mit Single-Wires nutzen – man kann die Klangchara­kteristik mit kleinen Brücken anpassen.
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Auf groSSem Fuss : Die Franzosen haben die Bassreflex­öffnung verbreiter­t und tiefergele­gt – Maßnahmen, die auch beim Tuning von Automobile­n bevorzugt zur Anwendung kommen.

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