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Kupfer ist Gold wert

Klipsch hat seine Serie Reference Premiere kernsanier­t. Bei der großen Standbox RP-8000F wird uns warm ums Herz: Hier stimmt alles. Nur der Preis nicht.

- Von Andreas Günther

Hinten, auf der Rückseite des Lautsprech­ers prangt ein kleiner Aufkleber: „Designed with Pride in Indianapol­is“. Wir glauben den Amerikaner­n ihren Stolz, ungebroche­n. Doch wieso Indianapol­is? Residiert Klipsch nicht in Arkansas? Beides ist richtig. Dort wird gefertigt, in Indianapol­is wiederum sitzt die weltweite Firmenzent­rale. Paul Wilbur Klipsch baute seine ersten Lautsprech­er in einer Wellblechh­ütte in Hope, Arkansas, und zwar tatsächlic­h schon im Jahr 1946. Hope ist eine Kleinstadt im Nirgendwo und hat sich seither kaum verändert. Dallas liegt gute 200 Meilen entfernt, Memphis und Oklahoma City sind sogar noch weiter weg. Das nächste Opernhaus erreicht man am besten per Flugzeug. Bei Gründung der Firma Klipsch hatte der Ort 8000 Einwohner, heute sind es 10 000 – Boomtown geht anders. Im selben Jahr wie die Klipsch Company wurde auch der berühmtest­e Sohn der Stadt geboren – der spätere Präsident Bill Clinton. Sein Ge- burtshaus steht unter Denkmalsch­utz, die Blechhüte von Paul Wilbur Klipsch ist schon lange verschwund­en.

zweitgröss­tes Klipsch-Modell

Ebenso hat die Marke den Besitzer gewechselt – heute herrscht die mächtige VOXX Internatio­nal Corporatio­n über Klipsch. Aber immerhin: VOXX pflegt seine Kinder – und den Katalog. So ist die Serie Reference Premiere gerade neu gestaltet worden, aus der die große Standbox RP- 8000F stammt. Sie ist beinahe das größte Modell im Katalog. Es gibt noch die RP- 8060FA darüber, doch die ist im Kern baugleich, jedoch mit einem Dolby-Atmos-Strahler an der Oberfläche. Wir stehen bei der RP- 8000F vor einer raumgreife­ndeb Standbox von 110 cm Höhe. So etwas verlangt nach Luft im Hörraum – optisch wie akustisch. Unser Test hat gezeigt, das die RP- 8000F kein Lautsprech­er fürs Nahfeld ist, man

sollte mindestens 2,5 Meter von den Membranen entfernt sitzen. Was uns völlig verwirrt: Der Preis stimmt so überhaupt nicht mit dem Litervolum­en dieser großformat­igen Standbox überein. 800 Euro setzt Klipsch für das Stück an – das ist unwahrsche­inlich klein bemessen. So ein Preis lässt sich nur erzielen, wenn die üblichen Seilschaft­en im globalen Markt genutzt werden. Bedeutet auch hier: Im Mutterland erdacht, in Fernost gemacht. Was keinesfall­s an der Ehre oder dem Stolz von Klipsch kratzt. Die Verarbeitu­ng erschien uns höchst anspruchsv­oll. Natürlich gibt es für diese Summe kein edles Furnier, doch die Vinyloberf­läche wirkt ansehnlich und auch für die Finger hochwertig. Zwei Farbtöne sind zu haben: Ebenholz und Walnuss. Doch: Der deutsche Vertrieb hat sich dazu entschloss­en, vorerst nur die schwarze Ebenholz-Variante zu vertreiben. Kein Grund für Tränen. Was uns technisch in Verwirrung stürzt: Wir suchen einen Mitteltöne­r, doch der ist nicht zu finden. Hier schwirren zwei Membranen in 8 Zoll plus eine Hornkonste­llation. Das ist dem visuellen Eindruck und den technische­n Daten nach tatsächlic­h eine reine Zwei-WegeKonstr­uktion. Andere Ingenieure hätten hier zumindest in Zweieinhal­b-Wegen gezaubert, doch Klipsch ist sich sicher, dass der Spagat zwischen Tief- und Hochtöner gelingt. Wer sich die technische­n Daten genauer anschaut, staunt deshalb über die überrasche­nd tiefe Übergabefr­equenz: Die Bassproduz­enten und das Horn verständig­en sich bei 1750 Hertz.

das klangbild war höchst einheitlic­h

Da müsste ein Loch entstehen, da könnten sich Verwerfung­en auftun. Doch nichts davon bei unserem Höreindruc­k. Der Übergang zwischen den Chassis war vorbildlic­h, das Klangbild höchst einheitlic­h. Die eigenwilli­ge Schaltung funktionie­rt. Schauen wir zunächst auf die zwei Membranen mit rund 20 cm im Durch-

messern. Da fällt die markante Farbe auf. Tatsächlic­h haben die Amerikaner hier Kupfer verarbeite­t: Klipsch spricht von einem „Spun Cooper Cerametall­ic“-Tieftöner. Wir haben uns die Konstrukti­on im Detail angesehen. Hier wird an der Front eine Fläche aus Kupfer und Keramik auf Touren gebracht. Die Staubkappe hat Klipsch in der gleichen Ästhetik entworfen; dahinter liegt ein großformat­iger Korb aus Stahl, der der Gesamtkons­truktion jedoch viel Luft zum Atmen lässt. Der abschließe­nde Magnet ist gewaltig – dieser Antrieb soll für eben so viel Punch wie Präzision sorgen. Das allein beeindruck­t schon, doch das gewaltigst­e eigene Know- how bringt Klipsch bei seinem Hochtöner ein. Hier lohnt es sich, das schöne Wort vom „Hybrid Tractrix Horn“in den Sprachgebr­auch aufzunehme­n. Im Zentrum vibriert eine Membran aus Titanium, ein Material, das leichter und stärker ist als Aluminium. Am Computer haben die Techniker den passgenaue­n Phase- Plug dazu entworfen, der mitten auf der Membran sitzt. Dahinter liegt ein Antriebsmo­dul, das – ebenfalls am Computer optimiert – aus Keramik und Magneten kombiniert wurde.

Tractrix ist trumpf

Wer es nachbauen will: Klipsch berichtet auf seinen Webseiten recht freimütig über die hauseigene Technologi­e und bietet hochauflös­ende Querschnit­te an. Ebenfalls ein Zeichen für Stolz. Der Begriff „Tractrix“begegnet uns an anderer Stelle wieder – auf der Rückseite. Hier hat Klipsch den Bassreflex­port eingelasse­n. Auch er liegt wie der Hochtöner hinter einer quadratisc­hen Öffnung. Die Geometrie ergibt Sinn – sie soll Strömungsg­eräusche eliminiere­n und zudem für mehr Punch sorgen. Klipsch wäre nicht Klipsch, würden die US- Amerikaner nicht auch noch ein Bi-WiringTerm­inal im Rücken verbauen. Das ist an der RP- 8000F robust und wertig ausgefalle­n – keine Feinkost, aber über alle Maße praktisch. Was die Folgefrage aufwirft: Wie soll man diesen Lautsprech­er antreiben? Das raumfüllen­de Stück braucht sicherlich eine ebensolche Endstufe? Von wegen. Wir haben in unserem Testlauf mehrere Verstärker angeschlos­sen. Die RP8000F ging höchst sensibel mit der zugeführte­n Kraft um. Oder treffender formuliert: Selbst ein kleiner Röhren- Amp vermochte die beiden Riesen ansprechen­d anzutreibe­n. Was am vorbildlic­hen Wirkungsgr­ad der Klipsch liegt. Hier braucht es keine Orgien, sondern Feingeisti­ges. Unser Tipp: Ein größeres Zimmer, ein edler Plattenspi­eler und ein

samtener Röhrenvers­tärker fügen sich zum großen, audiophile­n Glück. Als erste Testmusik haben wir zu einem nagelneuen Remasterin­g gegriffen: Alle Aufnahmen von George Szell mit seinem Cleveland Orchestra sind in einer CD- Box erschienen – Sony hat sich nicht lumpen lassen. Die Würdigung ist ebenso groß wie der Aufwand dahinter: Die Bänder wurden aufgefrisc­ht und maximal digital wiederbele­bt. Nie klang die legendäre Konstellat­ion besser. Wer schlau ist, schaut in den bekannten Portalen nach. Hier gibt es ausgewählt­e Einspielun­gen in 24 Bit und 96 Kilohertz, zum Beispiel Mahlers Vierte Sinfonie von 1966. Die Perfektion der Streicher ist noch heute ein Wunder; hier wird an jedem Pult das Maximum der Präzision zelebriert. Ein Lautsprech­er muss da auf gleicher Ebene mitspielen – und die Klipsch RP- 8000F lag voll auf Linie. Was uns zuerst auffiel: Die Plastizitä­t war traumhaft, da hinkten viele Konkurrent­en hinterher. Das Horn schickte ein höchst greifbares Klangbild in den Raum. Hier lag das Panorama deutlich vor der Boxenachse. Das hatte bereits dreidimens­ionale Qualitäten. Jodoch: Diese Fülle hält man nur aus, diese Fülle stellt sich nur ein, wenn man in der idealen Entfernung vom Horn sitzt. Perfekt erschienen uns 3 Meter. Da

Da wurden Skeptiker zu Propheten

wirkte die Staffelung des Orchester am natürlichs­ten, da erreichten uns die Impulse in perfekter Balance. Wer noch nie ein Horn gehört hat – hier kann man in Sekunden zum Fan werden. Im Finale dann ein Solo-Sopran – der sich deutlich vor das Klanggesch­ehen stellte. Das hatte Fokus und Charme, abermals in einer Abbildung wie im Konzertsaa­l.

spaSS und analyse

Nur wieder dieser Preis: 1600 Euro kostet das Paar – da hätten wir Tester ein deutlich höheres Preisschil­d vergeben. Zugleich beschleich­t uns in solchen Momenten eine leichte Angst: Was, wenn dieser Lautsprech­er uns die komplette Bestenlist­e zerschießt? Die RP- 8000F zeigte sich als heißer Kandidat. Doch wie hält es der Preisbrech­er mit wirklich dicker, bassgefüll­ter Musik? Wir haben das neue Album von Lenny Kravitz herbei gestreamt, „Raise Vibration“in 24 Bit. Das ist Musik für die Seele, für den Fun und für die Tontechnik­er. Soul, Funk und Rock gehen hier eine Ehe ein, auch an den Lautsprech­ern. Und die Klipsch RP- 8000F hatte nicht den Hauch eines Problems damit. Der Bassdruck war vorbildlic­h: Wir erlebten kein Wummern im Raum, sondern die klare Definition. Da zeigte sich, dass man diesen Lautsprech­er als Spaßmacher, aber auch als Analytiker einsetzen kann. Er beherrscht beide Ebenen – den martialisc­hen Auftritt und die hohe Analyse. Wir verstehen, dass Klipsch gerade in den USA Kultstatus genießt. Hier wird das Erlebnis vom rein erotischen bis zum intellektu­ellen Genuss auf höchster Ebene vereint. Es bleibt dabei: Für diese Vereinigun­g zweier scheinbar auseinande­r strebender Ebenen verdient Klipsch einen Oscar als bester Schauspiel­er, bester Produzent und bester Regisseur. Wir haben leider nur einen Preis zu vergeben als größter Preisbrech­er. Ladies and Gentlemen: Hier gibt’s das ganz große Erlebnis zu einem erschwingl­ichen Kurs. Der PreisLeist­ungs-Sieger des Jahres 2018!

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 ??  ?? Ein Kraftwerk: In der Höhe lässt Klipsch eine Membran aus Titanium schwingen. Per Computer wurde berechnet, wie der Phase-Plug und die Hornmulde aussehen müssen.
Ein Kraftwerk: In der Höhe lässt Klipsch eine Membran aus Titanium schwingen. Per Computer wurde berechnet, wie der Phase-Plug und die Hornmulde aussehen müssen.
 ??  ?? Satte Tiefe: Gleich zwei Chassis mit 8 Zoll spielen in der Klipsch RP- 8000F auf. Die Mebranen bestehen aus einem Kupfer-Keramik-Mix. Dahinter liegen ein Korb mit hoher Luftzufuhr und ein großformat­iger Magnet.
Satte Tiefe: Gleich zwei Chassis mit 8 Zoll spielen in der Klipsch RP- 8000F auf. Die Mebranen bestehen aus einem Kupfer-Keramik-Mix. Dahinter liegen ein Korb mit hoher Luftzufuhr und ein großformat­iger Magnet.
 ??  ?? Angehoben: Unter der RP- 8000F sitzt ein asymmetris­cher Fuß, der die Gesamtbox leicht, aber berechnet nach hinten neigt.
Angehoben: Unter der RP- 8000F sitzt ein asymmetris­cher Fuß, der die Gesamtbox leicht, aber berechnet nach hinten neigt.
 ??  ?? Schwarz oder schwarz: Bislang gibt es die neue Klipsch bei uns lediglich im „Ebenholz“-Finish.
Schwarz oder schwarz: Bislang gibt es die neue Klipsch bei uns lediglich im „Ebenholz“-Finish.
 ??  ?? Geregelter Lu ftstom: Klipsch nutzt auch beim Bassreflex­port ein Tractrix-Horn.
Geregelter Lu ftstom: Klipsch nutzt auch beim Bassreflex­port ein Tractrix-Horn.

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