Kupfer ist Gold wert
Klipsch hat seine Serie Reference Premiere kernsaniert. Bei der großen Standbox RP-8000F wird uns warm ums Herz: Hier stimmt alles. Nur der Preis nicht.
Hinten, auf der Rückseite des Lautsprechers prangt ein kleiner Aufkleber: „Designed with Pride in Indianapolis“. Wir glauben den Amerikanern ihren Stolz, ungebrochen. Doch wieso Indianapolis? Residiert Klipsch nicht in Arkansas? Beides ist richtig. Dort wird gefertigt, in Indianapolis wiederum sitzt die weltweite Firmenzentrale. Paul Wilbur Klipsch baute seine ersten Lautsprecher in einer Wellblechhütte in Hope, Arkansas, und zwar tatsächlich schon im Jahr 1946. Hope ist eine Kleinstadt im Nirgendwo und hat sich seither kaum verändert. Dallas liegt gute 200 Meilen entfernt, Memphis und Oklahoma City sind sogar noch weiter weg. Das nächste Opernhaus erreicht man am besten per Flugzeug. Bei Gründung der Firma Klipsch hatte der Ort 8000 Einwohner, heute sind es 10 000 – Boomtown geht anders. Im selben Jahr wie die Klipsch Company wurde auch der berühmteste Sohn der Stadt geboren – der spätere Präsident Bill Clinton. Sein Ge- burtshaus steht unter Denkmalschutz, die Blechhüte von Paul Wilbur Klipsch ist schon lange verschwunden.
zweitgrösstes Klipsch-Modell
Ebenso hat die Marke den Besitzer gewechselt – heute herrscht die mächtige VOXX International Corporation über Klipsch. Aber immerhin: VOXX pflegt seine Kinder – und den Katalog. So ist die Serie Reference Premiere gerade neu gestaltet worden, aus der die große Standbox RP- 8000F stammt. Sie ist beinahe das größte Modell im Katalog. Es gibt noch die RP- 8060FA darüber, doch die ist im Kern baugleich, jedoch mit einem Dolby-Atmos-Strahler an der Oberfläche. Wir stehen bei der RP- 8000F vor einer raumgreifendeb Standbox von 110 cm Höhe. So etwas verlangt nach Luft im Hörraum – optisch wie akustisch. Unser Test hat gezeigt, das die RP- 8000F kein Lautsprecher fürs Nahfeld ist, man
sollte mindestens 2,5 Meter von den Membranen entfernt sitzen. Was uns völlig verwirrt: Der Preis stimmt so überhaupt nicht mit dem Litervolumen dieser großformatigen Standbox überein. 800 Euro setzt Klipsch für das Stück an – das ist unwahrscheinlich klein bemessen. So ein Preis lässt sich nur erzielen, wenn die üblichen Seilschaften im globalen Markt genutzt werden. Bedeutet auch hier: Im Mutterland erdacht, in Fernost gemacht. Was keinesfalls an der Ehre oder dem Stolz von Klipsch kratzt. Die Verarbeitung erschien uns höchst anspruchsvoll. Natürlich gibt es für diese Summe kein edles Furnier, doch die Vinyloberfläche wirkt ansehnlich und auch für die Finger hochwertig. Zwei Farbtöne sind zu haben: Ebenholz und Walnuss. Doch: Der deutsche Vertrieb hat sich dazu entschlossen, vorerst nur die schwarze Ebenholz-Variante zu vertreiben. Kein Grund für Tränen. Was uns technisch in Verwirrung stürzt: Wir suchen einen Mitteltöner, doch der ist nicht zu finden. Hier schwirren zwei Membranen in 8 Zoll plus eine Hornkonstellation. Das ist dem visuellen Eindruck und den technischen Daten nach tatsächlich eine reine Zwei-WegeKonstruktion. Andere Ingenieure hätten hier zumindest in Zweieinhalb-Wegen gezaubert, doch Klipsch ist sich sicher, dass der Spagat zwischen Tief- und Hochtöner gelingt. Wer sich die technischen Daten genauer anschaut, staunt deshalb über die überraschend tiefe Übergabefrequenz: Die Bassproduzenten und das Horn verständigen sich bei 1750 Hertz.
das klangbild war höchst einheitlich
Da müsste ein Loch entstehen, da könnten sich Verwerfungen auftun. Doch nichts davon bei unserem Höreindruck. Der Übergang zwischen den Chassis war vorbildlich, das Klangbild höchst einheitlich. Die eigenwillige Schaltung funktioniert. Schauen wir zunächst auf die zwei Membranen mit rund 20 cm im Durch-
messern. Da fällt die markante Farbe auf. Tatsächlich haben die Amerikaner hier Kupfer verarbeitet: Klipsch spricht von einem „Spun Cooper Cerametallic“-Tieftöner. Wir haben uns die Konstruktion im Detail angesehen. Hier wird an der Front eine Fläche aus Kupfer und Keramik auf Touren gebracht. Die Staubkappe hat Klipsch in der gleichen Ästhetik entworfen; dahinter liegt ein großformatiger Korb aus Stahl, der der Gesamtkonstruktion jedoch viel Luft zum Atmen lässt. Der abschließende Magnet ist gewaltig – dieser Antrieb soll für eben so viel Punch wie Präzision sorgen. Das allein beeindruckt schon, doch das gewaltigste eigene Know- how bringt Klipsch bei seinem Hochtöner ein. Hier lohnt es sich, das schöne Wort vom „Hybrid Tractrix Horn“in den Sprachgebrauch aufzunehmen. Im Zentrum vibriert eine Membran aus Titanium, ein Material, das leichter und stärker ist als Aluminium. Am Computer haben die Techniker den passgenauen Phase- Plug dazu entworfen, der mitten auf der Membran sitzt. Dahinter liegt ein Antriebsmodul, das – ebenfalls am Computer optimiert – aus Keramik und Magneten kombiniert wurde.
Tractrix ist trumpf
Wer es nachbauen will: Klipsch berichtet auf seinen Webseiten recht freimütig über die hauseigene Technologie und bietet hochauflösende Querschnitte an. Ebenfalls ein Zeichen für Stolz. Der Begriff „Tractrix“begegnet uns an anderer Stelle wieder – auf der Rückseite. Hier hat Klipsch den Bassreflexport eingelassen. Auch er liegt wie der Hochtöner hinter einer quadratischen Öffnung. Die Geometrie ergibt Sinn – sie soll Strömungsgeräusche eliminieren und zudem für mehr Punch sorgen. Klipsch wäre nicht Klipsch, würden die US- Amerikaner nicht auch noch ein Bi-WiringTerminal im Rücken verbauen. Das ist an der RP- 8000F robust und wertig ausgefallen – keine Feinkost, aber über alle Maße praktisch. Was die Folgefrage aufwirft: Wie soll man diesen Lautsprecher antreiben? Das raumfüllende Stück braucht sicherlich eine ebensolche Endstufe? Von wegen. Wir haben in unserem Testlauf mehrere Verstärker angeschlossen. Die RP8000F ging höchst sensibel mit der zugeführten Kraft um. Oder treffender formuliert: Selbst ein kleiner Röhren- Amp vermochte die beiden Riesen ansprechend anzutreiben. Was am vorbildlichen Wirkungsgrad der Klipsch liegt. Hier braucht es keine Orgien, sondern Feingeistiges. Unser Tipp: Ein größeres Zimmer, ein edler Plattenspieler und ein
samtener Röhrenverstärker fügen sich zum großen, audiophilen Glück. Als erste Testmusik haben wir zu einem nagelneuen Remastering gegriffen: Alle Aufnahmen von George Szell mit seinem Cleveland Orchestra sind in einer CD- Box erschienen – Sony hat sich nicht lumpen lassen. Die Würdigung ist ebenso groß wie der Aufwand dahinter: Die Bänder wurden aufgefrischt und maximal digital wiederbelebt. Nie klang die legendäre Konstellation besser. Wer schlau ist, schaut in den bekannten Portalen nach. Hier gibt es ausgewählte Einspielungen in 24 Bit und 96 Kilohertz, zum Beispiel Mahlers Vierte Sinfonie von 1966. Die Perfektion der Streicher ist noch heute ein Wunder; hier wird an jedem Pult das Maximum der Präzision zelebriert. Ein Lautsprecher muss da auf gleicher Ebene mitspielen – und die Klipsch RP- 8000F lag voll auf Linie. Was uns zuerst auffiel: Die Plastizität war traumhaft, da hinkten viele Konkurrenten hinterher. Das Horn schickte ein höchst greifbares Klangbild in den Raum. Hier lag das Panorama deutlich vor der Boxenachse. Das hatte bereits dreidimensionale Qualitäten. Jodoch: Diese Fülle hält man nur aus, diese Fülle stellt sich nur ein, wenn man in der idealen Entfernung vom Horn sitzt. Perfekt erschienen uns 3 Meter. Da
Da wurden Skeptiker zu Propheten
wirkte die Staffelung des Orchester am natürlichsten, da erreichten uns die Impulse in perfekter Balance. Wer noch nie ein Horn gehört hat – hier kann man in Sekunden zum Fan werden. Im Finale dann ein Solo-Sopran – der sich deutlich vor das Klanggeschehen stellte. Das hatte Fokus und Charme, abermals in einer Abbildung wie im Konzertsaal.
spaSS und analyse
Nur wieder dieser Preis: 1600 Euro kostet das Paar – da hätten wir Tester ein deutlich höheres Preisschild vergeben. Zugleich beschleicht uns in solchen Momenten eine leichte Angst: Was, wenn dieser Lautsprecher uns die komplette Bestenliste zerschießt? Die RP- 8000F zeigte sich als heißer Kandidat. Doch wie hält es der Preisbrecher mit wirklich dicker, bassgefüllter Musik? Wir haben das neue Album von Lenny Kravitz herbei gestreamt, „Raise Vibration“in 24 Bit. Das ist Musik für die Seele, für den Fun und für die Tontechniker. Soul, Funk und Rock gehen hier eine Ehe ein, auch an den Lautsprechern. Und die Klipsch RP- 8000F hatte nicht den Hauch eines Problems damit. Der Bassdruck war vorbildlich: Wir erlebten kein Wummern im Raum, sondern die klare Definition. Da zeigte sich, dass man diesen Lautsprecher als Spaßmacher, aber auch als Analytiker einsetzen kann. Er beherrscht beide Ebenen – den martialischen Auftritt und die hohe Analyse. Wir verstehen, dass Klipsch gerade in den USA Kultstatus genießt. Hier wird das Erlebnis vom rein erotischen bis zum intellektuellen Genuss auf höchster Ebene vereint. Es bleibt dabei: Für diese Vereinigung zweier scheinbar auseinander strebender Ebenen verdient Klipsch einen Oscar als bester Schauspieler, bester Produzent und bester Regisseur. Wir haben leider nur einen Preis zu vergeben als größter Preisbrecher. Ladies and Gentlemen: Hier gibt’s das ganz große Erlebnis zu einem erschwinglichen Kurs. Der PreisLeistungs-Sieger des Jahres 2018!