Giradischi economico
Bevor Sie im Wörterbuch blättern oder das Übersetzungsprogramm anwerfen: Die italienische Überschrift bedeutet „Preiswerter Plattenspieler“. Auf Deutsch erschien und das zu banal für den New Horizon GD 1 aus Bella Italia, der so schick aussieht und dennoch kaum 400 Euro kostet.
möglicherweise ist es eine Berufskrankheit. Aber der Autor war schon nach den ersten Informationsschnipseln extrem neugierig darauf, was es denn so auf sich habe mit dieser neuen Marke aus Italien. Die trägt mit New Horizon zwar einen weltmarktkonform englischen Namen, baut aber nicht in Fernost, sondern in der Heimat Plattenspieler für 1500, 700 und sogar nur 400 Euro zusammen, alle einer klaren Designlinie folgend. Obwohl auch gerne mit richtig teurem Spielzeug zugange, sucht der Autor stets emsig nach Material vor allem für Vinyl- Fans, die zwar hohe Ansprüche, aber eher niedrige Kontostände haben. Und da kommt doch so ein Plattenspieler, der komplett 399 Euro kostet, gerade recht. Der GD 1 – das GD kürzt das schöne italienische Wort „giradischi“für Plattenspieler ab – unterscheidet sich von seinen größeren Brüdern GD 2 und GD 3 erstens im Preis, zweitens in der Höhe der Chassis und der Plattenteller, drittens aber führt er von Haus aus schon einen Tonabnehmer am Arm. Die beiden Komponenten stammen freilich – und das ist auch völlig OK bei dem Preis – nicht aus Italien. Das junge, erst 2017 gegründete Unternehmen aus der kleinen Stadt Todi in der umbrischen Provinz Perugia kauft den 8,6-ZollArm bei Pro- Ject und die Tonzelle bei Audio-Technica. Das Moving- MagnetSystem AT 91, hier mit Carbon- Nadelträger, ist eine bewährte Arbeitskraft im Economy- Bereich.
Gute Zutaten
Der GD 1 baut auf einer Lage eines sehr harten, hochverdichteten Chassis mit der sanft geschwungenen Einbuchtung auf der Front (die Brüder auf zwei beziehungsweise dreien davon). Wie die gesamte Familie beherbergt er darin einen 24-Volt-Wechselstrommotor, den eine spezielle Aufhängung wirkungsvoll entkoppeln soll. Über einen dünnen, außen umlaufenden Silikon- Rundriemen treibt er den 10 mm starken Teller aus durchsichtigem Methacrylat an. Das ist per se recht gut gedämpft, klingelt also nicht und braucht nicht mit einer Auflagematte zur Ruhe gebracht zu werden. Die Geschwindigkeitsumstellung von 33 1/ 3 auf 45 Umdrehungen per Minute und zurück erfolgt per Hand am Kunststoffpulley. Wer sich das ersparen will, kann die Motorsteuerung ALE erwerben – siehe Bild unten auf dieser Seite. Schmuckstücke der GDs aber sind das invertierte, dreiteilige Lager mit seiner Edelstahlachse sowie die Naturkautschuk- Füße, die wirklich sehr effektiv von der Unterlage entkoppeln. Im AUDIO- Hörraum jedenfalls musste man schon sehr vehement auftreten, bis sich der Trittschall in die Lautsprecher- Membranen fortpflanzte. Der berühmte Klopftest auf das Chassis injizierte bei abgehobenem Tonarm fast gar keine Plopps in die Wiedergabekette – was für das saubere mechanische Konzept spricht. Apropos Konzept: Das sieht diverse Aufrüstmöglichkeiten schon für den GD 1 vor. Neben dem ALE gibt es eine kera-
mische Präzisionskugel für das Tellerlager (49 Euro), den schwereren, 12 mm starken Teller des GD 2 (59 Euro) und ein Aufsetzgewicht für die Plattenmitte (79 Euro). Der optisch passende Single- Puck für großlochige 45er schlägt tatsächlich mit 15 Euro zu Buche. Aber wir hörten erst einmal die völlig ungetunte Version, selbstverständlich exakt waagerecht ausgerichtet. Und selbst mit der schwersten Kost für Einsteiger- Spieler, Klaviermusik solo, hatte der GD 1 kaum Verdauungsprobleme. Ein großer Steinway kam mit Attacke und Brillanz, ohne Jaulen im Ausklingen, wenn auch nicht so substanziell und stabil wie von großen Drehern gewohnt. Sogar die Feindynamik einer gezupften Laute oder die Grobdynamik einer Rockband kamen erstaunlich glaubhaft und quirlig. Die Raumabbildung gelang zudem mehr als nur in Ansätzen. Dennoch war der limitierende Faktor schnell ausgemacht. Das AT 91 schlug sich zwar wacker, hatte jedoch gegen das in AUDIO 10/18 so ausgezeichnet reüssierende VM 540 ML (260 Euro) definitiv keine Chance. Mit dem MMTipp seiner Preisklasse kam mehr Leben in die Bude, vor allem Substanz in den Grundton. Damit gewann auch klassische Musik den feinen Charme zurück, den sie verbreiten kann. Weil diese wirksame Aufrüstung aber beim Einbau einige Mühe macht, empfehlen wir, diesen einem Fachmann zu überlassen. Oder zunächst die Basisausstattung zu genießen. Denn die bietet schon gute Unterhaltung, wie sich das gehört für einen giradischi economico. Da kann man doch nur sagen: benvenuto. Wir begrüßen herzlich einen neuen Player im Plattenspieler-Markt. Die italienischen Newcomer New Horizon haben mit dem Einsteiger-Dreher GD 1 ein absolut konkurrenzfähiges Modell gebaut, das nach mehr als 400 Euro aussieht, aber nur 399 kostet. Viele Tuning-Optionen stehen offen. Ich empfehle den baldmöglichsten Austausch des Tonabnehmers. Dann steht schon viel Analog-Freude ins Haus.