Der AufhelfeR
Das rief nach einer Zugabe. Zum hervorragenden Test des Moving- Coil-Tonabnehmers Dynavector 10X5 Neo MK II in AUDIO 10/18 hatte Importeur Herbert Schleicher dem Autor einen Phonoverstärker mitgeschickt, von dem er wahre Wunderdinge versprach. Es handelt sich um die inzwischen vierte Inkarnation des vor 14 Jahren eingeführten P75, folgerichtig P75 MK4 genannt und hierzulande für 845 Euro zu haben. Gebaut wird das gegenüber dem Vorgänger deutlich attraktiver designte Kästlein nicht wie sein PickupPartner in Japan, sondern einen Kontinent weiter in Australien. Trotzdem verstand der Amp sich klanglich so gut mit dem von der Ausgangsspannung eher schwachen MC-System, dass AUDIO den Test des Pre- Amps gerne zugibt. Geliefert wird der etwa fünf gestapelte CD- Jewel Cases große Phono-Vorarbeiter mit einem externen Steckernetzteil, das zwar irgendwie mickrig wirkt, aber auch nur den Job hat, die Netzspannung von 230 auf 12 Volt runter zu dimmen. Die eigentliche Versorgung des Entzerrer-Vorverstärkers übernimmt im Inneren ein Schaltnetzteil. Das kann sich der geneigte Besitzer gerne anschauen. Muss er sogar, wenn er den Funktionsumfang des Pre- Amps ausnutzen will. Dazu gilt es, den Verstärker mit dem beiliegenden Imbus-Schlüssel zu öffnen. Da runzelt sich zwar die Tester- Stirn, aber Dynavector rechtfertigt das mit den klanglichen Vorteilen, die ein Verzicht auf von außen zugängliche Schalter bringt.
Gerade schwachsignaligen MC-Tonabnehmern soll der Phono-Pre Dynavector P75 MK4 auf die Sprünge helfen. Das tut er – und noch viel mehr.
Zum Beispiel die mehr oder weniger unbeliebten DIP- Schalter (Dual Inline Package), im Mund des Analog-Volkes auch Mäuseklavier genannt.
anpassungsfähig
Nein, der Dynavector- Nutzer muss nicht Klavier spielen können, aber trotzdem über sensible Finger verfügen. Schließlich hat er die Anpassung von Verstärkungsfaktor (auch dem zwischen Moving- Magnet MM und MC), von Eingangskapazität und -widerstand durch Umstecken sogenannter Jumper, Leiterbrücken auf der Verstärkerplatine, zu leisten. Ungeübte können da schon mal Plastikkappen brechen und Steckstifte knicken. Vor allem aber können sie an einem Punkt der englischsprachigen Bedienungsanleitung verzweifeln. Beim Gain stehen statt drei, wie die Ziffern auf der Platine und im Schriftum suggerieren, nur zwei Stufen zur Verfügung. Doch seine eigentliche Anpassungsleistung vollbringt der Amp automatisch,
im PE- Modus. PE wie Phono Enhancer wie Verbesserer oder Aufhelfer. Keine Panik, hier sind keine unbotmäßigen Tricks wie Klirr- Manipulationen zum Klangtuning im Spiel – das Messlabor ermittelte im normalen MC- wie im PE-Betrieb keine Unsauberkeiten. Sondern in dem Sonder- Modus arbeitet der P75 wie ein Strom- statt wie ein Spannungsverstärker. Den Abschlusswiderstand bestimmt dabei – etwas vergröbert – nicht der Verstärker, sondern der Tonabnehmer mit seinem Innenwiderstand. Im Messlabor machte sich die Maßnahme mit etwas höherer Bandbreite, etwas niedrigerem Störgeräusch und minimal kleinerer Verstärkung bemerkbar. Im Hörtest dagegen profitierten merk- lich vor allem MC- Systeme mit kleiner Ausgangsspannung und niedrigem Innenwiderstand wie etwa das Jo No 5 (Seite 78) . Sie belohnten das elektrische Entgegenkommen mit mehr Struktur, Vitalität und Durchzugskraft. Der MM- Durchgang wirkte dagegen fast ein wenig schlaff. Also schnell wieder zu MC- Pickups. Sogar das exzellente Clearaudio Jubilee MC (10/18) offenbarte alle seine Vorzüge, zeigte aber im PEModus keine neue Facetten. Besagtes Dynavector 10X5 Neo MK II aber lebte regelrecht auf. Da wirkte so mancher Snaredrum-Schlag schneller, punchiger, crisper. Orchester spielten in größeren Räumen. Tonabnehmern wie diesem hilft der Phono Enhancer wirklich auf.