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WIE EINST IM MAI D

Hans Deutsch genießt noch immer Kultstatus. Wir rätseln – warum? Die Abstimmung ist eigenwilli­g und das Design historisch. Vielleicht aber liegt es genau an dieser Kombinatio­n.

- Von Andreas Günther

er Name hat Zugkraft, aber auch eine Schneise der Wirrnisse hinterlass­en – Hans Deutsch polarisier­t. Obwohl er einen Ritterschl­ag erhalten hat: Der große Herbert von Karajan daselbst soll Hans Deutsch geraten haben, seine eigenen Wege im Lautsprech­erbau zu verfolgen. Lange her. Heute existieren seine Produkte unter der Dachfirma S.M.G Sound Magic GmbH mit Sitz in Worms, direkt am Rhein. Das Sortiment ist mittlerwei­le ausgedünnt, aber gepflegt. Noch immer schwebt über allem die Hoheit eines Hornresona­tors, den sich Hans Deutsch 1982 patentiere­n ließ. Was also wie eine nach vorn strömende Bassreflex­öffnung aussieht, ist tatsächlic­h eine berechnete HornKonstr­uktion im KubusInner­en. Als die HD 304 MKII bei uns im Hörraum ankam, staunten wir nicht schlecht: Alles sieht aus wie damals, wie ein Relikt aus längst vergangene­n Tagen. Leicht polemisch aber ehrlich formuliert: So ein Lautsprech­er wird heute eher als Selbstbaus­atz in Fachmagazi­nen herumgerei­cht. Die Chassis sind nicht eingelasse­n, sondern wenig elegant direkt auf der Oberfläche verschraub­t. Die Frontbespa­nnung würde heute magnetisch halten, bei der HD 304 MKII geht es noch über großformat­ige Steckverbi­ndungen hinein. Das hat die Ästhetik von Einschussl­öchern. Das Gehäuse selbst stammt aus deutscher Fertigung. Das Design wirkt kantig, kein Augenschme­ichler. Wir haben nachgefrag­t: Der Gewebehoch­töner stammt von Monacor, die Papiermemb­ran in der Tiefe wird im Kundenauft­rag zugeliefer­t. Alles keine Hexerei der Moderne. Selbst die Schraubkle­mmen des SingleWiri­ngTerminal­s sehen aus, als wären sie in den späten 80erJahren vom Band gelaufen. Nach unseren Recherchen tauchte die erste 304 um 1990 im Markt auf – fast dreißig Jahre her. Recht deutlich schlägt aber heute der Preis zu Buche: 1060 Euro wünscht sich der deutsche Vertrieb für ein Pärchen. Nochmals: Der Staub der HighEndGes­chichte liegt auf dieser Konstrukti­on. Wer aber einen kleinen Dinosaurie­r kaufen möchte – hier ist die beste Gelegenhei­t. Angemessen haben wir auch einen Dinosaurie­r der Operngesch­ichte aufgelegt: Georg Solti dirigiert die Wiener Philharmon­iker in Wagners „Rheingold“. Die DeccaIngen­ieure haben ihre Bänder im seligen Jahr 1959 rotieren lassen – dies sollte der erste „Ring des Nibelungen“in StudioSter­eo werden. Bis heute

eine Heldentat der frühen Stereophon­ie. Die 304 fokussiert­e sich stark auf die Singstimme­n. Da erreichte feiner Druck unsere Ohren. Doch Vorsicht: In den unteren Mitten traten Verfärbung­en auf, das war nicht frei vom Musikgesch­mack der späten 80er- Jahre. Die Höhen verliehen der Aufnahme Brillanz und Luft, doch darunter wurde es komplex und mitunter schwer durchhörba­r. Hier gab es Überlageru­ngen, die insbesonde­re dem Bass seine Konturen nahmen. Da sprechen auch unsere Messergebn­isse eine deutliche Sprache: Das ist wellig, mit zurückgeno­mmenem Bass und betonten Höhen – kein Ideal. Also Pop. Wir streamten Van Morrisons neues Album zu, „The Prophet Speaks“. Doch der Prophet hatte nur eine begrenzte Botschaft für uns. Zwar stimmte hier der Druck der Singstimme, doch das feine Geflecht der Instrument­ation wollte sich einfach nicht frei vor die Membranen stellen. Das war Knäckebrot, irgendwo ahnten wir das Steak, doch es blieb kantig. Die klare Botschaft an potenziell­e Käufer: Dieses Design und diesen Klang muss man lieben, sonst währt die Freude nicht. Dieser Lautsprech­er sperrt sich vor einer Eingruppie­rung und vor einer Empfehlung. Wir würden ihn gern als Tipp für die Studentenb­ude hochleben lassen – doch der Preis ist heftig und schwer nachvollzi­ehbar. Wir würden ihn gern als Stimmfetis­chisten anpreisen – doch Verfärbung­en trübten den Gesamteind­ruck. Also: Wer in der Vergangenh­eit lebt und das nötige Geld hat, der darf sich hier sonnen.

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 ??  ?? RundeRneue­Rt: Der aktuelle Besitzer von Hans Deutsch kauft den Gewebehoch­töner mittlerwei­le aus dem Fundus von Monacor zu.
RundeRneue­Rt: Der aktuelle Besitzer von Hans Deutsch kauft den Gewebehoch­töner mittlerwei­le aus dem Fundus von Monacor zu.
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DrUcK In Der HöHe: Was wie eine Bassreflex­öffnung aussieht, ist tatsächlic­h eine berechnete Hornkonstr­uktion.
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etAblIert: Die Schaubmuff­en bedienen eine Single-Wiring-Option. kein WBT-Fest, aber etabliert-gute kost.
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