WIE EINST IM MAI D
Hans Deutsch genießt noch immer Kultstatus. Wir rätseln – warum? Die Abstimmung ist eigenwillig und das Design historisch. Vielleicht aber liegt es genau an dieser Kombination.
er Name hat Zugkraft, aber auch eine Schneise der Wirrnisse hinterlassen – Hans Deutsch polarisiert. Obwohl er einen Ritterschlag erhalten hat: Der große Herbert von Karajan daselbst soll Hans Deutsch geraten haben, seine eigenen Wege im Lautsprecherbau zu verfolgen. Lange her. Heute existieren seine Produkte unter der Dachfirma S.M.G Sound Magic GmbH mit Sitz in Worms, direkt am Rhein. Das Sortiment ist mittlerweile ausgedünnt, aber gepflegt. Noch immer schwebt über allem die Hoheit eines Hornresonators, den sich Hans Deutsch 1982 patentieren ließ. Was also wie eine nach vorn strömende Bassreflexöffnung aussieht, ist tatsächlich eine berechnete HornKonstruktion im KubusInneren. Als die HD 304 MKII bei uns im Hörraum ankam, staunten wir nicht schlecht: Alles sieht aus wie damals, wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Leicht polemisch aber ehrlich formuliert: So ein Lautsprecher wird heute eher als Selbstbausatz in Fachmagazinen herumgereicht. Die Chassis sind nicht eingelassen, sondern wenig elegant direkt auf der Oberfläche verschraubt. Die Frontbespannung würde heute magnetisch halten, bei der HD 304 MKII geht es noch über großformatige Steckverbindungen hinein. Das hat die Ästhetik von Einschusslöchern. Das Gehäuse selbst stammt aus deutscher Fertigung. Das Design wirkt kantig, kein Augenschmeichler. Wir haben nachgefragt: Der Gewebehochtöner stammt von Monacor, die Papiermembran in der Tiefe wird im Kundenauftrag zugeliefert. Alles keine Hexerei der Moderne. Selbst die Schraubklemmen des SingleWiringTerminals sehen aus, als wären sie in den späten 80erJahren vom Band gelaufen. Nach unseren Recherchen tauchte die erste 304 um 1990 im Markt auf – fast dreißig Jahre her. Recht deutlich schlägt aber heute der Preis zu Buche: 1060 Euro wünscht sich der deutsche Vertrieb für ein Pärchen. Nochmals: Der Staub der HighEndGeschichte liegt auf dieser Konstruktion. Wer aber einen kleinen Dinosaurier kaufen möchte – hier ist die beste Gelegenheit. Angemessen haben wir auch einen Dinosaurier der Operngeschichte aufgelegt: Georg Solti dirigiert die Wiener Philharmoniker in Wagners „Rheingold“. Die DeccaIngenieure haben ihre Bänder im seligen Jahr 1959 rotieren lassen – dies sollte der erste „Ring des Nibelungen“in StudioStereo werden. Bis heute
eine Heldentat der frühen Stereophonie. Die 304 fokussierte sich stark auf die Singstimmen. Da erreichte feiner Druck unsere Ohren. Doch Vorsicht: In den unteren Mitten traten Verfärbungen auf, das war nicht frei vom Musikgeschmack der späten 80er- Jahre. Die Höhen verliehen der Aufnahme Brillanz und Luft, doch darunter wurde es komplex und mitunter schwer durchhörbar. Hier gab es Überlagerungen, die insbesondere dem Bass seine Konturen nahmen. Da sprechen auch unsere Messergebnisse eine deutliche Sprache: Das ist wellig, mit zurückgenommenem Bass und betonten Höhen – kein Ideal. Also Pop. Wir streamten Van Morrisons neues Album zu, „The Prophet Speaks“. Doch der Prophet hatte nur eine begrenzte Botschaft für uns. Zwar stimmte hier der Druck der Singstimme, doch das feine Geflecht der Instrumentation wollte sich einfach nicht frei vor die Membranen stellen. Das war Knäckebrot, irgendwo ahnten wir das Steak, doch es blieb kantig. Die klare Botschaft an potenzielle Käufer: Dieses Design und diesen Klang muss man lieben, sonst währt die Freude nicht. Dieser Lautsprecher sperrt sich vor einer Eingruppierung und vor einer Empfehlung. Wir würden ihn gern als Tipp für die Studentenbude hochleben lassen – doch der Preis ist heftig und schwer nachvollziehbar. Wir würden ihn gern als Stimmfetischisten anpreisen – doch Verfärbungen trübten den Gesamteindruck. Also: Wer in der Vergangenheit lebt und das nötige Geld hat, der darf sich hier sonnen.