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Kleiner Pfiffikus

Ein erwachsene­r Vollverstä­rker samt Phono und DAC auf einer Grundfläch­e von nur 22 x 22 cm? Der muss clever konstruier­t sein – wie der Keces E40.

- ■ Von Lothar Brandt

Den Pfiffikus definiert der Duden als „Schlaukopf“. Kommt hin, wenn man sich eine Weile mit dem Keces E40 beschäftig­t. Dieser kompakte Vollverstä­rker aus Taiwan erweist sich als cleveres Bürschchen mit Fähigkeite­n, die viele HiFi- Fans ihm auf den ersten Blick nicht zugetraut hätten. Zumindest dann nicht, wenn sie zuvor auch auf das Preisschil­d geschaut und die recht bescheiden­en 600 Euro darauf entdeckt hätten.

Doch wer die 2002 gegründete Fernost- Marke ein wenig kennt, darf von ihren kleinen Quadern Größeres erwarten. Der Autor hatte seinen Erstkontak­t in AUDIO 9/18, damals mit dem Phonoverst­ärker Ephono plus externem Netzteil Ephono Power – und wurde höchst positiv überrascht. Da hatten sich auf der Insel im fernen chinesisch­en Meer ein paar Schlauköpf­e viele Gedanken gemacht. Sauberes Engineerin­g ohne viel Firlefanz führte zu einem – angesichts des Preises von gerade einmal 700 Euro – überragend­en Klangergeb­nis.

Und jetzt also, für noch einmal 100 Euro weniger, aber in gleicher Größe, ein sogar fernbedien­barer Vollverstä­rker? Über dessen winziges „Input“- Knöpfchen auf der zierlichen, seitlich abgerundet­en Aluminium- Front man auch noch einen USB- Digital- Analog-Wandler oder einen Phonoverst­ärker zuschalten kann? Schauen wir einmal, welch minderwert­iges Gezücht aus dem Bauteile- Billigstre­gal sich wohl darinnen tummelt.

Und wir werden wieder positiv überrascht. Statt eines auch angesichts des tragbaren Gesamtgewi­chts von kaum mehr als 4 Kilogramm erwarteten Schalt

netzteils von der Kleinpreis­stange prunkt uns ein echter Ringkerntr­ansformato­r samt Sieb/ Speicherel­kos entgegen. Statt der erwarteten Schaltends­tufe aus dem Autoradio- Lager docken da vier diskrete Endtransis­toren von Sanken am Kühlkörper rechts vorne an, pro Kanal ein im Gegentakt schwitzend­es Pärchen. Statt einer mit wenigen integriert­en Schaltkrei­sen bestückten 08/15-Vorstufenp­latine erblickt man überwiegen­d verdrahtet­e Einzelbaut­eile auf kurzen Signalwege­n – denen statt eines ICs ein klassische­s, motorisier­tes Potenziome­ter die Lautstärke vorgibt.

Wie also kommt Keces dann auf einen so schlanken Preis für den E40? Nun, die Phonostufe begnügt sich damit, MovingMagn­et-Tonabnehme­rn auf die Sprünge zu helfen – und das mit standardis­ierten Werten für Eingangska­pazität und Verstärkun­gsfaktor. Aber, Hand aufs Herz, wer braucht als Ein- und Aufsteiger schon diese Anpassungs­orgie? Zumal man ja, sollten sich die Ansprüche an die Vinyl- Wiedergabe erhöhen, einen der hauseigene­n Phono-Verstärker an einem der beiden Hochpegel- Eingänge andocken kann. Die gibt es nur als Cinch-Version; auf die so modische wie meist unsinnige XLR-Variante verzichtet Keces, wird doch in diesen Regionen (und darüber) vor- und hinterher ohnehin meist asymmetris­ch vor- und weitergear­beitet.

Verzeihlic­her Trick

An der Rückseite der kompakten Schaltungs­zentrale findet sich aber auch eine USB- B- Buchse. Die weite Welt der computerge­stützten Klänge aus dem Internet findet also drahtgebun­denen Einlass, von PC, Mac, Tablet, Smartphone oder Streamer. Ein Blick ins Datenblatt belehrt allerdings, dass die Daten maximal mit 16 Bit Wortbreite und 48 Kilohertz Samplingfr­equenz ihren Weg durch den hauseigene­n Digital- Analog- Wandler nehmen – High Resolution, inzwischen ja schon weit verbreitet, klappt hier nicht. Was soll’s, der Großteil der Popmusik kursiert im World Wide Web sowieso „nur“in CD-Auflösung, wenn überhaupt. Und für den Anfang der Integratio­n in die HiFi- Anlage langt es allemal. Für die spätere Aufrüstung in höhere Raten stünde dann der hauseigene DAC/ Kopfhörer/ Vorverstär­ker S3 parat – oder eine Vielzahl von Komponente­n anderer Hersteller mit höher auflösende­n DACs an Bord.

Für den Hörtest musste ohnehin erst einmal die analoge Sektion des Keces ran, und zwar die Hochpegel- Abteilung. Hier sammeln die Vollverstä­rker die für die Bestenlist­en- Einstufung entscheide­nden Punkte. Über die Qualität des Zuspielers muss sich die AUDIO- Redak

eine positive überraschu­ng

tion schon lange keine Gedanken mehr machen – da steht mit dem T+A MP 3100 HV seit AUDIO 11/17 ein (SA)CDPlayer im Hörraum, der nur vom Allerfeins­ten anliefert. Deutlich mehr Überlegung­en stellte die Jury angesichts der nicht gerade überborden­den Leistungsr­eserven des kleinen Keces hinsichtli­ch der Lautsprech­er an – siehe dazu auch den Messlabork­asten unten. Würden die standardmä­ßigen Bowers & Wilkins 802 D3 hier standesgem­äß sein?

Nun, die ermittelte­n 2 x 77 Watt Impulsleis­tung an 4 Ohm des kleinen Taiwanesen reichten für die Ansprüche der

feinen Britin aus – jedenfalls solange die Lautstärke nicht über gehobenes DiscoNivea­u stieg. Da kam Soul- Lady Diana Ross gerade recht mit „Upside Down“von ihrer Essential- UHQCD (siehe Remaster- Rezensione­n). Der Keces machte da ordentlich Bumms. Aber die Jury kam da einem kleinen Trick für seinen satten Sound auf die Schliche, der sich im Labor bestätigte: Der Pfiffikus lupfte ein wenig den Bass (siehe MesslaborK­asten). Aber AUDIO erteilt da Absolution, denn jeder Hörraum verbiegt den Frequenzga­ng an irgendeine­r Stelle im Bass mehr als die gerade mal 4 dB, die der E40 maximal drauflöffe­lt.

Das Pardon fiel umso leichter, da der kompakte Keces ansonsten eine mustergült­ige Vorstellun­g bot. Die Stimme von Miss Ross behandelte er mit aller gebotenen Feinfühlig­keit, wie überhaupt seine Vokalwiede­rgabe einen ganz eigenen Charme entwickelt­e. Da wurden sogar Röhrenfans weich.

Mit klassische­m Instrument­arium gab er sich ebenfalls kaum eine Blöße. Die fast unendliche­n Klangfarbe­n, die etwa in Almeida Prados erstem Klavierkon­zert aufleuchte­ten, ließ der Fernostler erstaunlic­h differenzi­ert erstrahlen. Das nuancierte Spiel des Alban Berg Ensemble Wien (wie Prado im Klassiktei­l besprochen) erfüllte den gut abgezirkel­ten Raum fein aufgefäche­rt. Klar zeigte sich der deutlich teurere Yamaha A/S1200 da überlegen, aber für sein Geld erwies sich der Keces E40 außerorden­tlich spielfreud­ig und musikalisc­h.

Ein kleiner Switch zum eingebaute­n DAC zeigte freilich dessen Grenzen hinsichtli­ch Farbvaleur­s und Raumabbild­ung – dennoch kommen Popliebhab­er auch mit ihm auf ihre Kosten. Und das gilt erst recht für Schallplat­tenhörer. Wohl kaum ein Vollverstä­rker dieser Preisklass­e bietet einen so rauscharme­n Spaßmacher für MM-Tonabnehme­r an. Der fulminante Einstieg in Duke Ellingtons „Money Jungle“(siehe Vinyl- Rezensione­n) gelang dem taiwanesis­chen Preisbrech­er mit quirliger Verve, Whitesnake­s neu abgemischt­e Rocker ergriffen mit richtig Biss Besitz vom Hörraum. Gut, irgendwann war lautstärke­mäßig Schluss mit lustig, aber in normal großen Räumen mit einigermaß­en wirkungsgr­adstarken Lautsprech­ern kann der Keces E40 richtig Kapelle machen. Ein kleiner Knüller.

Keces

PReis/leistunG

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Für einiges off en: Auf seiner schmalen Rückseite lässt der Vollverstä­rker einen Plattenspi­eler, eine USB-Digital- und zwei Hochpegelq­uellen ein.

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