Wiener Kistlein
Wie Bilder täuschen: Was so wuchtig aussieht, ist erstaunlich klein. Dafür aber vollgepackt: Edles Alu trifft auf Hochbit und Röhren. Ein Komplettsystem von Pro-Ject. TesT
Vor langen Jahren hatte ich einmal das Glück, Dr. Amar Bose zu treffen. Sogar auf ein Interview willigte der legendäre Firmengründer ein. Irgendwann gegen Ende des Gesprächs drängte mich eine Frage. Ich stellte sie. Warum sind denn die relativ kleinen Wave- Radios von Bose so immens teuer? Tja, entgegnete Amar Bose, auch Diamanten sind klein – und sogar noch viel teurer.
Diese Lektion habe ich gelernt. Sie hilft mir. Gerade jetzt, wo ich die neuen kleinen Bausteine von Pro- Ject in der Hand halte. Die Company aus Wien steht ja per se im Ruf, gut und günstig zu sein. Eine typische Damit-kannst- du- nichts-falschmachen- Company. Doch das Laufwerk CD Box RS2 T liegt bei 2500 Euro und der passgenaue Wandler Pre Box RS2 Digital bei 2000 Euro. Preisbrecher fühlen sich für das Portemonnaie anders an. Sind die beiden Kistlein deshalb teuer? Nein, bei weitem nicht. Sie verbinden hohe Potenz mit einer wirklich randvollen Bauart. Die Schmuckkästlein sind konkret 20 Zentimeter breit und 20 cm tief – das ist winzig. Was auch daran liegt, dass ProJect die Stromversorgung ausgelagert hat – ein externes Netzteil liegt dem Lieferumfang bei. Wer jetzt noch Geld hat, kann gleich über ein Upgrade nachdenken.
Pro- Ject hat für seine Serie auch ein Edelnetzteil in gleicher Baugröße wie die Kistlein entwickelt, umfassend geschirmt in Kupfer und mit großformatigem Ringkerntransformator. Großformatig auch hier der Preis: 450 Euro. Oder gleich die Variante mit vier Ausgängen für 650 Euro.
Was sinnvoller ist, denn wir sagen klar: Es wäre Unfug, die CD Box ohne die Pre Box zu kaufen und umgekehrt.
Schauen wir genauer hin. Das Laufwerk CD Box RS2 T ähnelt tatsächlich einer Schmuckschatulle – ganz oben liegen ein Scharnier und eine Klappe aus Vollmetall. Darunter die offene LaserEinheit; die CD wird über einen magnetischen Puck fixiert. Wir grübeln. Das haben wir doch schon einmal genau so in diesem Finish gesehen. Die Basiskonstruktion stammt ebenfalls aus Österreich, vom Zulieferer und Laserspezialisten Stream United Optical Storage. Konkret nennt sich das Modell „BlueTiger“. Es kann nur CDs abspielen, basta. Das aber höchst anspruchsvoll. Herzstück ist eine optische Einheit von Sanyo. Alles weitere haben die Wiener selbst entwickelt und in ein mächtiges Aluminiumgehäuse mit Karbonoberfläche gepackt. Das schafft Vertrauen.
Die CloCk im anDeren Gehäuse
Auf drei üblichen Wegen geht es hinaus: optisch, koaxial und symmetrisch. Aber da wäre noch eine spannende Zugabe: ein HDMI- Port, der das I2S- Protokoll unterstützt. Hier werden Audio- Inhalte getrennt vom Clocksignal weitergereicht. Das kann Vorteile haben, wenn denn auch der Wandler mitspielt. Und deshalb keine Überraschung: die Pro- Ject Pre Box RS2 Digital versteht natürlich auch die I2S- Sprache. In diesem Fall übernimmt der Wandler die Masterclock bei 16,9344 Megahertz. Wir schauen gerade auf diesen Rücken. Neben der HDMIMuffe gibt es noch weitere Überraschungen: ein Quartett von In- und Outputs, per Cinch und sogar symmetrisch.
Rechts oben dazu eine Schraubmuffe für die Bluetooth- Antenne, ein USB- Eingang. Links ein Trigger- In und - Out: Hierüber lassen sich die angeschlossenen Endstufen aktivieren. Mit einem Klick fährt die ganze Familie der Kistlein hoch. Ausgesprochen elegant.
Auf der Front gibt es im Zentrum ein hochauflösendes, monochromes Display. Hätten wir uns ein Kleinkino in Farbe gewünscht? Schwierige Frage. Ganz subjektiv: Mir gefällt die Reduzierung. Zumal hier alles Wissenswerte über die Klangqualität, das anliegende Signal und die Schaltung angezeigt wird – als Logo oder als Datenziffer. Wir erfahren die BitTiefe, wie die Quelle taktet, wie die Pre
Box möglicherweise heraufrechnet, welcher PCM- Filter anliegt – und da sehen wir hart rechts unten noch das Symbol einer Röhre. Seltsam.
Die Lösung ist überraschend und verrät den Anspruch der Entwickler: Wir können die Art der Verstärkung umschalten. Wahlweise werfen wir eine pure Class-A-Schaltung nach Transistoren- Art an, oder wir befeuern vier Röhren im Inneren. Wow! Das ist mal ein mutiger Schritt. Vor allem in einem so kleinen Gehäuse, das tatsächlich bis zum letzten Kubikmillimeter vollgepackt ist.
Das Herz der digitalen Wandlung haben die Wiener bei Sabre angekauft – zwei Modelle mit dem Kürzel ESS9038Q2M.
TransisTor oder röhre? der amp isT umschalTbar