Freiräume
AUDIO-Mitarbeiter Winfried Dulisch hört Mittelalter-Jazz, Punkfolk und amerikanische Russen
Ein irischer Bischof hatte „The Red Book of Ossory“im 14. Jahrhundert für Chorknaben geschrieben. Nun entfaltet die fromme Liedersammlung ihre sündhaft schöne Wirkung auf dem Debütalbum des Mittelalter- Jazzquartetts Anakronos. Mit glockenreiner Stimme umschmeichelt Earlymusic- Sängerin Caitriona O’Leary hier die Keyboards und eine Klarinette, das Saxofon und die irishfolkige Handtrommel.
Die zirpende Oud- Laute von Elias Nardi traumtänzelt mit dem wehmütig nachdenklichen Bandoneon des Italieners Daniele di Bonaventura, am Bass steht Ares Tavolazzi. as Trio erzeugt auf „Ghimel“eine hypnotisierende Wirkung. Dank guter Raumaufteilung kann sich in diesem Kammermusik-Setting jedes Instrument dynamisch perfekt zeigen. Der Acappella- Chor des Patram (Patriarch Tikhon Russian- American Music Institute) aus Kalifornien verspricht nicht weniger als „himmlische Musik, die Schönheit und Glauben ausstrahlt“. „Blessed Art Thou Among Women” klingt für Freunde russisch- orthodoxer Liturgie wegen der englischen Texte befremdlich, doch für audiophile Feinschmecker ist es ein Geschenk des Himmels. Punkfolk- Sängerin Svjata Vatraz spielte mit Musikern aus Estland, Russland und der Ukraine „Svit, Ty Minjaeschsja“ein. Dudelsack und Posaune, ein Chor von Großmüttern und ein virtuoser Kehlkopfsänger sorgen hier für klangliche Reibungshitze. Die Trackliste deckt zwischen Schlummerlied und übermütiger Tanzmusik ein breites Spektrum der Gefühle ab.