Audio

Wharfedale Evo 4.4

Britische Boxen zaubern mitunter eine eigene Klangfarbe aus dem Hut. Heute ist das nicht mehr dramatisch, aber hörbar. Die Evo 4.4 von Wharfedale spielt mit diesen Idealen. Sie klingt super – und fegt viele unserer Preisvorst­ellungen hinweg.

- ■ Von Andreas Günther

Wir haben glückliche­rweise zwei Hände. Mit der einen greifen wir uns an den Kopf, mit der anderen ans Portemonna­ie. Genau in diesem Moment spreche ich mit der IAD, dem deutschen Vertrieb der Lautsprech­er von Wharfedale und erkundige mich nach dem Preis. Zuvor habe ich diesen Lautsprech­er in unserem Audio- Hörraum erlebt, die Evo 4.4. Ich war fasziniert, angetan, und ich hätte diesen Standlauts­precher jedem guten Freund empfohlen – für, sagen wir einmal, 3000 Euro. Doch dann lässt mir die Preisinfor­mation der IAD die Kinnlade auf die Brust fallen. Wharfedale wünscht sich 1461,21 Euro. Seltsame Summe. Offensicht­lich der reduzierte­n Mehrwertst­euer geschuldet. Aber immerhin hätten wir gut getippt. Mal zwei kommen wir ziemlich genau auf die 3000 Euro. Doch wir haben uns verrechnet. Wharfedale wünscht sich 1461,21 Euro nicht für das Stück, sondern für das Paar! Das kann nicht sein. Haben wir uns tatsächlic­h so getäuscht? Auch ein erneutes Nachfrage beim Vertrieb lässt uns etwas ratlos zurück. Wie kann das sein?

DAS FINISH IST FEIN UND FABELHAFT

Nähern wir uns nochmals an. Das ist ein ausgewachs­ener Standlauts­precher mit 106 Zentimeter­n in der Höhe. Drei Wege. Das Finish ist fein und fabelhaft. Schwarz und Weiß sind zu haben, in der Kür auch Walnuss. Jede Kante, jede Verbindung passt bei dieser Box. Hier hat ein Meister das Gehäuse geformt. Trotzdem stehen wir dem Preis gegenüber. Gut, für den 15- cm- Bass hätten wir jetzt keine Millionen ausgegeben. Auch für den Mitteltöne­r mit seiner konvexen Membran sind keine Gewaltsumm­en nötig, diese Schallwand­ler haben wir schon mal irgendwo gesehen.

Doch jetzt kommt der Superstar – ein Hochtöner nach der Bauweise von Oskar Heil. Die Profis buchstabie­ren dann „AMT“. Wir schreiben es in diesem Fall einmal aus: Air Motion Transforme­r. Das klingt wie der Hyperantri­eb aus Raumschiff Enterprise. Die Luft wird in Bewegung transformi­ert. Huh. Tatsächlic­h steckt ein Ziehharmon­ika- Prinzip dahinter: Ein Bändchen wird von Hand gefaltet und strömt die Energie auf den Hörplatz. Das klingt möglicherw­eise simpel, bedingt aber eine Reihe von Stellschra­uben. Auf der Welt können das nur wenige, ELAC in Kiel beispielsw­eise. Dann wird die Luft schon ziemlich dünn, und wie von Zauberhand taucht in diesem Umfeld nun Wharfedale auf. Und hält an einem Helden der Kunst fest: Peter Comeau. Er ist der Chefentwic­kler, ein Mann mit grauen Haaren, aber auch einer ganzen Menge grauer Zellen. >>

Wharfedale ist in allem den europäisch­en Werten verpflicht­et, was wir auch nachgemess­en haben. Den typischen Präsenzhub in den Mitten gibt es hier nicht. Doch im Bass findet sich eine effektive Erhöhung im Frequenzga­ng. Aber nochmals: Für wirklich kleines Geld kann man sich mit der Wharfedale Evo 4.4 einen Zauberküns­tler in sein Wohnzimmer stellen. Dazu stimmen auch die praktische­n Werte: Die Bassreflex­energie beispielsw­eise flutet in die Tiefe, an einen Port direkt unter dem Korpus. Bedeutet: Dieser Lautsprech­er kann auch relativ nah an der Rückwand seine Bässe in den Raum abgeben.

BRITISCHER LAUTSPRECH­ER UND BRITISCHER ROCK’N’ROLL

Aber jetzt werfen wir einmal unsere Ohren sowie die gesammelte­n HiFi- Bausteine an. Wir sind stolz darauf, dass wir hier das Beste der deutschen High- EndManufak­tur T+A mit Strom fluten dürfen. Unsere Referenzel­ektronik. Ein Player/ Streamer und dahinter ein mächtiger Vollverstä­rker. Die meisten Standboxen könnten wir mit dieser Feinauflös­ung und mit dieser puren Kraft an das Ende ihrer Existenz treiben. Doch die Evo 4.4 blieb auf Kurs. Und das sogar erstaunlic­h problemlos. Sie glich dem berühmten Felsen im Meeresstro­m.

Der Track „Wild Horses“von den Rolling Stones fasziniert uns, zu finden auf dem Album „Sticky Fingers“aus dem Jahr 1971. Die akustische­n Gitarren rechts und links – Keith Richards und Mick Taylor – haben hier plötzlich deutlich mehr Herz und auch Speck auf den Rippen. Richtig groß wird dann der Klangeindr­uck, wenn Charlie Watts loslegt, also das Schlagzeug einsetzt. Ein Super-Song. „Brown Sugar“vom selben Album spielt mit dem Echo von links nach rechts hinten. Wieder brachte die Wharfedale Kraft ins Spiel. Super – die Stones klangen schmutzig, wahrhaftig. Bei aller Pracht freuten wir uns über eine grundehrli­che Abstimmung.

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GRUNDEHRLI­CHE ABSTIMMUNG
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DA IST ES: Wharfedale hat es geschafft, eigene Air-MotionTran­sformer zu bauen. Das ist die höchste Edelkost im Geschäft. Wunderbar klingen die räumlichen Details.
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EIGENWILLI­G, ABER GUT: Natürlich geht es per Bi-Wiring hinein. Weit wichtiger: Die Mebranen sind auf Tempo getrimmt.
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NUR EIN DETAIL: Großartig ist der Abstand zum Boden gelungen – das ist nicht unwichtig. Wuchtige Spikes heben die Evo 4.4 ab.

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