Elac Carina BS243.4
Ein Kompaktlautsprecher muss ein Kompromiss sein? Nein. Die Carina BS243.4 von Elac verwirrt uns und bringt die Spielregeln durcheinander.
Lange rangierte Elac in der edlen Klasse des Gutbürgerlichen. Man wollte gar nicht mehr. Kein Superheld sein, sondern Mitglied unter ehrenwerten Rittern. Seit 2015 entwirft nun der Brite Andrew Jones die Lautsprecher von Elac – Jones, der in der Branche einen legendären Ruf genießt. Bei seinen früheren Arbeitgebern KEF und TAD hat er sich diesen Ruf redlich erworben: Er ist ein Feingeist, ein Superohr, eine Kult figur unter den Entwicklern. Er entwirft unfassbar gute, unfassbar günstige Lautsprecher für den Weltmarkt. In Kiel wird die höchste Feinkost in Form gebracht, mit Gedanken, Firmenzentrale und Händen. Jede Geburt ist ein Erlebnis. Hier ist nun die Elac Carina BS243.4.
Sie sieht auf den ersten Blick aus wie alle anderen Kompaktlautsprecher aus dem hohen Norden. Doch dann kommt die große Überraschung: Sie ist eben nicht in Kiel entstanden. Weder in der Entwicklung, noch in der Fertigung. Alles trägt die Zeichen von Andrew Jones – im Klang ebenso wie in den Fertigungswegen. Aber es gibt da das dicke, schöne Markenzeichen. Einen Hochtöner nach den Idealen von Oskar Heil – den „Air Motion Transformer“. Dazu braucht man Zeit, Geld und feine Hände. Mit hohem Aufwand wird eine hauchdünne Folie mehrfach gefaltet. Das ist eine Ziehharmonika für die feinen Impulse, Goldgelb ist das Erkennungszeichen. Was die Fans lieben: Dieser Hochtöner bringt alle Details an unser Ohr und klingt niemals angestrengt. Genau jetzt ist der Zeitpunkt, um mich zu outen. Links und rechts von mir stehen zwei Standboxen von Elac mit „Air Motion Transformer“– für mich ist das die schönste Ehrlichkeit, ohne Show und falsche Ambition. Ein Erlebnis wie aus dem Studio, aber gemischt mit echter, wahrer Spielfreude.
Weshalb mich die Ankunft der Carina BS243.4 besonders gefreut hat. Gut, sie sieht in der Front aus wie ein klassischer Zweiwegler, hundertfach erlebt. Unter der Heil- Membran bringt eine Alu- Membran die Mitten- und Bass- Informationen in den Raum ein. Aber schon auf der Rückseite brechen die Kieler mit ihren Spielregeln. Meine Standbox kann ich nur per Single-Wire-Terminal ansteuern, das war jahrelang die Wertbasis bei Elac. Doch die deutlich kleinere Carina BS243.4 ist plötzlich auf Bi-Wiring ausgelegt. Das muss ein Zugeständnis an den modernen, globalen Markt sein.
DEN PO IN DIE HÖHE
Dann der Schlag in die Magengrube: Der Bassreflexkanal führt an die Unterseite. In dieser Bauweise kommt das einer Revolution gleich und wurde bei einer Kompaktbox selten bis nie gesehen. Vor allem: Wie gelingt dieser Wow- Effekt? Elac hebt die Bodenebene in die Höhe. Das ist grandios und wirklich neu. Da gibt es plötzlich einen Schlitz – wie ein Keil wird ein Abstand zwischen der Bodenebene und der Gehäuse- Unterseite eingesetzt. Elac betritt hier Neuland und überrascht seine Fans.
Das könnte schiefgehen, doch die Erscheinungsform im Hörraum bleibt klar bei allen Erkennungszeichen von Elac. Worin liegt der Gewinn dieser Bauweise? Wir können näher an die Wand heran, wir können freier im Raum aufspielen. Viele praktische Aufstellungsfragen sind gelöst. Doch wie klingt es? Genauso, wofür ich Elac liebe – hier wird nicht gepresst, nicht gestemmt, sondern gewandt geflötet. 2020 war das große BeethovenJahr. Wir haben es verpasst, weil so ein blödes Virus fast alle Konzerte hinweggefegt hat. Also mussten wir uns zurückziehen und die neuen Einspielungen bemühen. Hier ein ganz großer Tipp: Adam Fischer dirigiert das Danish Chamber Orchestra mit allen Sinfonien des Meisters. Da klappt einem BeethovenKenner die Kinnlade herunter, ebenso jedem High- EndFan. Die dritte Sinfonie ist das Meisterwerk dieser Aufnahme: Das Tempo drängt und heizt die Dra
maturgie an. Jede Phrase hat ihre eigene Energie, was für ein Furioso.
Die Carina BS243.4 offenbart alles. Sie hat den Charakter eines Studiomonitors, ohne in das Nahfeld zu zwingen. Toll, diese feinsinnige Ausbeute von Energie. Das hat in den besten Momenten die Sogkraft eines Rausches. Dann Beethovens Neunte mit ihren Singstimmen – das war ein Panorama von holografischer Kraft. Doch abermals: Alle Informationen kommen von den Tontechnikern, Elac bastelt nichts hinzu.
DER PREIS IST HEISS
Sofort erfasst mich der Impuls, in mein Portemonnaie zu schauen. Was mag diese interessante Elac Carina BS243.4 wohl kosten? Erstaunlich wenig: Wir sind mit runden 1000 Euro für das Paar dabei. Gehört und gefühlt liegt das Klangerlebnis aber spürbar oberhalb unserer Vergleichsmodelle – hier kündigt sich ein richtiger Überflieger an.
Doch wir wollen noch eine Schicht tiefer lauschen. Diesmal mit Popmusik. Da gibt es eine Art Geheimaufnahme: Bryan Ferry live in der Albert Hall im Jahr 1974. Noch bevor der Meister zu sehen ist, formt die Band den Superhit der Rolling Stones: „Sympathy For The Devil“. Man möchte dabei gewesen sein. Wem dieses Glück nicht vergönnt war, der kann dem Soundtrack nachspüren.
Die Carina BS243.4 zeigte sich hier einmal wieder als Analytikerin, aber mit dem schönen Schub in der Tiefe. Erstaunlich die Basspräsenz und der innere Drive. Dieser Lautsprecher beherrscht die Eleganz ebenso wie die lustvolle Spielfreude. Wäre ich nicht meinen geliebten Elac- Oltimern treu – genau diesen Lautsprecher würde ich mir für meine Heimstatt kaufen.