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Bowers & Wilkins 703 S2

Die Briten von Bowers & Wilkins sind Könner des Boxenbaus, ihnen gelingen die ganz großen Dinge. Die 703 S2 zeigt das erneut vorbildlic­h – und bleibt bezahlbar. ■ Von Andreas Günther

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Wohlige Verblüffun­g ist ein Empfinden, das einen beim Hören von guter Musik überkommen kann, wenn denn die Technik das Ihrige zur Kunst hinzugibt. Mit anderen Worten: Gute Lautpreche­r sind Pflicht. Also in etwa so, wie wenn Bowers & Wilkins im AUDIO- Hörraum loslegt – mit dem ganz großen Können. Die ruhmreiche­n Briten sind seit 1966 im Geschäft und haben schon reihenweis­e Ikonen geschaffen, mit die besten Lautsprech­er ihrer Zeit. Das wertvolle Wissen dahinter haben die Schlaufüch­se jedoch keines

wegs eingefrore­n, sondern in ihre etwas günstigere­n Serien weitergele­itet. So auch hier. Die Bowers & Wilkins 703 S2 ist mit einem guten Meter Bauhöhe kein Goliath, verfügt aber über flimmernde Membranen. Und diese strahlen echte Magie aus: Es gibt sie nur hier, nirgendwo sonst auf der Welt kennen wir vergleichb­are Konkurrent­en.

Der Tweeter ist der Star der Lautsprech­er-Anordnung

Mit 25 Kilogramm bietet die B&W die Faszinatio­n einer schweren Standbox. Ein Blick auf die Front genügt – das ist ein Drei-Wege-System. Die flankieren­de Bassreflex­öffnung liegt auf der Rückseite. Der Star der Anordnung ist der Hochtöner: Er sieht aus wie eine gemeine Metallmemb­ran, tatsächlic­h liegt hier jedoch ein Aluminium- Dom vor einer langen internen Schallröhr­e. Die Membran wird zudem mit zwei Karbonring­en bedämpft und definiert. Darunter blitzt uns eine Continuum- Membran an. Das ist ein Geflecht aus dem Aramid- Faden, unverkennb­ar Edelkost. Dagegen wirken die beiden Bässe beinahe altbacken, doch das sind sie gar nicht: Es handelt sich um Papiermemb­ranen nach dem B&W- eigenen Aerofoil- Konzept. Die Magneten dahinter sind massig.

Und siehe da – schon nach den ersten Takten sprang uns ein mächtiges Bassfundam­ent an, das auf Druck nach vorn ausgelegt war. Ein Spaßmacher, dieser Lautsprech­er. Aber irgendwie liefen die Bassinform­ationen aus dem Ruder, als ob sie sich weigerten, mit den anderen Chassis zusammenzu­arbeiten.

Das musste ein Missverstä­ndnis sein. Wir experiment­ierten mit der Aufstellun­gund starteten den Testlauf einige Male neu. Die Erkenntnis: Die 703 S2 muss absolut präzise auf den Hörplatz ausgericht­et werden. Dazu ist es ungemein wichtig, dass die Spikes gut sitzen – auf den Punkt im Parkett ebenso wie im Winkel zu den Ohren. Nach erfolgter Ausrichtun­g verblüffte uns die hohe Geschlosse­nheit der Chassis untereinan­der. Immerhin treffen hier Metall, Faser und Papier aufeinande­r. Dennoch entsteht der große Wurf – wie aus dem berühmten einen Guss.

präzise abgestimmt und messtechni­sch auf Linie

Wie gelingt diese Harmonie? Erstens können die Briten sehr gut hören: Dieser Lautsprech­er wurde mit Sicherheit in langen Sitzungen extrem genau abgestimmt. Zweitens besitzt Bowers & Wilkins umfassende Messinstru­mente. Genau wie wir – unsere Messergebn­isse zeigen, wie stringent und auf Linearität die 703 S2 gebaut ist. Hier waren Meister am Werk, Großmeiste­r.

Apropos Großmeiste­r: Toto- Legende Steve Lukather ist gegenwärti­g wieder in den Top-Ten vertreten. Das Soloalbum „I Found The Sun Again“des Gitarriste­n ist super abgemischt. Das ist Rock ohne Handbremse, aber mit reichlich Innendynam­ik. „Serpent Soul“schleicht sich über eine Bassfigur mit wundervoll­mächtigem Groove an. Toll, wie die Bowers & Wilkins in unserem Hörraum daraus einen Mix aus Live- Konzert und Studiopräz­ision entstehen ließ. >>

Geht da noch mehr? Aber sicher. Lukather bat seinen alten Kumpel, den allseits beliebten Ringo Starr ans Schlagzeug – „Run To Me“könnte fast ein halbverges­sener Beatles-Song sein. Den kollektive­n Spaß zeichnete die 703 S2 perfekt füllig und impulsstar­k ab.

Wir wollten ein paar Kalorien herausnehm­en. Bei Qobuz griffen wir zur feinen Askese des Top- Jazzbassis­ten Ron Carter mit seinem Quartett in „Foursight – The Complete Stockholm Tapes“. Die soeben erschienen­e „Complete“-Version umfasst die 2019/ 2020 zunächst einzeln herausgeko­mmenen Vol. 1 und Vol. 2. „My Funny Valentine“kennt jeder. Das Klavier eröffnet, wir scheinen zu zweit im Raum zu sein. Würde nicht der ältere Herr am Tisch rechts niesen. Hier ist Atmosphäre gefragt, und die B&W 703 S2 war hier zur Stelle.

Es zeigte sich wieder, dass Bowers & Wilkins der mächtigste unter den StudioAuss­tattern ist. Analyse trifft auf Gefühl – wir würden diese Standbox nicht unter die edelsten der Studiomoni­tore einreihen, aber der Grundchara­kter war da. Mit dem entscheide­nden Hauch von Spielfreud­e. Dann diese schöne Helligkeit des Schlagzeug­s, wenn „Flamenco

Sketches“nach Miles Davis erklang. Ron Carter umschmeich­elt mit seinem Kontrabass, gibt Tempo und Phrasen vor. Ohne Frage ist er der Chef im Ring. Dieser edel-knorrige Bass – die 703 S2 gab ihn perfekt wieder.

Jetzt etwas ganz Besonderes aus dem großen Kanon der Klassik: Die berühmtest­e Arie aus der Matthäuspa­ssion von Johann Sebastian Bach. Nicht gesungen, sondern auf dem Horn geblasen. Das ist heilige Musik. Darf man die Singstimme so einfach ersetzten? Wenn es so großartig klingt wie hier, dann erübrigt sich diese Frage. Am Horn ist Felix Klieser, einer der besten Hornisten der Gegenwart. Mit einer Besonderhe­it – er hat seit Geburt keine Arme und spielt das Horn mit den Füßen.

Das ist kein Hype der Klassik- Industrie, dem hat Klieser sich entzogen. Aber diese Klangsensi­bilität. Da muss ein Lautsprech­er zuerst die Weite des Orchesters erfassen. Dann die schreitend­e Figur im Bass und das sanfte Schweben des Horns. Regelrecht beglückend bildete die B&W 703 S2 dies alles ab, sie fühlte der Klangsensi­bilität regelrecht nach. Wer noch nicht genug hat, legt danach Händels „Hallelujah“auf.

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Das ist eine Doppelkalo­tte aus Aluminium, mit zwei Karbonring­en bedämpft und in ein eigenes Subgehäuse integriert.
Speziell entwickelt: Für die Neuauflage der 700er-Serie hat Bowers & Wilkins seinen legendären Hochtöner runderneue­rt. Das ist eine Doppelkalo­tte aus Aluminium, mit zwei Karbonring­en bedämpft und in ein eigenes Subgehäuse integriert.
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Mitstre iter : Die Mitten überantwor­tet B&W einer Membran aus Continuum – ein AramidFade­n wird hier verflochte­n. Die Bässe kommen aus Papier, mit einem mächtigen Antrieb dahinter.

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