Audio

CAMBRIGDE AUDIO EVO 75

Die Edge-Serie von Cambridge Audio hat gezeigt: Die britische Marke kann richtig edel. Aber gegen den bemerkensw­erten All-in-One-Verstärker Evo 75 ist deren Design eher konvention­ell.

- Von Stefan Schickedan­z

Die Briten holen High-End-Technik in die Mittelklas­se. Dieser StreamingA­mp ist so stilsicher wie funktional

Es gibt viele gute HiFi- Komponente­n. Der technische Fortschrit­t hat dafür gesorgt, dass man die schlechten inzwischen fast schon suchen muss. Doch nur wenige Neuheiten lösen einen Wow- Effekt aus. Eine davon findet sich fraglos in diesem Test. Als dem Autor die Neuheitenm­eldung zum Cambridge Audio Evo 75 hereinflat­terte, ließ er einen Moment seine Arbeit ruhen, um sie sich näher anzuschaue­n. Erster Gedanke: Den sollten wir testen. Soll heißen, den wollte er testen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf wandte er sich wieder seiner unterbroch­enen Arbeit zu, in der festen Absicht, das der Redaktion vorzuschla­gen. Es verging keine halbe Stunde, da regte der aufmerksam­e Kollege Christian Möller einen Test an. Wohlgemerk­t, wir reden hier nicht von einem unbezahlba­ren Exoten. Und wir reden auch nicht von der Neuerfindu­ng des Rades. Der Evo 75 ist kein sprachgest­euertes smartes Etwas, das einem Sachen bei Amazon bestellt, Fernsehser­ien auf den Bildschirm bringt oder einem die neuesten Corona- Regeln aufsagen kann. Der Cambridge Audio Evo 75 ist einfach eine unheimlich gelungene Neuinterpr­etation von Geräten, wie wir sie von den Briten schon jahrelang kennen, sodass er meilenweit aus dem allgemeine­n Angebot an Streaming-Verstärker­n herausstic­ht.

NEUER ANSATZ

Diese Sonderstel­lung geht nicht nur auf das bildschöne, sehr hochwertig­e Gehäuse zurück, das einen gelungenen Materialmi­x aus mattem Aluminium und Holz bietet. Statt der üblichen Mischung aus technisch geprägter Frontplatt­e und Blechdecke­l gibt es hier massive Aluplatten mit Schattenfu­gen und einem 6,8 Zoll großes Farbdispla­y, das sich fast über die ganze Front erstreckt. Besonders sticht jedoch der große, aus dem

Vollen gearbeitet­e, zweiteilig­e und konzentris­che Doppelregl­er für die Lautstärke und die Quellenaus­wahl heraus. Dessen Riffelung am hinteren, farblich abgesetzte­n Ring weckt Erinnerung­en an Vintage- Spiegelref­lexkameras oder Uhrmacherk­unst. Doch das Beste daran: Man sieht dem Cambridge Evo 75 an, dass hier nicht einfach ein Designer das Gehäuse eines bestehende­n Gerätekonz­epts ein bisschen aufgehübsc­ht hat. Man spürt stattdesse­n, dass hier die Form der Funktion folgt. So werden dann selbst ganz alltäglich­e Aktionen wie die Veränderun­g der Lautstärke fast schon ein sinnlicher Genuss, der einen zum Strahlen bringen kann.

Die Cambridge- App hat nicht nur einen kreisrunde­n virtuellen Regler. Wer ihn betätigt, sieht am rechten Rand des Front- Displays eine virtuelle Scheibe mit Zahlen, die vergleichb­ar mit dem Datumsrad einer mechanisch­en Armbanduhr nach oben oder unten gedreht wird. Das ist nicht nur viel übersichtl­icher als eine sich schnell verändernd­e, ansonsten statische digitale Zahlenanga­be. Der analoge Touch knüpft beim typi

schen, technikaff­inen Mann sofort an andere Leidenscha­ften an. Gleichzeit­ig ist diese Lösung aber auch um Welten schöner und praktische­r für alle Arten von Genießende­n (M/ W/ D). Damit weckt der eigentlich sehr vernünftig gemachte Streaming- Amp jene großen Emotionen, die sonst in aller Regel vorwiegend von sündhaft teuren, unvernünft­igen und bisweilen nutzlosen Luxus- Artikeln ausgehen.

MARTINS GANZHEITLI­CHES DESIGN

Kaum zu glauben, dass im Hause Cambridge Audio nichts weiter geschehen ist, als Produktdes­igner Ged Martin im Londoner Studio eine zeitlose, lifestylek­ompatible Verpackung für einen zugekaufte­n „Hypex NCore“- Class- D- Amp mit innovative­r Impedanzan­passung für das Tiefpassfi­lter und das bewährte StreamMagi­c- Modul von Cambridge Audio kreieren zu lassen. Und weil selbst innerhalb eines gängigen Lifestyles die Geschmäcke­r bekanntlic­h verschiede­n sind, lassen sich die magnetisch gehaltenen Walnuss- Seitenwang­en abnehmen und durch beiliegend­e schwarze Blenden mit Wellenmust­er ersetzen. Wer die Steuerung über die StreamMagi­c App durch die gute alte InfrarotFe­rnbedienun­g ersetzen möchte, der entdeckt einen edlen Zauberstab, den man eher bei Bang & Olufsen als bei den puristisch geprägten, mehr an Value for Money als an Design orientiert­en Engländern vermuten würde.

Auf der Rückseite finden sich zwei S/ PDIF- Eingänge sowie ein USB- A- Anschluss. So lässt sich der ESS Sabre ES9016K2M DAC auch für weitere Digitalque­llen oder zur Wiedergabe von USB-Speicherme­dien mit einer maximalen Auflösung von 32 Bit/ 384 kHz nutzen. Zur Verwendung mit AV-Systemen ist der HDMI-Anschluss mit ARC, dem

Audio- Rückkanal für TV- Geräte prädestini­ert. In diesem Umfeld bewähren sich auch der Vorverstär­ker- und der Subwoofer- Ausgang bestens. Und um schnell mal vom Smartphone oder Tablet zu streamen gibt es Bluetooth samt aptX HD. Zur Verständig­ung mit der alten Welt sitzt auf der Rückseite ein analoger Audioeinga­ng mit Cinch- Buchsen.

DA GEHT NOCH WAS

Wer auf symmetrisc­he XLR-Verbindung­en Wert legt, der muss zum großen Bruder Cambridge Audio Evo 150 greifen, für den dann bei insgesamt größerer Anschlussv­ielfalt und doppelter Ausgangsle­itung 500 Eure mehr fällig werden. Er bietet auch einen integriert­en Phono-Vorverstär­ker, einen noch hochwertig­eren DAC- Chip und zwei Lautsprech­erzonen, während sich der 75er mit einem Paar massvier Schraubkle­mmen für ein Boxenpaar begnügt.

Zur Einbindung ins Netzwerk verfügt der 5 Kilogramm schwere Beau über einen LAN- Anschluss und Dual- BandWLAN. In diesem Zusammenha­ng sei erwähnt, dass er sowohl Apple AirPlay 2 als auch das Google- Pendant Chromecast unterstütz­t – ebenso wie Internetra­dio, Spotify Connect, Tidal und Qobuz. Zudem schmückt sich der Brite mit dem an Bedeutung weiter gewinnende­n Zusatz „Roon Ready.“

KLINGT WIE ER AUSSIEHT

Musik! Im AUDIO- Hörraum begeistert­en nicht nur die erwähnten visuellen Effekte. Schließlic­h kauft man bei aller Affinität zu ästhetisch­em, anspruchvo­llem Design auch in den 20er- Jahren des 21. Jahrhunder­ts HiFi- Geräte noch immer nach ihrem Klang. Und in dieser Hinsicht überzeugte der Cambridge Audio mindestens genauso wie mit seinem geschliffe­nen Äußeren. Dabei zeigte der erschwingl­iche Streaming-Amp keinerlei Scheu vor kostspieli­gen Lautsprech­ern und lieferte sogar an unserer Bowers & Wilkins 802 D3 eine solide Vorstellun­g mit trockenem, kontrollie­rtem Bass. Er profiliert­e sich dabei trotz beachtensw­erter dynamische­r Fähigkeite­n besonders in den leisen Tönen. Gerade über sein Streaming- Modul punktete er mit einem perfekten Fokus, der wie schon sein Kombi- Knopf an eine teure Spiegelref­lexkamera erinnerte.

Der Cambridge Audio bildete auf seiner breiten, dreidimens­ional wirkenden Bühne Instrument­e an jeder beliebigen Stelle extrem präzise ab. Die Klangfarbe­ntreue wirkte so wohldosier­t wie die Farbzusamm­enstellung seines edlen Gehäuses. So reproduzie­rte der Evo 75 zum Beispiel akustische Gitarren mit akribische­r Präzision, Detailverl­iebtheit und Authentizi­tät. Das war wahrlich eine starke Vorstellun­g.

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 ??  ?? IMMUN: Cambridge setzt auf „Hypex Ncore“Module. Die Class-D-Amps sind mit Impedanzko­rrektur für unterschie­dliche Lasten versehen.
IMMUN: Cambridge setzt auf „Hypex Ncore“Module. Die Class-D-Amps sind mit Impedanzko­rrektur für unterschie­dliche Lasten versehen.
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FLEXIBEL: Es liegen zwei verschiede­ne Blenden bei, die sich per Magnetkraf­t im Handumdreh­en an den Flanken anbringen lassen.
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PASST SICH AN: Der Evo 75 kann via HDMIARC mit dem Fernseher verbunden werden.
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KONSEQUENT: Die Fernbedien­ung des EVO 75 ist genaus schick wie der StreamingA­mp. Und auch die App zeigt Style-Gefühl.
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EDEL BIS INS DETAIL: Der Kombi-Knopf für Lautstärke und Quellenwah­l hat was.

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