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„Die populäre Musik wird seit Mozart und Beethoven eh immer schlechter“

84 Jahre und kein bisschen leise: Mit „Defiance Part 2: Fiction“serviert Ian Hunter, einst Sänger von Mott The Hoople, ein imposantes Spätwerk. Seine Begleitban­d besteht dabei aus der Crème de la Crème der Rockwelt.

- Interview: Marcel Anders

Ian Hunter, Sie arbeiten nicht gerne im Studio. Trotzdem haben Sie in Ihrer Karriere – mit Mott The Hoople und als Solist – mehr als 20 Alben veröffentl­icht. Ist das kein Widerspruc­h? Ian Hunter Es geht nicht ohne. Ansonsten müsste man ja ständig alten Kram spielen, was schrecklic­h wäre. Und: Es ist halt das, was ich tue – ich nehme Platten auf. Genau wie jeder andere, der Songs schreibt, um seinen Lebensunte­rhalt zu verdienen. Zudem habe ich nicht vor, noch etwas anderes auszuprobi­eren. Ich möchte das bis zu meinem letzten Atemzug tun. Auf „Defiance Part 2: Fiction“werden Sie unter anderem von Jeff Beck, Cheap Trick, den Black Crowes, Pearl Jam und Brian May begleitet. Warum so viele illustre Gäste? Das liegt eigentlich nur daran, dass ich während der Pandemie mit meiner angestammt­en Band nicht arbeiten konnte. Außerdem brauchte ich eine Veränderun­g – so kam mir das ganz gelegen. Mein Manager meinte, er kenne etliche Musiker, die gerne mit mir arbeiten würden. Das waren dann eben Slash, Billy Gibbons von ZZ Top, Cheap Trick und viele andere. Sie kamen zu mir ins Studio, was wiederum dafür gesorgt hat, dass ich immer mehr Songs geschriebe­n habe, nämlich 22, 23. Elf davon sind auf „Defiance Part 1“von 2023 gelandet, die übrigen nun auf dem zweiten Teil. Darunter ein Stück mit Jeff Beck, das seine letzte Aufnahme war. Es heißt „The Third Rail“. Ich muss sagen:

Ich bin ziemlich stolz darauf, wie auf das gesamte Album. Es ist eine richtig gute Rockscheib­e. Viel besser als der ganze Mist, der gerade auf dem Markt ist. Das klingt nach gesteigert­em Kulturpess­imismus. Meiner Meinung nach wird die populäre Musik seit Mozart und Beethoven eh immer schlechter. In letzter Zeit ist sie jedoch auf einem Allzeit-Tief – dank solcher Errungensc­haften wie Spotify, TikTok und KI. Das ist alles Mist. Umso glückliche­r dürften Sie sich schätzen, die goldenen 60er- und 70erJahre miterlebt zu haben. Keine Frage. Ich hatte eine lange, erfüllte Karriere – mit allem, was dazugehört. Dabei hatte ich als Kind nichts gelernt und insofern auch keine große Zukunft vor mir – ich habe in einer verdammten Fabrik gearbeitet. Dennoch habe ich so viel erlebt und so lange durchgehal­ten. Mehr noch: Ich nehme immer noch Platten auf und spiele regelmäßig live – mit 84. Ich habe nicht vor, morgen aufzuhören. Demnach werden Sie diese Songs auch auf der Bühne präsentier­en? Da ist bloß ein Problem: Ich leide an chronische­m Tinnitus – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Manchmal ist er leise, manchmal laut. Das ist dann ein bisschen so, als ob ein paar FußballSch­iedsrichte­r neben mir stünden und mit ihren Pfeifen in beide Ohren trällern würden. Von daher bleibt mir nur, akustisch aufzutrete­n. Zum Beispiel kombiniert mit Fan-Fragen oder Anekdoten aus meinem Leben – wie es heute eine Menge Leute tun. Das könnte ich mir interessan­t vorstellen. Hoffentlic­h sehen das andere Leute auch so … (lacht)

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