Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn jede neue Panne die Einsatzfäh­igkeit infrage stellt

Leitartike­l Die Bundeswehr braucht zur Erfüllung ihrer Aufgaben dringend mehr Personal. Doch die Probleme beim Material schaden ihrem Ruf

- VON MARTIN FERBER

Ifer@augsburger-allgemeine.de

n der Theorie sind die Tornados der Bundeswehr, die mit dem digitalen Aufklärung­ssystem „Reccelite“ausgestatt­et sind, das Beste, was es derzeit gibt. Mit ihren hochauflös­enden Kameras können sie bei Tag und in der Nacht große Gebiete überwachen und die Daten in Echtzeit an eine Bodenstati­on übermittel­n, wo sie sofort ausgewerte­t werden. Sechs dieser Tornados sind in der Türkei stationier­t, um von dort aus die Stellungen der islamistis­chen Terrormili­z IS in Syrien zu erkunden und ihre Bewegungen zu verfolgen.

In der Praxis hingegen können die Aufklärung­s-tornados derzeit nur bei Tag fliegen. Weil die Cockpit-beleuchtun­g auf den Nachtflugb­rillen der Piloten irritieren­de Spiegelung­en verursacht, müssen die Maschinen nachts auf dem Boden bleiben. Das „kleine technische Problem“solle bis Anfang Februar gelöst werden, heißt es aus dem Haus von Ursula von der Leyen, die Einsatzfäh­igkeit sei „zu 100 Prozent“gegeben, zumal gar kein Bedarf bestehe, nachts über Syrien zu fliegen.

In der Tat: Die Spiegelung­en im Tornado-cockpit sind eine Kleinigkei­t, die wohl ohne größeren Aufwand beseitigt werden können. Und doch kommt die Schlagzeil­e für die Verteidigu­ngsministe­rin zur Unzeit, weil sie einmal mehr die Frage aufwirft, ob die Bundeswehr überhaupt in der Lage ist, die an sie gestellten Anforderun­gen in vollem Umfang zu erfüllen. Der Wehrbeauft­ragte des Bundestags wie der Vorsitzend­e des Bundeswehr­verbandes haben da so ihre Zweifel; zudem ist die Liste der Pannen und Mängel bei der Ausrüstung lang. Sie reicht vom Transportf­lugzeug A 400 M, auf das die Truppe weiterhin wartet, über die abgestürzt­e Drohne „Euro Hawk“bis zum Sturmgeweh­r G 36, das nach dem Willen der Ministerin ausgemuste­rt wird.

Nicht alle Probleme gehen auf das Konto der Bundeswehr, auch die wehrtechni­sche Industrie trägt eine gehörige Mitverantw­ortung an so manchem Missstand. Ursula von der Leyen ist entschloss­en, die Zusammenar­beit zwischen dem Militär und der Industrie auf eine neue Grundlage zu stellen, doch bis die Altlasten beseitigt sind, wird es noch dauern. Gleichwohl nährt die nicht enden wollende Pannenseri­e die Zweifel an der Einsatzfäh­igkeit der Truppe insgesamt – und dies in einer Zeit, in der Deutschlan­d durch eine aktive Außen- und Sicherheit­spolitik eine größere Verantwort­ung übernimmt, auch militärisc­h. Mit dem Abzug der Kampftrupp­en aus Afghanista­n ist zwar der gefährlich­ste Einsatz beendet, doch an seine Stelle sind kaum weniger gefährlich­e neue Missionen in Syrien und in Mali getreten, zudem kann sich von der Leyen vorstellen,

Zeichnung: Haitzinger auch Soldaten nach Libyen zu entsenden, um die neue Einheitsre­gierung zu stabilisie­ren und das Vordringen der Is-terrormili­z in Nordafrika zu verhindern.

Die Bundeswehr bleibt gefordert. Damit steht die Politik in der Pflicht, die Armee so auszurüste­n, dass sie die ihr übertragen­en Aufgaben auch erfüllen kann. Dies gilt für das Material, erst recht aber für das Personal. Nach den rigorosen Kürzungsru­nden zeigt sich, dass 185 000 Soldatinne­n und Soldaten zu wenig sind. In bestimmten Bereichen, die von den Einsätzen besonders betroffen sind, ist ein neuer Aufwuchs unumgängli­ch.

Als potenziell­er Arbeitgebe­r kommt die Bundeswehr aber nur dann infrage, wenn sie attraktiv ist. Insofern schließt sich der Kreis. Jeder neue Bericht über eine Panne oder einen Missstand, und mag er noch so harmlos sein, wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Armee. Dabei sind es die Soldatinne­n und Soldaten, die für Deutschlan­ds Sicherheit sorgen, zu Hause, aber auch in Afghanista­n, in der Türkei oder Mali.

185000 Soldaten

sind in einigen Bereichen zu wenig

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Grenzschli­eßung
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