Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wenn jede neue Panne die Einsatzfähigkeit infrage stellt
Leitartikel Die Bundeswehr braucht zur Erfüllung ihrer Aufgaben dringend mehr Personal. Doch die Probleme beim Material schaden ihrem Ruf
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n der Theorie sind die Tornados der Bundeswehr, die mit dem digitalen Aufklärungssystem „Reccelite“ausgestattet sind, das Beste, was es derzeit gibt. Mit ihren hochauflösenden Kameras können sie bei Tag und in der Nacht große Gebiete überwachen und die Daten in Echtzeit an eine Bodenstation übermitteln, wo sie sofort ausgewertet werden. Sechs dieser Tornados sind in der Türkei stationiert, um von dort aus die Stellungen der islamistischen Terrormiliz IS in Syrien zu erkunden und ihre Bewegungen zu verfolgen.
In der Praxis hingegen können die Aufklärungs-tornados derzeit nur bei Tag fliegen. Weil die Cockpit-beleuchtung auf den Nachtflugbrillen der Piloten irritierende Spiegelungen verursacht, müssen die Maschinen nachts auf dem Boden bleiben. Das „kleine technische Problem“solle bis Anfang Februar gelöst werden, heißt es aus dem Haus von Ursula von der Leyen, die Einsatzfähigkeit sei „zu 100 Prozent“gegeben, zumal gar kein Bedarf bestehe, nachts über Syrien zu fliegen.
In der Tat: Die Spiegelungen im Tornado-cockpit sind eine Kleinigkeit, die wohl ohne größeren Aufwand beseitigt werden können. Und doch kommt die Schlagzeile für die Verteidigungsministerin zur Unzeit, weil sie einmal mehr die Frage aufwirft, ob die Bundeswehr überhaupt in der Lage ist, die an sie gestellten Anforderungen in vollem Umfang zu erfüllen. Der Wehrbeauftragte des Bundestags wie der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes haben da so ihre Zweifel; zudem ist die Liste der Pannen und Mängel bei der Ausrüstung lang. Sie reicht vom Transportflugzeug A 400 M, auf das die Truppe weiterhin wartet, über die abgestürzte Drohne „Euro Hawk“bis zum Sturmgewehr G 36, das nach dem Willen der Ministerin ausgemustert wird.
Nicht alle Probleme gehen auf das Konto der Bundeswehr, auch die wehrtechnische Industrie trägt eine gehörige Mitverantwortung an so manchem Missstand. Ursula von der Leyen ist entschlossen, die Zusammenarbeit zwischen dem Militär und der Industrie auf eine neue Grundlage zu stellen, doch bis die Altlasten beseitigt sind, wird es noch dauern. Gleichwohl nährt die nicht enden wollende Pannenserie die Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Truppe insgesamt – und dies in einer Zeit, in der Deutschland durch eine aktive Außen- und Sicherheitspolitik eine größere Verantwortung übernimmt, auch militärisch. Mit dem Abzug der Kampftruppen aus Afghanistan ist zwar der gefährlichste Einsatz beendet, doch an seine Stelle sind kaum weniger gefährliche neue Missionen in Syrien und in Mali getreten, zudem kann sich von der Leyen vorstellen,
Zeichnung: Haitzinger auch Soldaten nach Libyen zu entsenden, um die neue Einheitsregierung zu stabilisieren und das Vordringen der Is-terrormiliz in Nordafrika zu verhindern.
Die Bundeswehr bleibt gefordert. Damit steht die Politik in der Pflicht, die Armee so auszurüsten, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben auch erfüllen kann. Dies gilt für das Material, erst recht aber für das Personal. Nach den rigorosen Kürzungsrunden zeigt sich, dass 185 000 Soldatinnen und Soldaten zu wenig sind. In bestimmten Bereichen, die von den Einsätzen besonders betroffen sind, ist ein neuer Aufwuchs unumgänglich.
Als potenzieller Arbeitgeber kommt die Bundeswehr aber nur dann infrage, wenn sie attraktiv ist. Insofern schließt sich der Kreis. Jeder neue Bericht über eine Panne oder einen Missstand, und mag er noch so harmlos sein, wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Armee. Dabei sind es die Soldatinnen und Soldaten, die für Deutschlands Sicherheit sorgen, zu Hause, aber auch in Afghanistan, in der Türkei oder Mali.
185000 Soldaten
sind in einigen Bereichen zu wenig