Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Jetzt soll ein echter Polizist in Köln aufräumen
Porträt Nach der Skandalnacht von Silvester wird ein erfahrener Praktiker neuer Polizeichef. Jürgen Mathies fuhr einst Streife in der Domstadt. Und er bringt weitere Pluspunkte mit
Mit stärkerer Polizeipräsenz, mehr Videoüberwachung und neuem Mut zur Selbstkritik will Jürgen Mathies das Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen, das durch die Ereignisse der Silvesternacht arg gelitten hat. Der 54-Jährige präsentierte bei seiner Vorstellung als neuer Polizeipräsident von Köln gleich ein Dreipunkte-programm, um nach den massenhaften sexuellen Übergriffen von Migranten auf Frauen in der Neujahrsnacht das schwer angeschlagene Bild der Polizei zu reparieren. Genau genommen gibt es noch einen vierten Punkt: „Ich will alles versuchen, dass sich auch Polizeibeamte wieder sicherer fühlen, denn die Gewalt gegen Polizisten hat in einem unerträglichen Maße zugenommen“, sagt der neue Chef.
Mit Mathies steht nun erstmals ein gelernter Polizist an der Spitze der größten Polizeibehörde in Nordrhein-westfalen. Viele seiner Vorgänger, auch der nach dem Skandal geschasste Polizeipräsident Wolfgang Albers, waren Juristen. Die Gewerkschaften sehen ihre jahrelangen Forderungen nach einem Praktiker endlich erfüllt. Mathies sei „genau die richtige Besetzung“, sagt der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus. Und anders als das Spd-mitglied Albers gehört sein Nachfolger keiner Partei an. So stößt die Personalie parteiübergreifend auf breite Zustimmung.
Wer Jürgen Mathies kennt, spricht in höchsten Tönen von ihm. Er sei ein guter Zuhörer, heißt es auf den Fluren des Polizeipräsidiums, kompetent und erfahren, ruhig und bodenständig, ein exzellenter Analyst, fachlich und menschlich „ein Glücksgriff“, aber auch eine Führungskraft mit hohen Ansprüchen – an seine Kollegen und an sich selbst.
Der gebürtige Wuppertaler hat den Beruf des Polizeibeamten von der Pike auf gelernt. Zu seinen Ausbildern und Förderern gehört der frühere Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch. Mathies ist mit der Stadt Köln bestens vertraut, hier fuhr er 1980 zum ersten Mal Streife. „Da habe ich vieles gesehen, erlebt und gelernt“, sagt Mathies. Nachdem er verschiedene Führungspositionen in Siegburg und Köln bekleidete, wurde er Hauptdezernent der Polizeiabteilung bei der Bezirksregierung Köln. Von 2001 bis 2006 war er für die Erarbeitung der polizeilichen Rahmenkonzeption für die Fußball-weltmeisterschaft in Deutschland mitverantwortlich. Seit 2007 war er Leiter des nordrhein-westfälischen Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste.
In Köln steht der Vater zweier erwachsener Söhne nun vor einer wahren Mammutaufgabe. Wie es heißt, hätten sich im Vorfeld bereits einige Kandidaten weggeduckt und gehofft, dass der Kelch an ihnen vorüberging. Denn das skandalerprobte Köln gilt nicht erst seit Silvester als schwieriges Pflaster für einen Polizeichef. Jürgen Mathies, da ist man sich von der Polizeibasis bis zur Landesregierung selten einig, traut man diese Aufgabe zu.
Tim Stinauer