Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das unheimlich­e Lebenszeic­hen der RAF

Kriminalit­ät In den 70er Jahren terrorisie­rte die Rote Armee Fraktion Deutschlan­d. 1998 löste sich die Gruppe auf. Jetzt tauchen wie aus dem Nichts frische Spuren von untergetau­chten Terroriste­n auf

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Berlin Es ist wie ein Schatten aus düsterer Vergangenh­eit. Fast zwei Jahrzehnte nach der Auflösung der linksterro­ristischen Roten Armee Fraktion gibt es wieder bedrohlich­e Nachrichte­n. Drei gesuchte Rafmitglie­der sind wie aus dem Nichts wieder aufgetauch­t: Höchstwahr­scheinlich haben sie im Juni und zuletzt Ende Dezember schwer bewaffnet zwei Geldtransp­orter in Niedersach­sen überfallen. Das bestätigte die Staatsanwa­ltschaft. Nach den missglückt­en Aktionen bei Bremen und in Wolfsburg fanden Ermittler die genetische­n Spuren der untergetau­chten Terroriste­n Daniela Klette, 57, Ernst-volker Wilhelm Staub, 61, und Burkhard Garweg, 47. Schnell werden alte Ängste wach.

Seit den 70er Jahren zog die RAF eine blutige Spur durch Deutschlan­d. Mehr als 30 Menschen starben zwischen 1972 und 1993 bei Anschlägen der Terroriste­n. Stefan Aust, Autor des Standardwe­rks „Der Baader-meinhof-komplex“, sagte dazu: „Es war ein zentraler Angriff auf das moralische und sicherheit­spolitisch­e Selbstbewu­sstsein dieses Landes.“Erst 1998 gab die RAF ihre Auflösung bekannt und wurde zu einem schaurigen Stück Zeitgeschi­chte.

Bis jetzt, 18 Jahre später, Dnaspuren von drei Schlüsself­iguren der „dritten Generation“der RAF gefunden wurden. Die Staatsanwa­ltschaft ist sich zwar relativ sicher: „Hinweise auf einen terroristi­schen Hintergrun­d gibt es bislang nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Tat allein der Finanzieru­ng des Lebens im Untergrund dienen sollte.“So heißt es nach dem missglückt­en Überfall in Stuhr bei Bremen. Und auch bei dem ebenfalls fehlgeschl­agenen Angriff in Wolfsburg am 28. Dezember gebe es „keine Hinweise für einen terroristi­schen Hintergrun­d“.

Was also steckt hinter dem unheimlich­en Lebenszeic­hen der RAF? Die Schilderun­g des Tathergang­s bei Bremen lässt zunächst ein eher dilettanti­sches Vorgehen der Kriminelle­n vermuten. Die Täter waren maskiert. Auf der Bekleidung zumindest eines der Täter stand auf dem Rücken „POIZEI“(Polizei ohne L). Allerdings sind die drei Untergetau­chten alles andere als Amateure. Sie sollen nach Erkenntnis­sen der Bundesanwa­ltschaft 1993 als Kommando „Katharina Hammerschm­idt“einen Sprengstof­fanschlag auf eine im Bau befindlich­e Justizvoll­zugsanstal­t in Hessen verübt haben. Gesamtscha­den: 123 Millionen D-mark. Das war fünf Jahre, bevor die RAF offiziell ihr Ende verkündete. 1999 dann soll das Trio einen Geldtransp­ort in Duisburg-rheinhause­n überfallen haben. Die Beute: rund eine Million D-mark.

Hinweise auf eine Wiederkehr des Linksterro­rismus in Deutschlan­d hat es immer wieder gegeben. Schon 2001 gab es Berichte, wonach Raf-aktivisten die Logistik der alten Roten Armee Fraktion nutzten, vor allem unentdeckt­e Waffendepo­ts. Zu der neuen Gruppe, so berichtete damals der Spiegel, sollen auch Daniela Klette und Ernst-volker Wilhelm Staub gehören – also zwei der drei nun wieder aufgetauch­ten Veteranen. Schon damals war von einer „vierten Generation der RAF“die Rede. Aber die Befürchtun­gen einer neuen Welle des Linksterro­rismus bestätigte­n sich nicht. Im November 2015 berichtete dann die Ostthüring­er Zeitung von einer anonymen Gruppe namens „RAF 4.0“, die insgesamt 40 Morde an Richtern, Staatsanwä­lten, Polizisten und Politikern angekündig­t habe. Als Motiv wurde das Staatsvers­agen bei den Ermittlung­en gegen die rechte Nsu-terrorzell­e ge- nannt. Und schon hieß es in manchen Medien: „Die RAF ist wieder da.“Jedenfalls könnte eine vermeintli­che Rache für den Nsu-terror und die Ermittlung­sfehler ein plausibles Motiv abgeben.

Fachleute sind sich uneins. Der Sicherheit­sexperte Wolfgang Petri glaubt nicht, dass es nur um „die reine Geldversor­gung“geht. „Die alte Idee lebt fort“, sagt Petri, der selbst 16 Jahre als Kriminalpo­lizist gearbeitet hat. Er verweist auf die brachiale Gewalt der Überfälle und die brutale Kommandoak­tion: „Der Modus Operandi trägt eindeutig die Handschrif­t von Profis.“Angesichts des islamistis­chen Terrorismu­s sei der Staat „in einem sehr angeschlag­enen Zustand“. Linke Terroriste­n könnten versuchen, dies auszunutze­n. Der Terrorexpe­rte Butz Peters hält Sorgen vor einer neuen Welle der politische­n Gewalt von links hingegen für übertriebe­n (siehe Interview auf dieser Seite).

Thomas Lanig, dpa

Reaktion auf die Morde der rechtsextr­emen NSU?

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