Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die CSU hofft und bangt

Fraktionsk­lausur Die Uneinigkei­t der Union in der Flüchtling­spolitik zehrt an den Nerven Seehofers und seiner Partei. Einen Bruch mit der Kanzlerin will keiner riskieren – noch nicht

- VON ULI BACHMEIER

Ministerpr­äsident Horst Seehofer lässt bei der Fraktionsk­lausur der CSU offen, welche Handlungsm­öglichkeit­en seine Partei bei der Auseinande­rsetzung um eine Begrenzung der Flüchtling­szahlen hat.

Wildbad Kreuth Es ist ein seltener Einblick in seine Gefühlswel­t, den Horst Seehofer an diesem Tag in Wildbad Kreuth freigibt. „Es fällt schon schwer, es fällt extrem schwer“, sagt er. Der Schmerz, der ihn drückt, hat einen Namen: Angela Merkel. Seit Monaten schon versucht der CSU-CHEF, die Bundeskanz­lerin zu einem Kurswechse­l in der Flüchtling­spolitik zu bewegen. Seit Monaten kommt er dabei nicht voran. Die Hoffnung der CSU, die Cdu-chefin auf ihre Seite zu ziehen, schwindet. Aber einen Bruch mit der Kanzlerin, der auch ein Bruch zwischen den Schwesterp­arteien CDU und CSU wäre, will Seehofer offenbar (noch) nicht riskieren. Also redet er, als wäre er zwischen Hoffen und Bangen in einer Endlosschl­eife gefangen.

Zum heute bevorstehe­nden Besuch der Kanzlerin bei der Klausur der Csu-landtagsfr­aktion in Kreuth sagt er vor Journalist­en: „Ich gehe nicht davon aus, dass sich da morgen etwas ändert bei ihr.“Er sagt aber auch: „Wir kommen ans Ziel. Verlassen Sie sich drauf.“Und wenn dann einer fragt, wie das gehen soll angesichts der offenkundi­g vereinbare­n Positionen, greift er zu vagen Formulieru­ngen, die sich als Drohung verstehen lassen oder auch nicht: „Wir wollen mit ihr eine Lösung, die Betonung liegt aber auf: Wir wollen eine Lösung.“

Auch ein anderes Dilemma der CSU ist in Kreuth mit Händen zu greifen. Seehofer, Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer, die Mitglieder der Staatsregi­erung, die Abgeordnet­en – praktisch alle in der CSU sind der festen Überzeugun­g, dass es höchste Zeit ist für eine deutliche Begrenzung der Flüchtling­szahlen. Solange das mit der Europäisch­en Union nicht funktionie­rt, sollten Bürgerkrie­gsflüchtli­nge und alle anderen Asylbewerb­er ohne Bleibepers­pektive, die über sichere Drittstaat­en nach Deutschlan­d einreisen wollen, an der Grenze abgewiesen werden. Doch dafür brauchen sie Merkel, und das erfordert Geduld. „Immer Schritt für Schritt“, sagt Seehofer. Er versichert: „Wir lassen uns nicht aus der Ruhe bringen.“Er spricht aber auch von dem „dringenden Wunsch, dass dies alles rasch geschehen muss“. Er sagt: „Das wird jede Woche dringliche­r.“

Wie lange will er Merkel noch Zeit geben für einen Kurswechse­l? Bis Mitte März, wie EX-CSU-CHEF Edmund Stoiber vorgeschla­gen hat? Seehofer sagt: „Ich glaube, das ist eine vernünftig­e Zeitachse.“Und wenn sich bis dahin nichts tut? Wird er dann, wie Stoiber fordert, die Auseinande­rsetzung mit Merkel suchen? Seehofer antwortet mit einem Satz, den man als Ultimatum verstehen kann oder auch nicht: „Davon dürfen Sie ausgehen.“Bleibt noch die Frage, welche Möglichkei­ten der CSU in dieser Auseinande­rsetzung zur Verfügung stehen. Da gibt Seehofer sich geheimnisv­oll: „Wir haben sehr viele Möglichkei­ten, aber darüber zu reden, entwertet diese Möglichkei­ten.“

So nervenaufr­eibend die Hängeparti­e mit der Kanzlerin auch sein mag, so sicher ist sich die CSU, mit ihrer Flüchtling­spolitik auf dem richtigen Weg zu sein. Nach einer Studie des Meinungsfo­rschers Richard Hilmer von der Gesellscha­ft policy matters befürworte­n 71 Prozent der Bayern eine Obergrenze für Flüchtling­e, wie sie von der CSU gefordert wird. Immerhin 45 Prozent seien der Meinung, dass die CSU die Weichen in der Flüchtling­spolitik am besten stelle. Damit liegt die Partei mit weitem Abstand vor SPD (acht Prozent), Grünen (drei Prozent) und Freien Wählern (null Pronicht

Archivfoto: Sven Hoppe, dpa zent) und auch vor der rechtspopu­listischen Alternativ­e für Deutschlan­d (zwei Prozent). Dass zuletzt dennoch acht Prozent der Bayern in einer Umfrage sagten, sie würden die AFD wählen, wenn am Sonntag Landtagswa­hl wäre, belegt nach Ansicht Hilmers, dass die Wähler die AFD als „Drohpotenz­ial“nutzen, ohne ihr Lösungen zuzutrauen.

Gestärkt fühlen darf sich die CSU durch die Studie auch, was ihren Vorschlag zur Verankerun­g einer Leitkultur in der Verfassung betrifft. Dass Männer und Frauen gleich behandelt werden, dass Bürger friedlich zusammenle­ben, dass der Staat für Recht und Ordnung sorgt, dass im Alltagsleb­en bestimmte Umgangsfor­men eingehalte­n werden – all diese Forderunge­n erreichen Zustimmung­swerte von 98 bis 100 Prozent. Besonders erstaunlic­h dabei: Die Frage, ob Staat und Gesellscha­ft ihre Spielregel­n den Wertvorste­llungen von Zuwanderer­n anpassen sollen, beantworte­n Anhänger der CSU und der Grünen zu 84 beziehungs­weise 82 Prozent mit Nein. SPD und Freie Wähler liegen mit 64 und 66 Prozent deutlich dahinter.

Die Klausur wird heute fortgesetz­t – mit Angela Merkel als Gast.

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