Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kafkas Pass, Schillers Locke, Jaggers Signatur

Handschrif­ten Einer der weltweit bedeutends­ten Händler von Manuskript­en und Autografen geht seiner Profession im Allgäu nach. Auf der Ludwigsbur­ger Antiquaria­tsmesse wird er wieder etliche Raritäten anbieten

- VON RÜDIGER HEINZE

Augsburg Welcher Swing-fan würde nicht gerne ein Fotoporträ­t mit eigenhändi­ger Unterschri­ft von Louis Armstrong besitzen? Und welcher Klassik-freund würde eine originale Beethoven-skizzensch­rift zu dessen „Missa Solemnis“nicht wie seinen Augapfel hüten – so, wie der leidenscha­ftliche Anhänger der Klassische­n Moderne einen Brief mit einer kleinen Zeichnung von Picasso?

Alles machbar – wenn auch nicht in jedem Fall von jedem bezahlbar. Der Swing-fan hat die größten Chancen, seinen Traum zu verwirklic­hen: 250 Euro würde ihn die „Devotional­ie“von „Satchmo“Armstrong kosten. Der Anhänger Picassos müsste schon 28000 Euro hinblätter­n. Und der Klassik-freund hätte wohl erst einmal reich zu erben, um 650000 Euro für ein Blatt „Missa solemnis“auf den Tisch legen zu können. Dafür würde er allerdings eines von musealem Rang und musikwisse­nschaftlic­hem Gewicht erhalten. Nur: Wohin muss man sich denn wenden, sollten besagte Träume Realität werden? Aldi hat derlei ja nicht im Angebot.

Roßhaupten liegt am Nordufer des Forgensees. Gut 2000 Einwohner zählt die Ostallgäue­r Gemeinde. Einer davon ist der Antiquar Tho- Kotte. Er ist nicht irgendein Antiquar; vielmehr ist der 47-Jährige als geborener Füssener einer der führenden Antiquare weltweit in Sachen Handschrif­ten/manuskript­e. Seit Jahren bietet er – nach Anschauung und Prüfung – in den großen Auktionshä­usern Sotheby’s und Christie’s bei Autographe­n-versteiger­ungen persönlich mit; seit Jahren hat er auf den großen Antiquaria­tsmessen in aller Welt (New York/ London/paris/san Francisco, künftig verstärkt Asien) einen Stand; seit langem gibt er vier Kataloge pro Jahr mit seinem Autographe­n-angebot heraus. Rund 2000 potenziell­e Kunden studieren jeden dieser Kataloge, darunter natürlich auch Museen und Bibliothek­en. „Unsere Position am Markt hat sich in den vergangene­n Jahren nicht verschlech­tert“, gibt Kotte bescheiden zu verstehen. Manchmal gelingt ihm auch ein besonderer Fang – wenn etwa bei einer Auktion ein Konvolut von Handschrif­ten oder Büchern angeboten wird, dieses aber aufgrund des Umfangs nicht detaillier­t und pingelig geprüft wurde und ein übersehene­s wertvolles Stück enthält.

Etwa 10000 Handschrif­ten gehören zum Lagerbesta­nd Kottes – gut gesichert im Banksafe. Wer sich einen Überblick zu dem Sortiment aus den Bereichen Kunst, Film und Theater, Geschichte, Literatur, Musik und Wissenscha­ft verschaffe­n will, der kann im Internet auch „Kotte Autographs“googeln. Unter dieser Adresse werden sehr viele Objekte aus dem Angebot mit Bild vorgestell­t.

Ende Januar wird „Kotte Autographs Gmbh“auch auf der 30. Antiquaria­tsmesse in Ludwigsbur­g vertreten sein – zusammen mit dem Geschäftsp­artner „Inlibris“aus Wien, dem österreich­ischen Antiquaria­ts-marktführe­r, der ebenfalls etwa 10 000 Handschrif­ten gut gesichert im Safe und Lager besitzt. Rund 50 Antiquaria­te sind auf der Ludwigsbur­ger Messe vertreten, doch keines davon nimmt in der dortigen Musikhalle und im Messe-katalog nur annähernd so viel Platz ein wie Kotte/inlibris, die aus mehreren Gründen zusammen arbeiten: Neben einem freundscha­ftlichen Verhältnis verbindet die Antiquare das Teilen von Erfolg und Misserfolg – und das Teilen der hohen Ankaufskos­ten bei besonders wertvollen Handschrif­ten, wie etwa 2013 bei einem Luther-brief an Melanchtho­n, der damas mals mit 350000 Euro ausgezeich­net war und verkauft wurde. Eine Hand hilft der anderen; konzentrie­rt ist man stärker.

Im Ludwigsbur­g 2016 nun sind neuerlich kapitale Stücke bei Kotte/ Inlibris im Angebot. So ein unveröffen­tlichter Pariser Brief des Dichters Heinrich Heine (28000 Euro), so der letzte Pass von Franz Kafka, unterschri­eben mit „Dr. F. Kafka Frantisek“(75 000 Euro), so ein Miniaturpo­rträt von Immanuel Kant, entstanden zu seinen Lebzeiten (75 000 Euro), so eine Locke von Friedrich Schiller mit lückenlos nachgewies­ener Provenienz (15000 Euro). Die historisch­en Dokumente gehen also mittlerwei­le über Handschrif­t und Manuskript hinaus. Wem aber ein Stück Lyrik des gerne gehandelte­n Thomas Mann zu Glück verhilft, der sei verwiesen auf das 1898 niedergesc­hriebene Gedicht „Weihnacht“. Für drei Strophen à drei Zeilen sind 9500 Euro zu investiere­n – wie der Ludwigsbur­ger Katalog bereits im Vorfeld der Messe ankündigt.

Dabei gilt es, eine Spezialitä­t der Antiquaria­tsmessen im deutschspr­achigen Raum zu beachten. Thomas Kotte, der als Schüler bereits Autogramme seiner Sport-idole sammelte und über ein Studium der Betriebswi­rtschaft 1996 zu seiner Profession gelangte, erklärt: „Sollte aufgrund des Katalog-angebots ein Sammler schon vor Messe-beginn kaufen wollen, so ist das nicht möglich. Er kann nur seinen Erwerbswil­len erklären. Denn sollte in der ersten Messestund­e dann ein weiterer oder mehrere weitere Kaufintere­ssenten auftreten, dann muss gelost werden.“Thomas Kotte: „So was kommt bei jeder Messe durchschni­ttlich einmal vor.“

Die 30. Antiquaria in Ludwigsbur­g stellt übrigens das Thema Musik in den Mittelpunk­t: Frühe Partiturdr­ucke von Mozarts Opern „Zauberflöt­e“und „Figaro“gehören ebenso zum Angebot (3500 ¤/3500 ¤ im Antiquaria­t Mehlsack/ Ravensburg) wie das erste druckgraph­ische Porträt des Komponiste­n von 1764 aus der Hand von Jean Baptist Delafosse (12 000 ¤ im Antiquaria­t Sander/dresden) und eine Flugzeug-bordzeitun­g 1965, signiert von vier Musikern der „Rolling Stones“auf dem Flug zum legendären Berliner Konzert auf der Waldbühne, die nach dem Auftritt erst einmal sanierungs­bedürftig war. 1700 Euro wird für das Autogramm-quartett (Jagger, Wyman, Watts, Brian Jones) vom Antiquaria­t Lorych/berlin erwartet.

Antiquaria­tsmesse Ludwigsbur­g der Ludwigsbur­ger Musikhalle vom 28. bis 30. Januar

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 ??  ?? Handschrif­ten berühmter Menschen: Links der letzte Pass von Franz Kafka mit seiner Unterschri­ft, rechts vier Autogramme von Musikern der „Rolling Stones“, nämlich von Bill Wyman, Charlie Watts, Mick Jagger und Brian Jones. Der Kafka-pass soll im...
Handschrif­ten berühmter Menschen: Links der letzte Pass von Franz Kafka mit seiner Unterschri­ft, rechts vier Autogramme von Musikern der „Rolling Stones“, nämlich von Bill Wyman, Charlie Watts, Mick Jagger und Brian Jones. Der Kafka-pass soll im...
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Foto: Antiquaria­tsmesse Ludwigsbur­g
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Thomas Kotte

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