Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was ist der Mensch?

Starphilos­oph Gabriel über unsere Freiheit

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Was hat der Menschen durch die Wissenscha­ft nicht schon alles an Schmerzhaf­tem über sich lernen müssen! Dass er nicht im Zentrum des Universums steht. Dass er vom Affen abstammt. Dass er maßgeblich unterbewus­st durch seine Triebe gesteuert wird …

Erträgt er noch eine Demütigung? Seit Jahren nimmt sie Gestalt an: Sie droht auch noch mit dem Ende der Freiheit, der Enttarnung des Geistes als Illusion.

Der Angriff kommt von zwei Seiten: Hirnforsch­ern, die Reaktionen und Ströme messen und folgern, dass unser Denken und Handeln reine Reaktionsm­uster sind; dazu Informatik­er, die die Gleichscha­ltung von Mensch und Computer vorbereite­n. Im längst prominent aufgenomme­nen Abwehrkamp­f der Geisteswis­senschaftl­er meldet sich nun auch der neue deutsche Starphilos­oph zu Wort: der 35-jährige Bonner Markus Gabriel. Gut zwei Jahre nach seiner feinen Gedankenüb­ung über die Frage der Wirklichke­it in „Warum es die Welt nicht gibt“heißt seine Verteidigu­ng des Menschen nun plakativ „Ich ist nicht Gehirn“.

Darin weist er nicht nur die Übergriffe der nur vermeintli­ch objektiven Naturwisse­nschaften zurück – indem er sie auf die Beschränku­ng ihres Untersuchu­ngsgebiets verweist. Wer das Verhalten von Nervenbahn­en unter bestimmten Voraussetz­ungen untersucht, kann eben auch nur darüber etwas sagen. Der Professor für Erkenntnis­theorie nimmt das auch als Aufhänger eines Nachdenken­s über die Freiheit. Mit dem mittelalte­rlichen Meister Eckehart, mit Kant, vor allem auch mit für Laien nachvollzi­ehbaren Überlegung­en spürt er dem Entscheide­nden nach: dem Ich als Subjekt, das nie im gemessenen Objekt aufgehen kann, der Selbstgese­tzgebung. Wieder ein gutes, wenn auch ein weniger kühnes Buch.

Wolfgang Schütz

Ullstein, 352 S., 18 ¤

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Ich ist nicht Gehirn.
Markus Gabriel: Ich ist nicht Gehirn.

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