Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Einer der intimsten Augenblicke
Noch etwa eine Woche, dann kommt er wieder. Der schönste Moment des Monats. Jener erhebende Augenblick, in dem die liebe Kollegin aus der Personalabteilung, einer zauberhaften Fee gleich, in die Redaktionsräume einschwebt. In den zarten Händen ein Päcklein Briefumschläge. Unscheinbar, banal.
Aber, welche Freude, welches Glücksgefühl, können so ein paar Blättlein Papier auslösen. Oder aber auch, welche Enttäuschung, welchen Frust.
Denn die Kollegin überbringt allmonatlich die Gehaltsabrechnung.
Wenn diese geöffnet wird, ist das einer der intimsten Augenblicke im Leben des lohnabhängigen Menschen. Da will keine(r), dass ihm eine(r) über die Schulter schaut. Der Blick auf das, was unten rauskommt, den möchte niemand mit jemand anders teilen.
Und so stellen wir uns mitfühlend die Frage: Wie mag sich Medhi Benatia gerade fühlen? Jetzt in diesen Tagen, in denen Bilder seines Gehaltszettels die große Runde durch das Internet machen.
Wie der Star-verteidiger des FC Bayern seine Abrechnung erhält – ob auch ihm eine nette Kollegin erscheint oder Pep ihm den Umschlag unauffällig zusteckt – wir wissen es nicht.
Wir wissen inzwischen nur, wie Benatia das vertrauliche Zahlenwerk aufbewahrt. Sorglos, offen einsehbar, auf dem Beifahrersitz seines Autos. Das gab einem Unbekannten die Chance, das Papier abzufotografieren und zu verbreiten.
Was gar nicht nett ist. Denn Privatadresse, Kontonummer und Steueridentifikationsnummer sind klar auszumachen. Eindeutig ein Verstoß gegen den Datenschutz. Die Polizei ermittelt.
Am ärgerlichsten aber: Auch Benatias November-gehalt (176 424 Euro) ist zu entziffern.
Es wird diskutiert, ob es gut ist, dass sich in Gehaltsfragen die alte sizilianische Sitte der Omerta hält. Würde das unausgesprochene Schweigegesetz gebrochen, so argumentieren die einen, könnte das zu mehr Gerechtigkeit bei der Entlohnung führen. Eines der Argumente für die Geheimniskrämerei: Leistungsträger sollen vor dem Neid der Kollegen bewahrt werden.
Gibt es nun Bayern-spieler, die Benatia beneiden? Oder lächeln die ganz großen Stars im Münchner Ensemble nur über diese Summe? Keiner wird aus der Deckung rauskommen und das verraten.
Aber wir werden nächste Woche sehnsuchtsvoll an die Zahl auf dem Benatia-papier denken. Und unseren Zettel schnell verschwinden lassen.