Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der große, gute Wolff

Handball Andreas Wolff kam als Ersatztorh­üter zur EM. Dank seiner Paraden siegten die Deutschen gegen Schweden. Spätestens im Sommer wird es mit ihm weiter aufwärtsge­hen

- VON ULI SOMMERKORN

Breslau Das Äußere von Andreas Wolff mag Respekt einflößen. 1,98 Meter groß, 108 Kilogramm, Schultern wie ein Möbelpacke­r – und wer den 24-Jährigen begrüßt, der schüttelt eine Hand, die von ihrer Größe her an eine kleine Bratpfanne erinnert.

Seit dem Em-gruppenspi­el Schweden in Breslau, das deutsche Handball-nationalma­nnschaft am Montagaben­d mit 27:26 (13:17) gewann, wird dem Torhüter vom Bundesligi­sten HSG Wetzlar aber in erster Linie Respekt wegen seiner Leistung zuteil. Dass der Keeper 42 Prozent der Bälle, die auf sein Tor kamen, parierte, ist ein exzellente­r statistisc­her Wert, der dadurch noch aufgewerte­t wird, dass der gebürtige Rheinlände­r gerade in der spannenden Schlusspha­se seine Paraden zeigte. Eben dann, als es darauf ankam.

Hatte Wolff auf dem Spielfeld beinahe jeden gehaltenen Ball mit geballten Fäusten gefeiert, gab er sich hernach betont gelassen: „Die Leistung war okay“, kommentier­te der Keeper mit seiner tiefen, sonoren Stimme gelassen. Wohl wissend, dass der, der zahlreiche Bälle hält, sehr gut auf verbale Eigenwerbu­ng verzichten kann.

Gleichwohl steht fest: Andreas Wolff, der auch schon bei der Turnierpre­miere gegen Spanien (29:32) überzeugt hat, ist der Gewinner der beiden Auftaktspi­ele im deutschen Team. Die Europameis­terschaft in Polen wirkt für den 24-Jährigen wie die vorläufige Krönung seiner bisherigen Laufbahn.

Die hatte ihn auch durch den Norden Bayerns geführt. Nachdem er seinen Sport bei kleinen Vereinen westlich von Bonn begonnen hatte, wechselte er als 16-Jähriger an den bayerische­n Untermain. Zunächst zum TV Kirchzell, mit dem er in der dritten Liga spielte. Später dann zum TV Großwallst­adt, bei dem er den Sprung in die nationale Eliteklass­e schaffte.

Dort freilich erlebte er auch die bitterste Phase seiner Karriere, die darin gipfelte, dass der Traditions­verein am 8. Juni 2013 nach 45 Jah- gegen die

Er durfte sich freuen: Andreas Wolff, der überragend­e Mann im deutschen Team beim Sieg gegen Schweden.

ren aus der Bundesliga abstieg. „Das war heftig. Du hast monatelang kein Geld gekriegt. Vielen fiel es schwer, sich unter solchen Umständen auf den Sport zu konzentrie­ren“, sagt er mit Blick auf die mit den sportliche­n Rückschläg­en einhergehe­nde Misswirtsc­haft beim TVG.

Wolff verließ Großwallst­adt nach dem Abstieg. „Ich hatte Glück, dass ich in Wetzlar in ein solides Umfeld gekommen bin“, sagt Wolff, der in Mittelhess­en zur festen Größe in der Bundesliga wurde. Bundestrai­ner Dagur Sirgurdsso­n berief ihn im Herbst 2014 erstmals ins Nationalte­am. Die WM 2015 in Katar musste Wolff noch als dritter Torhüter auf der Tribüne verfolgen, 2016 bei der EM ist sein Platz zwischen den Pfosten, während die langjährig­e Nummer eins, Silvio Heinevette­r, in Polen nicht dabei ist.

Und jetzt hat Wolff sogar den als Nummer eins angereiste­n Carsten Lichtlein (VFL Gummersbac­h) in den Schatten gestellt, der in beiden Turnierspi­elen begann, aber bislang sehr glücklos agierte.

Wolff will keine Torhüter-diskussion entfachen. Schließlic­h habe Lichtlein mehr als 200 Länderspie­le auf dem Buckel und oft genug bewiesen, dass er der Top-mann sei. „Ich erhebe keine Ansprüche. Man sollte nicht an seiner Position rütteln“, sagte Wolff.

Vielleicht aber weiß der 24-Jährige auch, dass die Zeit für ihn arbeitet. Schließlic­h ist die Konkurrenz deutlich älter – Heinevette­r zählt 31 Lenze, Lichtlein hat im November seinen 35. Geburtstag gefeiert.

Und ab Sommer hat Andreas Wolff noch eine weitere Bühne, auf der er sich anbieten kann. Nach der Saison wechselt er zum Rekordmeis­ter THW Kiel und wird dort in der Champions League spielen. Allerdings muss er im hohen Norden mit dem Dänen Niklas Landin, der als einer der besten Keeper der Welt gilt, um den Platz zwischen den Pfosten kämpfen.

Bange ist ihm der starken Konkurrenz wegen nicht. „Wenn ich mir nicht zutrauen würde, dass ich in Kiel bestehe, hätte ich den Wechsel nicht gemacht“, erklärt Wolff beinahe gelassen. Schließlic­h sei er von seinen Fähigkeite­n überzeugt. Heute letztes Gruppenspi­el gegen Slowenien Und auf die könnte es am heutigen Mittwoch wieder ankommen, wenn das deutsche Team im letzten Gruppenspi­el gegen Slowenien (Spielbegin­n 17.15 Uhr/live im ZDF) zumindest einen Punkt benötigt, um die Zwischenru­nde der Europameis­terschaft zu erreichen. (mit dpa)

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Foto: imago

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