Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pflege wandelt sich mit der Demenz

Seniorenhe­im Das „Haus Lechfeld“in Untermeiti­ngen arbeitet nach einem besonderen Konzept. Die Wohngruppe­n sind auf die unterschie­dlichen Phasen der Bewohner ausgericht­et. Was „Weite Wiese“und „Fühl mich wohl“bedeuten

- VON SUSANNE RAFFLER

Untermeiti­ngen Das Seniorenhe­im „Haus Lechfeld“in Untermeiti­ngen soll zu einem Modellproj­ekt werden. Auf einem 7500 Quadratmet­er großen Areal steht ein Haus mit 60 Plätzen, das ein Lebensumfe­ld für Bewohner in den fortschrei­tenden Phasen der Demenz bieten will. Dafür sind jeweils passende Wohngruppe­n vorgesehen. Im Februar soll das Haus eröffnen. Auf den zwei Etagen sind Räume für 45 Bewohner mit Demenz eingericht­et, die in drei Wohngruppe­n leben werden. Außerdem wird es eine Wohngruppe für Menschen mit dauerhafte­n körperlich­en Beschwerde­n geben.

Träger ist die Johann-müller-altenstift­ung, die bereits ein Pflegeheim in Langerring­en betreibt. Geschäftsf­ührer Michael Brzeski betont: „Das zentrale Thema in unseren Wohngruppe­n ist die Gemeinscha­ft, was aber nicht bedeutet, dass private Rückzugsmö­glichkeite­n nicht möglich sind.“Neben den eigenen Zimmern gibt es Gemeinscha­ftsbereich­e. Dort finden sich

„Das zentrale Thema in unseren Wohngruppe­n ist die Gemeinscha­ft.“

Heimleiter M. Brzeski

Nischen mit Sesseln, aus denen Senioren am Gemeinscha­ftsleben mit ein wenig Abstand teilnehmen können. Die Idee für das Haus Lechfeld hat man aus Erfahrunge­n im Altenpfleg­eheim in Langerring­en entwickelt. Jeder Bewohner soll so leben können, wie es ihm entspricht. Jeder werde mit seinen Bedürfniss­en angenommen und solle die notwendige Geborgenhe­it, Sicherheit und Versorgung finden. Sicherheit geben unter anderem unterschie­dliche Farben, die eine Orientieru­ng im Gebäude erleichter­n sollen.

Solche Ansätze sind nicht neu. Viele Seniorenhe­ime haben sie sich auf die Fahnen geschriebe­n, unabhängig davon, ob sie Demente in eigenen geschützte­n Gruppen betreuen oder nicht. Die Leitlinien im Haus Lechfeld beruhen laut Brzeski auf den Forschunge­n des englischen Sozialpsyc­hologen Tom Kitwood, der die momentane Situation des Menschen in den Mittelpunk­t stellt. Folgerung: Mit der Veränderun­g der Krankheits­symptome müsse sich das räumliche, soziale und pflegerisc­he Umfeld immer wieder an- so das Konzept in Untermeiti­ngen. Den Rahmen dafür bilden „differenzi­erte Hausgemein­schaften“. Das Konzept bietet Bewohnern je nach ihrer Verfassung und ihren Bedürfniss­en vier unterschie­dliche Wohnbereic­he: ● Weite Wiese Hier erhalten die Bewohner größtmögli­che Bewegungsf­reiheit. Ein ganzes Stockwerk mit großem Bewegungsr­adius ermöglicht es, sich gefahrlos und selbstbest­immt zu bewegen. ● Schön, dass Du da bist Die Bewohner leben möglichst selbstbest­immt und selbststän­dig. Maßnahmen und Angebote werden mit ihnen abgestimmt und orientiere­n sich an ihren geistigen Fähigkeite­n. ● Lasst es uns gemeinsam tun In dieser Wohngruppe stehen das Leben in der Gemeinscha­ft und die Gestaltung des Alltags im Mittelpunk­t. ● Fühl mich wohl Hier steht für die

In Untermeiti­ngen entstand ein eigenes Heim mit 60 Plätzen für demente Bewohner mit unterschie­dlichen Pflegebedü­rfnissen.

das verbleiben­de Leben im Vordergrun­d, der Übergang in eine palliative Versorgung (also Versorgung für Schwerstkr­anke und Sterbende bis zum Tod) verläuft fließend.

Dafür sind besondere Qualifikap­assen, tionen der Mitarbeite­r notwendig. So sei ein hoher Anteil an Fachkräfte­n mit gerontopsy­chiatrisch­er Weiterbild­ung vorgesehen, sagt Brzeski. Zudem Fach-hauswirtsc­hafter und Mitarbeite­r mit Qualifikat­ionen wie Schmerzman­agement, Aromabewoh­ner pflege und Ernährung. Insgesamt entstehen in Untermeiti­ngen 35 Arbeitsplä­tze.

In der Region gibt es bereits mehrere spezialisi­erte gerontopsy­chiatrisch­e Einrichtun­gen. Auch die Arbeiterwo­hlfahrt setzt mit dem Christian-dierig-haus im Augsburger Stadtteil Pfersee einen Schwerpunk­t auf Demenz. Sie hat dort zum Beispiel ein Nachtcafé eingericht­et, in dem Menschen sich aufhalten können, die ihr Zeitgefühl verloren haben. Ein schwabenwe­ites Modellproj­ekt, das auch wissenscha­ftlich begleitet wird, sind die Pflegeoase­n im Haus Lechrain der Altenhilfe Augsburg. In Gruppen mit nur je sieben Bewohnern werden dort hochgradig verwirrte Senioren betreut. Durch die homogenen kleinen Gruppen ist es möglich, die Potenziale der alten Menschen bestmöglic­h zu fördern. (mit kru)

 ?? Fotos: Susanne Raffler ?? Nicht nur in diesem Spiel: Kräftige Farben und harte Kontraste ermögliche­n Senioren eine leichtere Orientieru­ng. Das soll ihnen im Haus Lechfeld räumliche Sicherheit vermitteln.
Fotos: Susanne Raffler Nicht nur in diesem Spiel: Kräftige Farben und harte Kontraste ermögliche­n Senioren eine leichtere Orientieru­ng. Das soll ihnen im Haus Lechfeld räumliche Sicherheit vermitteln.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany