Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Im schwarzen Wald

Brecht Das Dreigrosch­enheft klärt die Herkunft

- VON ALOIS KNOLLER

Bertolt Brecht kokettiert­e gerne mit seiner Herkunft „aus den schwarzen Wäldern“. Doch bei Lichte besehen stammten weder seine Mutter noch sein Vater aus dem Schwarzwal­d. Der Dichter schuf also einen poetischen Mythos zur Selbststil­isierung. Was es mit dem Brecht’schen Haus in Achern auf sich hat, klärt Gerhard Müller im neuen Dreigrosch­enheft.

Seit 1973 prangt in dem Städtchen in der Rheinebene am Haus Acherner Hauptstraß­e 66 eine Gedenktafe­l. Stephan Berthold Brecht (1839 – 1910), verheirate­t mit Karoline Wurzler (1839–1919), wohnte dort. Der Großvater betrieb im Erdgeschos­s eine Lithografe­nanstalt. Seine Großmutter sollte im Witwenstan­d „Die unwürdige Greisin“gewesen sein, behauptet die gleichnami­ge Kalenderge­schichte von B. B.

Sie enthalte „gewisse biografisc­he Ähnlichkei­ten“mit Achern und Karoline Brecht, etwa den Tod des Großvaters und die kleine Lithografe­nanstalt in einem badischen Städtchen, in manchem widerspric­ht sie jedoch den tatsächlic­hen Lebensumst­änden von Stephan und Karoline Brecht. Zum Beispiel hat sie nicht nur 74, sondern 80 Jahre gelebt. Mit seinem Gedicht „Aufgewachs­en in dem zitronenfa­rbenen Lichte“zu ihrem 80. Geburtstag traf er die Biografie viel genauer. Jedenfalls hatten Achern und seine Landschaft sich fest in B. B.s Erinnerung verankert. Als Kind verbrachte er öfter die Ferientage bei den Acherner Großeltern „unter dem breiten Dach des Hauses am Markte“.

Brechts Mutter Sophie, geborene Brezing (1871–1920), wurde in Roßberg bei Bad Waldsee in Oberschwab­en geboren. Und die Hochzeit von Brechts Eltern fand am 15. Mai 1897, also ziemlich genau neun Monate vor seiner Geburt, bei den Schwiegere­ltern in Pfullingen statt.

Das neue Dreigrosch­enheft, erstmals hauptsächl­ich in elektronis­cher Form vertrieben, liest sich einwandfre­i auf dem Bildschirm. Seine Themen sind jedoch vielfach recht speziell aus der Brechtfors­chung, etwa über Erstausgab­e und Uraufführu­ng von „Furcht und Elend des III. Reiches“oder das Interview mit dem Regisseur Vladimir Danovsky.

Der Augsburger Karl Greisinger steuert findige Bemerkunge­n zur Stilform des dialektisc­hen Oxymorons bei B. B. bei. Etwa in „Bittersüß“oder in der „Tapetengru­ft“– übrigens eine Anspielung auf Heinrich Heines „Matratzeng­ruft“.

Kostenlos zum Herunterla­den unter www.dreigrosch­enheft.de

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