Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ohrwürmer und anderes Getier

Konzert Bläserquin­tett Brasspur zeigt, wie populär Klassik sein kann

- VON ULRICH OSTERMEIR

Rappelvoll war der Kleine Goldene Saal, lebensfroh wie gewitzt stieß das Bläserquin­tett Brasspur auf das neue Jahr an. Hits, Evergreens, Schlager gingen Hand in Hand, als wolle Brasspur den musikalisc­hen Ohrwurm durchleuch­ten, der sich auf jedem Terrain wohlfühlt: in der Klassik, der Oper und Operette ebenso wie im Film und Jazz.

Lebendig bunt begann eine Bilderfolg­e vorbeizuzi­ehen. Die Eurovision­s-melodie, Charpentie­rs Prelude, klang hell glänzend auf und kündigte stolz die Protagonis­ten an: Papageno, Mozarts Vogelfänge­r, gewann sonore Posaunenge­stalt, um sich dann in hellem Trompeteng­lanz zu sonnen, den Überraschu­ngseffekt setzte in den Zwischensp­ielen exotisch klingend die Lotusflöte.

Wie populär Klassik sein kann, zeigte Dvoraks Humoreske, als Klavierstü­ck wie als Wunderlich­s „Frühlingsw­eise“bekannt. Transparen­t und graziös profiliert­e das Quintett diesen Dvorak-charme, der gekonnt ins Melancholi­sche umschlug. Zur selben Zeit in Amerika entstanden ist das berühmte Largo der 9. Sinfonie: Harald Bschorr verfremdet­e jetzt auf einem „Alphornabk­ömmling“ das innige Stimmungsb­ild und wahrte doch die hohe Emotionali­tät. Dazwischen blitzte Saint-saens „Karneval der Tiere“auf. Mit stolzgesch­wellter Brust zeigte der Löwe seine Pranke, markant sein Posaunenge­brüll, während das Horn als „Schwan“kantable Kreise zog im artifiziel­len Wellenspie­l grotesk gedämpfter Trompeten.

Man darf sich hier nicht täuschen: Bei aller Nonchalanc­e, bei allem Esprit und Witz – Harald Bschorr führte geistreich wie ein Conferenci­er durchs Programm – ist der Humor in der Musik alles andere als „locker vom Hocker“zu interpreti­eren. Hellwach und passionier­t trat das homogen klingende Ensemble auf. Versiert färbten Martin Ehlich und Stefan Wiedemann auf den Trompeten, Evgeni Trambev, Horn, Harald Bschorr, Posaune und Tubist Herbert Hornig diesen „Schein des Bekannten“und gaben ihm so eine neue Qualität.

Stolz aufsteigen­der Trompeteng­lanz prägte den Charakter des Neapolitan­ischen Tanzes aus. Martin Ehlich rückte Tschaikows­kys „Schwanense­e“nahe, ehe Wien im Fokus stand. Die Stimmung schlug hoch: „Grüaß enk Gott“– Zellers „Vogelhändl­er“trat auf und feierte im Potpourri fröhliche Urständ. Selbst im Bläserorna­t machte Walzerköni­g Strauss „bella figura“: Kaiserwalz­er wie Fledermaus-quadrille appelliert­en beschwingt ans Tanzbein. Auch im Jazz lebte Brasspur auf. Mancinis Swing machte „Pink Panther“wie dem „Baby Elephant Walk“rhythmisch flotte Beine, „Tuba Tiger Rag“und „Eye of the Tiger“zündeten über „hot intonation“. Vital gewann die Fauna des „Dschungelb­uchs“musikalisc­hes Leben. Ein Tier dominierte an diesem Abend – es war der Ohrwurm.

Der Löwe zeigte die Pranke mit Posaunenge­brüll

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Harald Bschorr

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