Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Er hatte nicht das letzte Wort

Justiz Der Bundesgeri­chtshof hat ein Urteil wegen Anabolika-handels gekippt, denn der Angeklagte durfte davor nichts mehr sagen

- VON PETER RICHTER

Es ist vor Gericht wie in Stein gemeißelt: das letzte Wort. Das hat jeder Angeklagte, bevor am Ende einer Verhandlun­g ein oder mehrere Richter sich in ihr Kämmerlein zurückzieh­en, beraten und dann das Urteil verkünden.

Kann sein, ein Angeklagte­r ist der Meinung, sein Verteidige­r habe nicht alles gesagt, was seine Schuld in milderem Licht erscheinen lasse. Häufiger ist von ihm so oder ähnlich nur der schlichte Satz zu hören: „Ich bereue meine Tat“. Auch ein Versuch das Gericht gnädig zu stimmen. Nicht selten schließt sich ein Angeklagte­r wortlos den Ausführung­en seines Verteidige­rs an.

Immerhin, er hat noch einmal die Möglichkei­t bekommen, vor dem Urteil etwas Wichtiges dem Gericht mitzuteile­n. Nicht so in einem Prozess vor dem Landgerich­t München I. Sein Urteil vom März vorigen Jahres hat der Bundesgeri­chtshof in diesen Tagen gekippt. Der Prozess muss, weil einem Mandanten des Augsburger Strafverte­idigers Michael Weiss das letzte Wort verwehrt worden ist, wiederholt werden.

Angeklagt war der Verkauf von Anabolika in Fitnessstu­dios. Nach sechs Verhandlun­gstagen war, so schien es, alles von allen gesagt. Bis eben auf das letzte Wort. Zwei Stunden später verkündete Richter Anton Winkler das Urteil. Die fünf auf der Anklageban­k sitzenden Männer, Handlanger bei dem Geschäft mit Wachstumsh­ormonen, wurden zu Haft- oder Bewährungs­strafen verurteilt.

Was verwundert: Niemandem im Gerichtssa­al ist etwas aufgefalle­n. Den zwei Richtern nicht, den Schöffen, dem Staatsanwa­lt und auch der Protokollf­ührerin nicht. Rechtsanwa­lt Weiss und zwei weitere Verteidige­r hatten wegen des Formfehler­s den Bundesgeri­chtshof angerufen. Denn Anwalt Michael Weiss schließt nicht aus, dass die Strafe für seinen Mandanten, hätte er sich noch einmal erklären können, niedriger ausgefalle­n wäre. Dem stimmten die Karlsruher Richter zu. Gleichwohl steht auch für den Ersten Strafsenat am Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe die Schuld der Angeklagte­n fest.

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