Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Er hatte nicht das letzte Wort
Justiz Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil wegen Anabolika-handels gekippt, denn der Angeklagte durfte davor nichts mehr sagen
Es ist vor Gericht wie in Stein gemeißelt: das letzte Wort. Das hat jeder Angeklagte, bevor am Ende einer Verhandlung ein oder mehrere Richter sich in ihr Kämmerlein zurückziehen, beraten und dann das Urteil verkünden.
Kann sein, ein Angeklagter ist der Meinung, sein Verteidiger habe nicht alles gesagt, was seine Schuld in milderem Licht erscheinen lasse. Häufiger ist von ihm so oder ähnlich nur der schlichte Satz zu hören: „Ich bereue meine Tat“. Auch ein Versuch das Gericht gnädig zu stimmen. Nicht selten schließt sich ein Angeklagter wortlos den Ausführungen seines Verteidigers an.
Immerhin, er hat noch einmal die Möglichkeit bekommen, vor dem Urteil etwas Wichtiges dem Gericht mitzuteilen. Nicht so in einem Prozess vor dem Landgericht München I. Sein Urteil vom März vorigen Jahres hat der Bundesgerichtshof in diesen Tagen gekippt. Der Prozess muss, weil einem Mandanten des Augsburger Strafverteidigers Michael Weiss das letzte Wort verwehrt worden ist, wiederholt werden.
Angeklagt war der Verkauf von Anabolika in Fitnessstudios. Nach sechs Verhandlungstagen war, so schien es, alles von allen gesagt. Bis eben auf das letzte Wort. Zwei Stunden später verkündete Richter Anton Winkler das Urteil. Die fünf auf der Anklagebank sitzenden Männer, Handlanger bei dem Geschäft mit Wachstumshormonen, wurden zu Haft- oder Bewährungsstrafen verurteilt.
Was verwundert: Niemandem im Gerichtssaal ist etwas aufgefallen. Den zwei Richtern nicht, den Schöffen, dem Staatsanwalt und auch der Protokollführerin nicht. Rechtsanwalt Weiss und zwei weitere Verteidiger hatten wegen des Formfehlers den Bundesgerichtshof angerufen. Denn Anwalt Michael Weiss schließt nicht aus, dass die Strafe für seinen Mandanten, hätte er sich noch einmal erklären können, niedriger ausgefallen wäre. Dem stimmten die Karlsruher Richter zu. Gleichwohl steht auch für den Ersten Strafsenat am Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Schuld der Angeklagten fest.