Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jeder zehnte Augsburger nutzt die Stadtbüche­rei

Bildung Die Zentrale boomt, seit sie 2009 an den Reuter-platz zog. Dafür muss sie sich anpassen: Es gibt E-ausleihe, Angebote für Flüchtling­e und Kinder, die noch gar nicht lesen können. Und manchmal muss es auch laut werden

- VON UTE KROGULL

Gertrud Küffer ist unter den Kunden der Stadtbüche­rei, was „Die Schatzinse­l“in der Literatur ist: ein Klassiker. Sie kam schon, als die Kinder klein waren, damals noch in die Gutenbergs­traße. Jetzt kommt sie immer noch, sucht vor allem nach „Herz-schmerz-romanen zum Abschalten“. So viel Treue wird belohnt. Diese Woche gab es einen Blumenstra­uß, weil die Lehrerin die dreimillio­nste Besucherin seit dem Umzug an den Ernst-reuter-platz im Juni 2009 ist. Umgerechne­t sind das 460000 Besucher im Jahr – hinzu kommen die der vier Stadtteil-filialen. 40 000 Kunden hat Büchereile­iter Manfred Lutzenberg­er in seiner Kartei, davon 26000 aktive Nutzer, die mindestens einmal im Jahr etwas ausleihen. Das ist etwa jeder zehnte Augsburger. Viele Stammkunde­n kennt er persönlich; sie kommen jeden Tag. Doch Lutzenberg­er und Bildungsre­ferent Hermann Köhler ist wich- dass das Haus mehr ist als ein ruhiger Ort mit vielen Büchern. Lutzenberg­er fing 1984 in der Gutenbergs­traße an. „Damals hat man abgewartet, dass die Leute kommen.“Das ist vorbei. Die Bücherei müsse um Kunden für ihre 250 000 Medien werben.

1400 Veranstalt­ungen locken die Menschen jährlich in Zentrale und Zweigstell­en. Kinder können basteln, Jugendlich­e zum Comic-tag kommen, Erwachsene Vorträge anhören. Nach dem ersten Boom auf- grund des Standortwe­chsels sorgte vor allem die E-ausleihe für einen erweiterte­n Nutzerkrei­s. Um Anfängern das etwas komplizier­te Verfahren zu vermitteln, gibt es Infoabende. Digital steht auch der Press-reader mit 4000 Zeitungen und Magazinen aus 60 Ländern zur Verfügung. Und, was wenige wissen: Augsburg bietet Schwabens einzige Musikbüche­rei mit 40 000 Medien von klassische­n Noten bis zu POP-CD. „Wenn wir neue Leser gewinnen wollen, müssen wir unser Portfolio breit streuen und uns Partner suchen“, sagt Lutzenberg­er.

Man setzt vor allem auf Schulen. Dort werden Leseinseln eingericht­et, die mit der Bibliothek kooperiere­n. Und wenn die Klassen zu Besuch kommen, darf es ruhig auch mal laut werden. 250 Lesepaten unterstütz­en die Leseförder­ung. Demnächst soll in der Gögginger Filiale ein Projekt für Familien mit Kleinkinde­rn starten, die spielerisc­h an Sprache herangefüh­rt werden. Sprachförd­erung für Migrantent­ig, aber auch für deutsche Kinder liegt Bildungsre­ferent Köhler sehr am Herzen; ein Projekt in Zusammenar­beit mit Kindertage­sstätten wird daher entwickelt.

Das sind Punkte, die auch der Stadtrat der Einrichtun­g im Rahmen des Bibliothek­skonzepts mit auf den Weg gegeben hat, ebenso wie die Erweiterun­g der Öffnungsze­iten in den Zweigstell­en, die bereits umgesetzt oder in absehbarer Zeit geplant ist.

Um das bewältigen zu können, erhielt die Einrichtun­g fast vier Planstelle­n mehr. Der Anschaffun­gsetat wurde auf 400 000 Euro jährlich verdoppelt. Der Freundeskr­eis sammelt zusätzlich 25 000 Euro Spenden. 70 Ehrenamtli­che helfen in der Zentrale mit, zum Beispiel beim Sortieren von Medien. Im Herbst soll dann der neue, 500000 Euro teure Bücherbus bereit stehen.

Ein Wermutstro­pfen auf die Bemühungen ist die Baustelle für den benachbart­en Drogeriema­rkt, die den Zugang unattrakti­v macht. Köhler geht davon aus, dass diese Phase im März beendet ist. Gelitten hat darunter vor allem das neue Lokal „Orangerie“. Ob es aber auch daran lag, dass vergangene­s Jahr etwas weniger Besucher kamen, oder an der steigenden E-ausleihe oder dem heißen Sommer, weiß Lutzenberg­er nicht. Allerdings litten auch andere Großstadtb­üchereien 2015 unter einer Flaute.

Diese soll nicht von Dauer sein. Die Bibliothek müsse auf den Wandel in der Bevölkerun­gszusammen­setzung reagieren, sagt Köhler. Daher gibt es jetzt Angebote für Asylbewerb­er: Bücher, um Deutsch zu lernen, und Material für Lehrer der Übergangsk­lassen. Helferkrei­se organisier­en Führungen für Flüchtling­e; einige haben schon Bibliothek­sausweise beantragt. Wie Hartz-ivempfänge­r zahlen sie nur einen Euro im Monat. Es hat sich viel getan – einen Wunschtrau­m erlaubt sich Lutzenberg­er trotzdem noch: Ein Lesegarten auf dem Dach, das wäre doch schön ... »Kommentar

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Hundeklo

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