Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Bald hat jeder das „Recht auf Vergessen“
Gesellschaft Nach langem Ringen beschließt EU eine grundlegende Reform: Die neue Datenschutz-richtlinie sieht harte Bandagen für Internet-riesen wie Google, Facebook & Co. vor. Was bedeutet sie für die normalen Verbraucher? Kommentar
Brüssel Es ist ein Datenschutz-paket mit vielen neuen Rechten für Verbraucher. Wenn die Einigung des Europäischen Parlamentes spätestens 2018 in Kraft tritt, müssen sich alle Anbieter im Internet umstellen, denn ihre Kunden bekommen neue Möglichkeiten, um sich gegen Datenklau und dubiose Geschäftspraktiken zur Wehr zu setzen. Das sind die wichtigsten Punkte: Die neue Datenschutz-grundverordnung gilt für die ganze EU. Müssen sich auch internationale Internet-anbieter daran halten? Bisher konnten sich Anbieter damit rausreden, dass ihre Rechner auf den Fidschi-inseln oder auf irgendeinem abgelegenen Atoll stehen. Das ist künftig nicht mehr möglich. Wenn sie ihre Inhalte auch in der EU anbieten, gilt für sie das europäische Datenschutz-recht mit allen Regeln für den Verbraucherschutz.
Was kann ich denn tun, wenn ich mich beschweren oder Ansprüche geltend machen möchte? Jeder Eu-mitgliedstaat muss eine Meldestelle einrichten. Die Mitarbeiter sind für alle Probleme im Netz zuständig – egal, ob es um einen deutschen oder amerikanischen Internet-dienst geht. In Deutschland könnte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) dazu aufgerüstet werden.
Wie kann ich erreichen, dass meine persönlichen Daten im Netz gelöscht werden? Das „Recht auf Vergessen“wird nun erstmals geregelt. Jeder Nutzer kann Unternehmen wie Facebook, Google oder Apple auffordern, seine persönlichen Angaben zu löschen. Dazu reicht ein formloser Brief. Die Firmen sind verpflichtet, persönliche Informationen zu tilgen. Es reicht nicht, sie nur zu verstecken.
Bisher ist es üblich, dass Anbieter von Software oder Apps einen VON DETLEF DREWES dr@augsburger-allgemeine.de Download nur ermöglichen, wenn man dafür umfangreiche persönliche Informationen preisgibt. Was soll sich an dieser Praxis ändern? Die Datenschutz-grundverordnung der EU erlaubt diese Praxis nicht mehr. Wer eine App verkaufen will, braucht keinen Zugriff auf das persönliche Adressbuch. Sollte ein Unternehmen tatsächlich persönliche Daten weiterverarbeiten wollen, ist dazu eine ausdrückliche Zustimmung des Users nötig.
Kommt die umstrittene gesetzliche Altersgrenze für Facebook? Jeder Nutzer muss künftig der Verwendung seiner Daten zustimmen. Diese rechtsverbindliche Erklärung kann ein unter 16-Jähriger aber nicht selbst abgeben, er braucht dazu die Einwilligung seiner Eltern oder Erziehungsberechtigten. Das läuft de facto auf eine untere Altersgrenze von 16 Jahren hinaus.
Fast kein Mensch liest umfangreiche Nutzungsbedingungen wirklich, bevor er sein Häkchen setzt. Hilft hier die neue Richtlinie? An diesem Punkt müssen Anbieter künftig nachbessern: Statt komplizierter juristischer Texte muss es künftig eingängige Symbole geben, die sofort erkennen lassen, um was es geht. Wer Informationen der Nutzer weiterverarbeiten will, muss zudem genau angeben, was mit den Daten geschieht.
Was passiert, wenn sich Unternehmen nicht an die Regeln halten? Die EU droht für diesen Fall zum Teil drastische Strafen an: Sie können bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens erreichen. Um ein Beispiel zu nennen: Sollte Google die europäischen Bestimmungen nicht einhalten, könnte ein Bußgeld von bis zu 2,4 Milliarden Euro fällig werden. Bei dieser Berechnung wurde der Jahresumsatz 2014 in Höhe von 59 Milliarden Euro zugrundegelegt. Die Regeln treten 2018 in Kraft und lösen die alten Standards von 1995 ab.