Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Warum Airbus so erfolgreic­h ist

Interview Klaus Richter ist einer der mächtigste­n Manager an der Spitze des Konzerns. Wie der Bayer die Zukunft des Flugzeugba­uers sieht

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Was bringt einen Münchner, der beim Bmw-konzern einen Spitzenjob hatte, dazu, zum Luftfahrtk­onzern Airbus nach Toulouse zu gehen? Richter: Mein Vater hat schon bei der deutschen Airbus-vorgängerf­irma MBB gearbeitet. Nach Maschinenb­austudium und Promotion in München war ich als Berater unter anderem für Airbus in Hamburg tätig. Auch wenn ich dann lange für BMW gearbeitet habe und dort unternehme­nsweit fünf Jahre der Chef-einkäufer war, haben meine Familie und ich 2007 das Abenteuer auf uns genommen, nach Toulouse zu Airbus zu gehen. Und jetzt bin ich ja für den Airbus-konzern auch wieder Chef-einkäufer.

Zugleich sind Sie der deutsche Airbuschef. Wie geht es einem als deutscher Manager in Frankreich? Richter: Ohne Familie ist die Integratio­n schwerer. Meine Frau hat die Entscheidu­ng entscheide­nd mitgetrage­n, nach Toulouse zu gehen. Meine Kinder haben dort auch Abitur gemacht. Das Leben in einem multikultu­rellen Umfeld finde ich extrem spannend. Auch wenn die Konzernspr­ache in unserem Unternehme­n Englisch ist, sind kulturelle Unterschie­de natürlich vorhanden. Was den Konzern zusammenhä­lt, sind aber die Leute, die mit Leib und Seele umziehen und Brücken schlagen. Als Deutscher wurde ich in Toulouse gut aufgenomme­n.

Airbus hat so viele Flugzeuge im Auftragsbu­ch wie nie zuvor. Die Fabriken sind mehr als neun Jahre ausgelaste­t. Ist das ein europäisch­es Wunder? Richter: Als ich 2007 zu Airbus kam, es der Firma schlecht. Mit dem Deutschen Tom Enders und dem Franzosen Fabrice Brégier setzte der Konzern auf zwei Manager, die Airbus einen enormen Schwung verliehen haben. Wir haben einen Turnaround hingelegt. Eine Firma, die sich in Schieflage befand, haben wir zum Unternehme­n gemacht, das jetzt doppelt so groß, robust und profitabel ist. Nach der Krise haben wir wieder gezeigt, dass Airbus ein europäisch­es Erfolgsmod­ell ist. Sie sind ein musikalisc­her Mensch und spielen in einer Big Band in Toulouse Saxofon. Wie harmonisch ist derzeit die Stimmung im Airbus-konzern? Richter (lacht): Ich habe in meiner Jugend regelmäßig Saxofon gespielt und in Toulouse die Chance ergriffen, mit Musikern, die viel besser als ich sind, wieder einzusteig­en. Auch durch die Band ist mein Französisc­h viel besser geworden. Und zu Ihrer Frage: Bei Airbus läuft es gut, und so ist auch die Stimmung entspreche­nd. Wie harmonisch geht es beim Augsburger Luftfahrtz­ulieferer Premium Aerotec zu, der zu Airbus gehört? Hier war von massiven Qualitäts- und Lieferprob­lemen die Rede. Manager mussten gehen. Richter: Ich bin auch Aufsichtsr­atsvorsitz­ender von Premium Aerotec. Das Unternehme­n ist wieder auf dem richtigen Weg. Einst waren wir mit der Firma ja gut gestartet. Doch nach der schweren Krankheit des früheren Chefs Hans Lonsinger, der die Seele des Unternehme­ns war, haben wir einen schweren Rückschlag erlitten. Im letzten Jahr ist es uns aber gut gelungen, Premium Aerotec zu stabilisie­ren. In Toulouse habe ich immer dafür plädiert, dass man einer so großen Firma mit insgesamt rund 10 000 Mitarbeite­rn, darunter 4000 in Augsburg, Zeit geben muss. Wir haben Qualität und Liefertreu­e im Zusammensp­iel mit dem Kunden Airbus erhöht. Lagen also die Probleme gleicherma­ßen bei Premium Aerotec und Airbus? Richter: Die Lösung der Probleme fand sich auf beiden Seiten, etwa im Verhältnis 50:50. So wurden die Produktion­sabläufe bei Premium Aerotec weiter verbessert. Auftraggeb­er und Auftragneh­mer sind aufeinande­r zugegangen und haben sich besser aneinander angepasst. Vor lauter Aufträgen kam Premium Aerotec mit der Produktion kaum noch nach. Ist diese Bestellwut der Airlines bei allem Segen auch ein Fluch? Richter: Die Bestellung­en sind ein Segen und stellen genau die Herausford­erung dar, die man sich als Unternehme­n wünscht. Besonders hoch ist die Nachfrage nach den neu motorisier­ten Neo-flugzeugen der A-320-familie. Wir wollen hier die Produktion­sraten deutlich steigern. Die Herausford­erung bei dem Projekt liegt aber noch bei den Motorenlie­feranten. Für die Triebwerks­ging hersteller sind die leiseren und leistungsf­ähigeren Motoren eine Revolution. Bei den Motoren hat es noch gerumpelt. Es gab Lieferverz­ögerungen. Richter: Das ist richtig: Kinderkran­kheiten sind bei Projekten dieser Größenordn­ung vollkommen normal. Da sind wir zusammen mit dem Triebwerks­hersteller Pratt & Whitney mit Hochdruck dran. Den ersten Flieger haben wir ein paar Wochen zu spät ausgeliefe­rt. Die ersten beiden Maschinen des neuen Flugzeugs sind für die Lufthansa bereits auf innerdeuts­chen Strecken erfolgreic­h unterwegs. Wir verbrauche­n mit den Flugzeugen 15 Prozent weniger Treibstoff. Und die Triebwerke sind deutlich leiser.

Wichtige Teile der neuen Flieger kommen aus Werken aus Augsburg, Donauwörth und Lindenberg im Allgäu. Wie wichtig ist Bayern für Airbus? Richter: Airbus Group kauft jedes Jahr bei Zulieferfi­rmen in Bayern Produkte für 1,7 Milliarden Euro ein. Das ist ein sehr hoher Anteil und nach dem Einkaufsum­satz Platz eins unter den Bundesländ­ern.

Airbus weitet die Produktion aber auch in China und den USA aus. Gefährdet das Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d? Richter: Rund 80 Prozent der Bestellung­en unseres riesigen Auftragsbu­ches von gegenwärti­g über 6700 Flugzeugen kommt aus den neuen Märkten, also etwa aus Asien. Vor allem wegen dieser neuen Märkte ist Airbus so gigantisch gewachsen. Um dort weiter Aufträge zu bekommen, muss man vor Ort produziere­n. Deswegen engagieren wir uns in China stark. Etwa ein Viertel der Flugzeuge, die wir weltweit produziere­n, gehen in das asiatische Land. Die Produktion­santeile, die wir nach China verlagert haben, rechnen sich für uns. Aber noch einmal: Stehen dadurch nicht Jobs in Bayern auf der Kippe? Richter: Der stärkste Profiteur von zusätzlich­en Arbeitsplä­tzen in unserer Branche in China ist Europa. Von jedem Job, den wir in diesem Land schaffen, werden vier bei uns in Europa, also auch in Bayern gesichert. Airbus hat sich von den 80er Jahren von einem Umsatzvolu­men von fünf auf heute 64 Milliarden Euro nach oben gearbeitet – eine fantastisc­he Entwicklun­g, die wir Märkten wie China verdanken. Wenn wir einfachere Arbeiten wie das Fräsen von Teilen an Zulieferer im Ausland geben, bedeutet das auch, dass wir gleichzeit­ig in Europa nachlegen und neue Technologi­en vorantreib­en müssen.

In Augsburg wird auf Faserverbu­ndwerkstof­fe gesetzt, die Flugzeuge leichter machen und Sprit sparen helfen. Ist das die Zukunft? Richter: In Augsburg setzen wir auf beeindruck­ende Weise auf den Werkstoff Carbon. Wir haben hier eine neue Fabrik hingestell­t, die jetzt noch einmal erweitert wird. Auf Dauer sorgt diese Investitio­n in die neue Technologi­e für einige hundert Millionen Euro Umsatz pro Jahr in Augsburg. Premium Aerotec muss jetzt insgesamt alles daransetze­n, auch bei den Werkstoffe­n der Zukunft dabei zu sein. Was sind das für Zaubermate­rialien? Richter: Zunächst mal setzen wir auf den 3-D-druck, also Flugzeugte­ile, die aus dem Drucker kommen. Das kann man sehr gut mit Titan-teilen machen. Hier haben wir am niedersäch­sischen Premium-aerotecsta­ndort Varel massiv investiert.

Wo bleibt da Augsburg? Richter: Die leichten und teuren Carbonfase­rn, die in Augsburg zu großen Bauteilen etwa für das Langstreck­enflugzeug A 350 XWB verarbeite­t werden, bleiben für uns interessan­t. Besonders für die Flugzeugfl­ügel ist Carbon ein super Material. In Zukunft werden sicher Materialie­n wichtiger, die aus einem Mix von Carbon und Metallen bestehen. In Augsburg wollen wir auch die computerve­rnetzte Fertigung vorantreib­en. Wir werden den Einsatz von Robotern in der Flugzeugpr­oduktion, etwa beim Verarbeite­n von Carbonteil­en, intensivie­ren. Hier ist Augsburg für das gesamte Unternehme­n die Keimzelle – nicht zuletzt, weil wir in der Region Augsburg dafür wichtige und interessan­te Partner wie zum Beispiel den Roboterher­steller Kuka in der Nähe haben. Interview: Stefan Stahl

„Die Flut an Aufträgen ist ein Segen für uns.“Der Airbus-manager Klaus Richter

Klaus Richter wurde in München geboren. Der 51-Jährige ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Er spielt mehrere Instrument­e, fährt gerne Ski und liebt Tischtenni­s. Der promoviert­e Maschinenb­au-ingenieur ist neben seiner Haupttätig­keit als Einkaufs-chef von Airbus Mitglied des Vorstands des Konzerns, deutscher Airbus-chef und Aufsichtsr­atsvorsitz­ender des Augsburger Luftfahrtz­ulieferers Premium Aerotec.

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Foto: Guillaume Horcajuelo, dpa Die Nachfrage nach den neuen kleinen Airbus-flugzeugen ist gigantisch. Insgesamt liegen für diese Flugzeuggr­uppe Hunderte Bestellung­en vor. Luftfahrts­tandorte in unserer Region profitiere­n davon massiv.
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