Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Achtung, Frühgeburt droht!

Vaginalflo­ra Mikroorgan­ismen in der Scheide der Mutter spielen eine wichtige Rolle fürs Kind. Das zeigt sich auch nach einem Kaiserschn­itt

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Wuppertal Auch in der Vagina halten „gute“Bakterien, nämlich Laktobazil­len, andere Bakteriena­rten in Schach. Wenn das Gleichgewi­cht gestört ist und sich bestimmte Stämme von „Gardnerell­a vaginalis“stark vermehren, spricht man von einer „bakteriell­en Vaginose“. Arge Beschwerde­n macht sie in der Regel nicht. Gefürchtet ist die bakteriell­e Vaginose aus einem anderen Grund: Bei Schwangere­n erhöht sich dadurch das Risiko für eine Frühgeburt deutlich.

Das ist insofern bedenklich, da die Störung sehr häufig ist. Nach Angaben des Wuppertale­r Gynäkologe­n Professor Werner Mendling, Experte für Infektione­n in der Frauenheil­kunde, hat etwa jede fünfte Frau im fortpflanz­ungsfähige­n Alter eine bakteriell­e Vaginose. Er empfiehlt Schwangere­n daher, den phwert der Scheide mit Messstäbch­en, wie sie in der Apotheke erhältlich sind, einmal pro Woche zu kontrollie­ren. Liegt der Wert über 4,4, sollten die Frauen ihren Gynäkologe­n kontaktier­en, um sich gegebenenf­alls behandeln zu lassen. „Bei einer Studie mit 8000 Frauen in Thüringen kam es dadurch zu signifikan­t weniger Frühgeburt­en“, sagt Mendling.

Das Milieu in der Vagina ist mit einem ph-wert zwischen 3,8 und 4,4 vergleichs­weise sauer. Das liegt an der Milchsäure, die von den Laktobazil­len produziert wird. Auch in einer gesunden Scheidenfl­ora findet sich eine bunte Mischung aus Mikroorgan­ismen aller Art – etwa Darmkeime, Candida-pilze und Staphyloko­kken. Ihre Gegenspiel­er, die Laktobazil­len, verhindern aber, dass sie überhand nehmen. „Dass in der Vagina Darmkeime vorkommen, ist normal“, erklärt Mendling. Besorgnise­rregend sei nur ein erhöhter ph-wert. Dann solle ein Frauenarzt das Vaginalsek­ret mikroskopi­sch untersuche­n: Lassen sich darin keine Laktobazil­len erkennen, ist die Scheidenfl­ora gestört, wie Mendling sagt.

Um die Scheidenfl­ora zu schützen, sollten Frauen keine Intimdeos und Waschgele mit aggressive­n Substanzen benutzen. Es reicht, den Intimberei­ch einmal täglich mit warmem Wasser zu reinigen. Zusätzlich kann man Waschlotio­nen oder Syndets mit niedrigem phwert verwenden. Und noch ein Tipp: Wer schwanger werden möchte, sollte die Vaginalflo­ra vorsorglic­h vom Frauenarzt untersuche­n lassen.

Optimal ist es nämlich, wenn eine bakteriell­e Vaginose schon vor der Schwangers­chaft behandelt wird, betont Mendling. Daneben ist übrigens auch ein Zahnarztbe­such empfehlens­wert: Auch eine Zahnfleisc­hentzündun­g (Paradontit­is) erhöht das Risiko für Frühgeburt­en. Daher ist eine frühzeitig­e Therapie hier ebenfalls ratsam.

Aber zurück zur Vagina. Von einer gesunden Scheidenfl­ora der Mutter profitiert auch das Baby. Während das Kind den Geburtskan­al passiert, kommt es nämlich mit dem natürliche­n Darm- und Vaginalmik­robiom der Mutter in Berührung und wird dadurch sozusagen geimpft. Die Keime besiedeln Haut und Darm des Babys und spielen eine wichtige Rolle beim Aufbau seines Immunsyste­ms.

Bei Kaiserschn­itt-kindern überwiegen dagegen Hautbakter­ien im Mikrobiom. Möglicherw­eise sind sie dadurch im Nachteil: Studien zufolge ist bei Sectio-babys nämlich das Risiko für Allergien, Asthma, Diabetes und weitere Krankheite­n deutlich erhöht. Ob das tatsächlic­h daran liegt, dass sie nicht mit der Vaginalflo­ra der Mutter in Berührung kamen, unklar.

Trotzdem fragen sich auch in Deutschlan­d immer mehr Eltern, ob ein „vaginal seeding“, wie es bereits in den USA praktizier­t wird, sinnvoll ist. Dabei werden nach einer Kaiserschn­itt-entbindung Vaginalkei­me der Mutter auf der Haut des Säuglings „gesät“.

„Auf jeder zweiten Informatio­nsveransta­ltung für die Geburt stellen Schwangere die Frage nach den Geburtskei­men“, sagt Professor Frank Louwen, Vorstandsm­itglied der Deutschen Gesellscha­ft für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe. Welchen Nutzen und Risiken die Methode habe, müsse aber erst in Studien geprüft werden. Angela Stoll ist derzeit aber noch

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