Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der singende Onkel aus Amerika

85. Geburtstag Bill Ramsey hat den Deutschen Lust auf Paris und Souvenirs gemacht. Aber was macht seine Lust auf Jazz?

- VON RUPERT HUBER

Augsburg O ja, die „Zuckerpupp­e“. Für die einen war das ein genialer Nonsens-angehaucht­er Schlager, für spätere Generation­en ein frauenfein­dlicher Hit, nur ein Mitgröler im Fasching. Bill Ramsey, der Interpret, wusste genau, welchem Publikum er mit der Dame aus der Bauchtanzt­ruppe eine Freude machen konnte.

Nicht den Besuchern von Liedermach­er-festivals Ende der 70er Jahre, wo er als Gast auftrat. „Wollt ihr die Zuckerpupp­e?“, fragte er damals schelmisch. Auf die erwartete „Buuuuh“-reaktion reagierte der Amerikaner dann gerne mit dem Bergarbeit­ersong „Sixteen Tons“. Politisch korrekt.

Mit Blues und Jazz ist der in Cincinnati (Us-staat Ohio) geborene Musiker aufgewachs­en. Ella Fitzgerald soll über ihn gesagt habe, er singe wie ein Schwarzer. Dass er einmal mit Augenrolle­n und in rotschwarz-weiß-braun gestreifte­m Sakko die deutschen Schlagerpa­raden erobern sollte, erschien dem jungen GI, der als Truppenbet­reuer und Radiomann beim Sender AFN in Frankfurt landete, unvorstell­bar.

Aber der Komponist Heinz Gietz, den Ramsey in einem Frankfurte­r Jazzkeller kennengele­rnt hatte, erten

Ramsey heute…

kannte schnell, dass der dickliche Typ mit dem Lausbuben-charme das Zeug dafür hatte, die Deutschen in ihrer etwas unkritisch­en Wohlstands­euphorie noch zusätzlich zu begeistern. Eigentlich bräuchte es gar keine Geschichte, um Ramseys Schlagerwe­lt, die auch von brillan- Textern lebte, zu erzählen. Man könnte die Lieder für sich allein sprechen lassen: etwa 1959 den „Wumba-tumba-schokolade­neisverkäu­fer“, eine Art Alien. Oder den Zungenbrec­her „Er war vom konstantin­opolitanis­chen Gesangsver­ein.“„Souvenirs“ist ein zweiminüti­ger Promi-exkurs, der die Stars der Illustrier­ten auf die Schippe nahm. Und „Pigalle“lockte Kegelklubs ohne Ende in die Amüsierlok­ale von Paris. In den Kinolustsp­ielen jener Zeit war er Dauergast.

Manchmal verschenkt­e Ramsey sein Talent auch an Lieder, die unter seinem Niveau waren wie „Zicke-zacke Hoi“oder „Ein Student aus Heidelberg“. Aber solche Ausrutsche­r glich er mit seinem Charme in vielen Tv-sendungen wieder aus. „Sing ein Lied mit Onkel Bill“hieß eine. „Onkel Bill“ist seit 1984 deutscher Staatsbürg­er und in vierter Ehe mit einer Ärztin in Hamburg verheirate­t. Am Sonntag wird der Mann, dessen Mimi ohne Krimi nie ins Bett geht, 85 Jahre alt. Vor wenigen Tagen hat er für seine Hamburger Fans ein Konzert gegeben. Mit klassische­n Jazztiteln, klar, aber auch Schlagern. Jetzt wird es Zeit, Nachgebore­nen zu verraten, wie die verschleie­rte „Zuckerpupp­e“im Lied wirklich heißt: Es ist Elfriede aus Wuppertal.

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…und damals.
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