Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der singende Onkel aus Amerika
85. Geburtstag Bill Ramsey hat den Deutschen Lust auf Paris und Souvenirs gemacht. Aber was macht seine Lust auf Jazz?
Augsburg O ja, die „Zuckerpuppe“. Für die einen war das ein genialer Nonsens-angehauchter Schlager, für spätere Generationen ein frauenfeindlicher Hit, nur ein Mitgröler im Fasching. Bill Ramsey, der Interpret, wusste genau, welchem Publikum er mit der Dame aus der Bauchtanztruppe eine Freude machen konnte.
Nicht den Besuchern von Liedermacher-festivals Ende der 70er Jahre, wo er als Gast auftrat. „Wollt ihr die Zuckerpuppe?“, fragte er damals schelmisch. Auf die erwartete „Buuuuh“-reaktion reagierte der Amerikaner dann gerne mit dem Bergarbeitersong „Sixteen Tons“. Politisch korrekt.
Mit Blues und Jazz ist der in Cincinnati (Us-staat Ohio) geborene Musiker aufgewachsen. Ella Fitzgerald soll über ihn gesagt habe, er singe wie ein Schwarzer. Dass er einmal mit Augenrollen und in rotschwarz-weiß-braun gestreiftem Sakko die deutschen Schlagerparaden erobern sollte, erschien dem jungen GI, der als Truppenbetreuer und Radiomann beim Sender AFN in Frankfurt landete, unvorstellbar.
Aber der Komponist Heinz Gietz, den Ramsey in einem Frankfurter Jazzkeller kennengelernt hatte, erten
Ramsey heute…
kannte schnell, dass der dickliche Typ mit dem Lausbuben-charme das Zeug dafür hatte, die Deutschen in ihrer etwas unkritischen Wohlstandseuphorie noch zusätzlich zu begeistern. Eigentlich bräuchte es gar keine Geschichte, um Ramseys Schlagerwelt, die auch von brillan- Textern lebte, zu erzählen. Man könnte die Lieder für sich allein sprechen lassen: etwa 1959 den „Wumba-tumba-schokoladeneisverkäufer“, eine Art Alien. Oder den Zungenbrecher „Er war vom konstantinopolitanischen Gesangsverein.“„Souvenirs“ist ein zweiminütiger Promi-exkurs, der die Stars der Illustrierten auf die Schippe nahm. Und „Pigalle“lockte Kegelklubs ohne Ende in die Amüsierlokale von Paris. In den Kinolustspielen jener Zeit war er Dauergast.
Manchmal verschenkte Ramsey sein Talent auch an Lieder, die unter seinem Niveau waren wie „Zicke-zacke Hoi“oder „Ein Student aus Heidelberg“. Aber solche Ausrutscher glich er mit seinem Charme in vielen Tv-sendungen wieder aus. „Sing ein Lied mit Onkel Bill“hieß eine. „Onkel Bill“ist seit 1984 deutscher Staatsbürger und in vierter Ehe mit einer Ärztin in Hamburg verheiratet. Am Sonntag wird der Mann, dessen Mimi ohne Krimi nie ins Bett geht, 85 Jahre alt. Vor wenigen Tagen hat er für seine Hamburger Fans ein Konzert gegeben. Mit klassischen Jazztiteln, klar, aber auch Schlagern. Jetzt wird es Zeit, Nachgeborenen zu verraten, wie die verschleierte „Zuckerpuppe“im Lied wirklich heißt: Es ist Elfriede aus Wuppertal.