Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Darf Satire das?

Ein Pro und Contra zur Debatte über das Erdogan-„schmähgedi­cht“des Fernsehsat­irikers

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breiten Masse orientiert­e, wäre wohl keine mehr. Satire wird deswegen immer mal bei einem, mal bei vielen Empörung auslösen, Satire wird deswegen nie allen gefallen – aber das ist ja gerade nicht ihre Aufgabe, sondern wäre eher ihre Selbstaufg­abe.

Satire wird deswegen schier zwangsläuf­ig immer wieder schmerzhaf­t an Grenzen gehen, manchmal diese auch überschrei­ten – und ob das im Fall Böhmermann passiert ist, ist eben nun Sache von Staatsanwa­ltschaft und Gericht. Eine wichtige Frage wird dort wohl sein, ob die Einbettung der eigentlich­en Schmähvers­e in einen satirische­n Kontext deutlich genug war – alleine, dass seit Tagen nur über die Deftigkeit der einzelnen Schimpfwör­ter diskutiert wird, lässt einen nicht nur daran zweifeln.

Doch wie auch immer die Sache nun ausgehen mag, eines ist damit natürlich nicht gesagt: ob Böhmermann­s Satire gelungen ist oder nicht. Noch einmal sei deswegen Kurt Tucholsky bemüht, der in seinem damaligen Text ja noch ein paar Worte mehr zum Wesen der Satire geschriebe­n hat – und dem Satiriker selbst als Warnung ins Stammbuch: „Nirgends verrät sich der Charakterl­ose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenlo­ser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den.“

Christian Imminger worden. Das hat übrigens Böhmermann vor dem Aufsagen seines Gedichts selbst vorausgesa­gt: Wahrschein­lich wird es gelöscht.

Böhmermann testet die Grenze, an der die Freiheit der Kunst und das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung enden. Das Ende beginnt, wo andere Rechte verletzt werden. Folgericht­ig kommen dann Gerichte ins Spiel. Mit Sicherheit hat Böhmermann die Schmähung nicht ernst gemeint. Nur findet sich jenseits der Beleidigun­gen keine zweite Ebene. Wenn dieses Schmähgedi­cht gerichtlic­h verboten werden sollte, muss niemand Angst haben, dass die Freiheit der Kunst und das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung hierzuland­e eingeschrä­nkt werden. Dann heißt das nur, dass Böhmermann zu einer Form von Satire gegriffen hat, die so plump und so simpel gestrickt ist, dass sie – auch juristisch – nicht mehr funktionie­rt.

Entlarvend ist, dass Mathias Döpfner, der Vorstandsv­orsitzende des Springer-verlags, Böhmermann zur Hilfe eilt und die Presseund Meinungsfr­eiheit hochhält. Das kommt von dem deutschen Verlag, der wie kein anderer Persönlich­keitsrecht­e verletzt hat. Dort gibt es ein sehr feines Gespür dafür, was nicht mehr erlaubt ist und trotzdem gebracht wird, um den größten Effekt auf Kosten Dritter zu erzielen. Richard Mayr

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