Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Picasso-bilder gestohlen aus Westlb-sammlung
Aus der Kunstsammlung der ehemaligen Westlb in Düsseldorf sind wertvolle Werke gestohlen worden. Unter anderem fehlten Lithographien der berühmten Stierserie von Pablo Picasso sowie ein Gemälde von Gabriele Münter, bestätigte ein Sprecher der Westlbnachfolgerin Portigon AG. Bereits um den Jahreswechsel 2014/15 hätten Mitarbeiter bemerkt, dass der Tresorraum für Kunst zu ungewöhnlichen Zeiten geöffnet worden war. Eine Prüfung ergab, dass Kunstobjekte fehlten. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, doch Anfang 2016 wurde das Verfahren eingestellt. „Die Ermittlungen haben zu keinem hinreichenden Tatverdacht gegen bestimmte Personen geführt“, sagte der Sprecher. (dpa) Köln Gegenüber der Ware Buch und ihrer uralten Messetradition (Frankfurt/leipzig) ist die Kunst als Messe-handelsobjekt noch ein Youngster – wenn auch einer im besten Alter: Zum 50. Mal findet soeben in Köln die Mutter aller Kunstmessen statt, die Art Cologne. Wie hat sie sich entwickelt! Wie hat sie ausgestrahlt in alle Welt, seit sie 1967 mit lediglich 17 Kojen und viel Us-popkunst in der Gürzenichhalle von ausschließlich deutschen Galeristen aus der Taufe gehoben wurde! Aus der einst im Wirtschaftswunderdeutschland gegeißelten Veranstaltung namens „Kölner Kunstmarkt“(„Jetzt wird auch noch die Kunst zu Markte getragen!“) ist nach viel Auf und wenig Ab ein internationales Millionengeschäft von zur Zeit mehr als 200 Galerien entstanden. Kurz nach der Jahrtausendwende schon mal abgeschrieben, ist sie wieder erstarkt – wodurch Kölns Oberbürgermeisterin Reker sich zur Eröffnung der Jubiläumsschau gar berechtigt fühlte, von einem „Weltereignis“zu sprechen. So hängt sich Köln gleichsam an Berlin an: Arm, aber sexy.
Nicht wenige der Galeristenstammgäste haben zwischenzeitlich Verantwortung auch in die Hände ihrer Söhne und Töchter gegeben – wozu auch der Münchner Galerist Raimund Thomas gehört. Er war von Anfang an und ununterbrochen in Köln dabei. 1967 hatte er, weil die Platzverhältnisse so beschränkt waren, zum ersten Kölner Kunstmarkt noch drei Filmprojektoren laufen, die im Minutentakt Bilder aus sei- nem Nachschub-lager zeigten. 2016 jetzt lässt er sich als frischgebackener Art-cologne-preisträger nicht lumpen: Der architektonisch schönste Messestand des gelernten Architekten präsentiert in einer Überblicksschau von lauter Kleinformaten einen Querschnitt vor allem deutscher Kunst im 20. Jahrhundert seit Kandinsky, Marc und Macke. Darunter ist etwa ein wunderschönes, auch farbfrisches Willibaumeister-gemälde für 194 000 Euro, darunter ist auch ein Marmor-steinschnitt des jungen bayerischen Künstlers Florian Ecker, vielleicht sogar mit 560 Euro das günstigste Unikat-werk dieser Messe, die andererseits auch 5,5 Millionen Euro für ein spätes Zirkusmotiv von Chagall verlangt.
Stellt man Raimund Thomas die Frage, ob er sich in den vergangenen 50 Jahren auch mal getäuscht habe bei seiner Künstlerwahl, so antwortet er nicht mit „nie!“oder mit „ab und zu“, sondern er antwortet souverän mit dem Wörtchen: „dauernd“. Und bohrt man dann nach, nennt er auch die Hauptgründe: Es passiere, dass der Galerist subjektiv angesprochen werde von einer Künstlerhandschrift, diese aber letztlich keine übergeordnete Wirkung besitze. Es passiere, dass der Galerist einsteige, kurz bevor es bergab gehe mit einem Künstler. Es passiere, dass der Galerist menschliche Sympathie für einen Künstler hege, wodurch auch dessen Kunst Sympathie zuwachse – nur leider ungerechtfertigt. Erfahrungen, die sich jeder Sammler merken darf!
Eine weitere bemerkenswerte Präsentation hat die Hamburger Ga- lerie Levy eingerichtet: Über die Kojenwände zieht sich ein schwarzes Band; darüber hängt ein Kunstwerk, darunter ein dazugehöriges Porträtfoto des Künstlers aus professioneller Hand. Das reicht von Horst Antes und Joseph Beuys bis hin zu Jorinde Voigt und Paul Wunderlich. Eindrucksvoll. Frühe, starke Arnulf-rainer-arbeiten en bloc halten wiederum vorrätig Dierking sowie Ruberl aus Wien.
Was besonders auffällt 2016: Der runde Geburtstag scheint die Freundlichkeits- und Kommunikationsbereitschaft der genau 219 Galerien zu erhöhen. Einst gab es Jahre des Schweigens, Mauerns, ja der Arroganz. Heute reicht eine einzige kleine Frage, und heraus bricht aus dem Galeristen oder seinen Mitarbeitern eine Flut von Erläuterungen.
Was weiter auffällt vor allem in der Abteilung Zeitgenossen – also zwischen den Etagen mit Klassischer Moderne und Avantgarde: Die Skulptur wird propagiert in jeglicher Form. Ja, sie soll offensichtlich spektakulärer Blickfang für die großzügige Wohnlandschaft daheim sein. Unbeschreibbares bis ästhetisch Unbeschreibliches findet sich hier – etwa surreal geformte, scheinbar technische Gerätschaften, dazu betont Armes, auch gefundene Objekte und Aufgeblasenes wie ein gepunkteter Riesenkürbis von Yayoi Kusama (750000 Dollar bei Zwirner/new York). Immer mal wieder scheint der Verblüffungsgehalt einer Arbeit seinen Kunstgehalt zu übersteigen. Wie lange wohl zieht – 100 Jahre nach dem Prinzip Duchamp – eine Baustellenabsperrung für eine sich einzubildende Kanalsanierungsarbeit wirklich noch in Bann? Oder eine Gips-nofretete mit Designer-sportbrille – und heißt die Künstlerin auch Isa Genzken (220 000 Dollar/ Zwirner). Genzken wird mittlerweile übrigens genauso kopiert wie ihr ehemaliger Mann Gerhard Richter – und kostet dann in stilistischer Abkupferung (Kinderfigur plus Spiegel, Antennenradio, Stofffetzen, Folien) nur 16000 Euro (Produzentengalerie Berlin).
Anders liegt der Skulpturen-fall bei Erwin Wurm und Carsten Höller, nämlich deutlich skurriler, ja ironisch gegenüber jeglicher Bedeutungshuberei. Wurm lässt seinen grünen Gewürzgurken-kleinplastiken nun monochrom angemalte Schlangengurken folgen (11 300 Euro bei Contempary/graz). Und Höller verkauft für 100 Euro kleine Kakteen, die von ihm – per Zertifikat beglaubigt – „umarmt“wurden. Kunst, die lebt und wächst – und stirbt.
Und wieder anders liegt der Skulpturen-fall bei dem jungen Konzeptkünstler Gerrit Frohnebrinkmann, der in der Galerie Becker/hamburg mehr oder weniger gut nachgemachte Mumien und Schrumpfkörper aus der Requisite von Film und Theater anordnet. Ihn interessiert der Widerspruch zwischen der Ausstrahlung einer Epochen-überdauerung „toter Körper“ und dem kurzzeitigen Einsatz als Requisite – beziehungsweise als Kunst. Er verkauft für 4600 Euro die Anleitung zur temporären Einrichtung seiner einigermaßen bizarren Mumien-installation.
Welche Künstler sind besonders stark vertreten auf der Art Cologne 2016? Nicht nur jene mit rheinländischer Biografie wie der 85-jährige, immer wieder schöpferisch erstaunliche Heinz Mack, wie Tony Cragg und Gotthard Graubner. Auch Baselitz sowie Balkenhol begegnen einem auf sehr vielen Ständen. Und Christo kommt zu Ehren im Vorfeld seines nächsten Projekts am italienischen Lago d’iseo (Juni 2016), einer Art Wandeln über Wasser. Eine von ihm 2015 in 15er-auflage verpackte Us-kunstzeitung kostet bei Nitsch/ New York 18 000 Euro; ein auf Dachgepäckträger gebundenes, verpacktes Fahrrad von 1963 kostet 950 000 Euro (Schwarzer/düsseldorf) und das Exemplar einer 190eredition mit der visionären Ansicht des verpackten Kölner Doms 175000 Euro (Boisserée/köln). Für Fotofreunde schließlich gibt es bei Bernheimer/luzern, Tochter des ehemaligen Münchner Antiquitätenhändlers, Aufnahmen von Horst P. Horst aus dem Jahr 1966. Damals fotografierte er für Vogue den jungen Cy Twombly in Rom. Nun haben die Erben erstmals Abzüge der eindrucksvollen Ablichtungen genehmigt: acht im Block kosten gerahmt 18 000 Euro.
Art Cologne Noch bis Sonntag, 18 Uhr, in der Messehalle 11 auf drei Etagen (Köln-deutz). Tageskarte: 25 Euro. Der Katalog kostet 30 Euro.
Die Skulptur als Blickfang für großzügige Wohnlandschaften