Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Riskantes Spiel
Gustaf Gründgens: ein Aufstieg mit Makel
Joseph Goebbels und Hermann Göring suchten die Nähe zu den Stars der Hochkultur. Doch wie lavierten sich die hofierten Künstler durch den Nationalsozialismus? Nahm die Theater- und Filmlegende Gustaf Gründgens (1899–1963), der in den 1920er Jahren mit den Linken kokettierte, Risiken auf sich? Schon 1933 setzte Göring ihn als Intendant des preußischen Staatstheaters in Berlin ein. Arrangierte sich Gründgens oder nutzte er die Verbindungen, um weniger privilegierten Kollegen zu helfen?
Kurz vor der Machtübergabe an Adolf Hitler brillierte Gründgens am Berliner Staatstheater als Mephisto. Mit dieser Rolle schrieb er Theatergeschichte. Der Mephisto ist ohne ihn und seine weiße Maske seither nicht mehr zu denken. „Gründgens war einfallsreich und schillernd, ganz Berlin verfiel seinem Zauber“, erklärt Dieter Strauss. Der Germanist und ehemals Leiter verschiedener Goethe-institute weltweit, referierte auf Einladung des Vereins „Gegen Vergessen“über den ambivalenten Nskünstler. Über dessen Jugend in Düsseldorf vor dem Ersten Weltkrieg, die ersten Engagements in den goldenen Zwanzigern, die Freundschaft mit Klaus Mann, den Aufstieg unter den Nationalsozialisten, die Nachkriegsjahre in Hamburg und Düsseldorf. Das Urteil des Mann-experten: „Gründgens war gefallsüchtig, karrieregeil und ehrgeizig. Er passte sich an und arrangierte sich.“
Er opponierte nur, wenn es ihm selbst nicht schadete. Er wohnte auf einem Hof nahe Berlin, den er einer jüdischen Familie weit unter Wert abgekauft hatte. 1933 entließ er die jüdischen Künstler seines Theaters. Als ihn seine Homosexualität, die Goebbels und Göring bekannt war, in Schwierigkeiten zu bringen drohte, heiratete er. Zur 150-Jahr-feier des Staatstheaters ließ er die jüdischen Künstler aus der Festbroschüre streichen. Doch er konnte auch anders. Sein Schauspielkollege Hans Otto wurde 1933 hingerichtet. Gründgens zahlte die Beerdigung. Er verhalf Heinz Rühmanns jüdischer Ehefrau zur Ausreise und rettete den jüdischen Schauspieler Ernst Busch vor dem Galgen.
Gründgens wurde nach vier Entnazifizierungsverfahren entlastet, stand schon 1946 wieder auf der Bühne und stieg 1955 zum Leiter des Hamburger Schauspielhauses in Hamburg auf. 250 000 D-mark Jahresgehalt und ein Rolls-royce gehörten zur Ausstattung. 1963 nahm er seinen Hut, ging auf Weltreise und verstarb in Manila. „Er war ein Genie, das sich zu sehr eingelassen hatte auf die Mächtigen“, so das Fazit des Germanisten.