Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wirbel um vermeintliche Putin-krieger
Kreml Bis zu 300 Männer sollen deutschlandweit im Untergrund trainieren, sagt der Russland-experte und Autor Boris Reitschuster. Er nennt auch eine Kampfsportschule in Augsburg. Was deren Chef zu den Vorwürfen sagt
Der Russland-experte Boris Reitschuster zeichnet ein dramatisches Szenario. In seinem neuen Buch beschreibt er Kämpfer, die schnell, brutal und jederzeit für den Ernstfall bereit seien. Er geht davon aus, dass in ganz Deutschland Männer in Kampfschulen im Auftrag des russischen Präsidenten Wladimir Putin trainieren. Seinen Recherchen zufolge auch in Augsburg.
Der gebürtige Augsburger Journalist Reitschuster, der mehr als 15 Jahre die Redaktion des Focus in Moskau leitete, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung, der russische Präsident baue in Deutschland eine Untergrund-truppe mit Kämpfern auf. Diese Truppe besteht nach seinen Angaben aus 250 bis 300 Männern. Sie beherrschten die russische Kampfkunst „Systema“, also den waffenlosen Nahkampf mit Griffen, Schlägen und Tritten. Reitschuster, der ein Jahr lang unter anderem Akten von Geheimdiensten gesichtet hat, ist sich sicher: Die Männer stehen ihrem russischen Präsidenten unbedingt und loyal zur Verfügung. Das mache sie so gefährlich. Und die Gefahr drohe nicht irgendwo in Deutschland, sondern vor allem in Süddeutschland, wo „Systema“am weitesten verbreitet sei. Er nennt eine Adresse in Augsburg-lechhausen.
Dort fühlt sich Andreas Weitzel nach der Veröffentlichung von Reitschusters Buch „Putins verdeckter Krieg“zu Unrecht angegriffen. Seit bald 20 Jahren führt Weitzel seine Kampfschule. Werden Putinkämpfer aus seinem Haus rekrutiert? „Das ist eine lächerliche Aus-
Der Augsburger Autor Boris Reitschuster wirft dem russischen Präsidenten Putin vor, in Deutschland Kämpfer trainieren zu lassen.
sagt Weitzel. „Bei uns trainieren Kinder, Frauen, viele Einheimische.“Er selbst habe gar nichts mit Russland zu tun: „Ich bin Staatsangehöriger Deutschlands.“
Der Journalist Reitschuster will das nicht anzweifeln: „99,99 Prozent seien ganz normale Sportler“, sagt er – auch in der Augsburger Kampfschule. Aber es gebe einen kleinen Anteil an Männern, der Putins Plan folge. Und der laute, die alte Tradition aufleben zu lassen.
Mit alter Tradition meint Reitschuster das frühere System des russischen Geheimdienstes KGB, der für die Öffentlichkeit unsichtbare Kampftruppen in fremden Ländern einsetzte. So soll es Putin laut seinen Recherchen nun wieder tun, und dabei Kämpfer für das Militär abschöpfen. Es gelte aber nicht vorrangig der militärische Zweck. Was dem Kreml wirklich wichtig sei, sagt Reitschuster, das sei das Mittel der sogenannten hybriden Kriegssage“, führung. Russland mache, was es auch vom Westen vermute: die Opposition finanzieren, Medien beeinflussen – oder eben: Untergruppen bilden. Diese Untergruppen würden dann die sozialen Netzwerke infiltrieren, sich in der Türsteher-szene organisieren; sie liefen bei Demonstrationen mit oder dienten ganz einfach als Dienstleister, zum Beispiel als Geldbote.
Dabei blieben „Sumpfs“– wie Mitglieder dieses Reitschuster es nennt – in der Öffentlichkeit unsichtbar und führten ein „ganz normales Leben“. Bis zu dem Zeitpunkt, sagt Reitschuster, an dem ein Befehl des russischen Präsidenten kommt. Wie könnte dieser lauten? „Schwierig zu sagen“, meint Reitschuster.
In Augsburg-lechhausen widerspricht Kampfsportlehrer Andreas Weitzel dieser Theorie. Er kenne seine Mitglieder. Und die ließen sich nicht vom Kreml anwerben.