Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Bauboom hat seine Schattense­iten

Diese Woche Die Situation auf dem Wohnungsma­rkt ist angespannt, und überall in der Stadt wird gebaut. Aber sind die Neubaugebi­ete wirklich die einzige und beste Lösung?

- VON RICHARD MAYR

Drim@augsburger-allgemeine.de

ie Zukunft des Bauens ist ein heikles Thema. Es gibt viele Menschen, die – mitunter schon ziemlich verzweifel­t – nach günstigen Wohnungen suchen. Das ist schwer und wird – wenn der Wohnungsma­rkt weiter so boomt – schwerer. Würden nicht ständig neue Wohnungen dazukommen, würde die Wohnungssu­che allen viel schwerer fallen. Es ist also gut, dass überall in der Stadt so viel gebaut wird.

Oder doch nicht? Jeder neue Bau bindet Ressourcen, benötigt Energie, verbraucht zusätzlich­e Flächen. Fast jeder neue Bau ist ein Eingriff in die Natur, der nicht einfach rückgängig gemacht werden kann. Der Flächenver­brauch in ganz Deutschlan­d und natürlich auch in Augsburg schreitet unaufhörli­ch voran. Selbst in Kommunen, die schrumpfen, werden neue Baugebiete ausgewiese­n. Von der Natur her gesehen, sollte so wenig wie möglich neu gebaut werden.

Und schon ist es komplizier­t. Auch in einer Stadt wie Augsburg, die in den letzten Jahren von der Einwohnerz­ahl gewachsen ist und schon allein deshalb neuen Wohnraum benötigt hat. Aber ist jeder Neubau nötig? Oder würden auch deutlich weniger langen?

Das Bauen ist gerade ein ziemlich gutes Geschäft. Die Preise sind erstaunlic­h gestiegen. Die Architekte­n, Bauträger und Baufirmen verdienen genauso daran wie die Städte, die Banken und der Staat. Und wenn die Geschäfte prächtig laufen, kommt niemand auf die Idee, das Modell zu hinterfrag­en. Es wird einfach weiter Bauland ausgewiese­n, damit alles weiter wachsen kann.

Umso höher muss da eingeschät­zt werden, dass der Bund Deutscher Architekte­n in Augsburg und Schwaben jüngst den Architektu­rkritiker Daniel Fuhrhop eingeladen hat, der unter dem plakativen Titel „Verbietet das Bauen“im Rahmen einer Podiumsdis­kussion Konzepte vorgestell­t hat, mit denen weniger Neubauten nötig wären.

Und vielleicht ist es mitten im Bauboom wirklich einmal nötig, innezuhalt­en und sich zu überlegen, ob das wirklich alles sein muss. Es gibt ja Leerstände mitten in der Stadt: Wohnungen, Reihenhäus­er, Häuser, die nicht mehr genutzt werden, aber – aus unterschie­dlichen Gründen – nicht den Weg auf den Wohnungsma­rkt finden. Wohnungen, die aus Bequemlich­keit, vielleicht aus Bedenken gegenüber künftigen Mietern nicht vermietet werden. Und diese Wohnungen fehlen Menschen, die gerade auf der Suche sind. An dieser Stelle sei nur kurz an das Grundgeset­z erinnert: „Eigentum verpflicht­et. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinh­eit dienen.“

Das Nächste ist der Umgang mit den Altbeständ­en. Und da geht es nicht nur um Häuser, die unter Denkmalsch­utz stehen. Rein ökologisch ist die Energiebil­anz eines Hauses, das saniert wird, in den meisten Fällen positiver als ein Totalabris­s mit folgendem Neubau – selbst wenn der Neubau dem Passivhaus­standard entspricht. Sobald der Energieein­satz beim Bauen mit in die Bilanz eingerechn­et wird, sind Abriss und Neubau die schlechter­e Option. Übrigens verhält es sich bei Kühlschrän­ken, Autos, etc. ähnlich. Ökologisch ist es, die Dinge möglichst lange zu nutzen ...

Ein weiterer Grund, der zu ständigen Symbolfoto: Marijan Murat, dpa

Im Grundgeset­z steht: Eigentum verpflicht­et

Neubauten führt, ist der Umstand, der jeder Einzelne mehr Wohnraum verbraucht. Wo früher eine Familie mit zwei Kindern auf 90 Quadratmet­ern gelebt hat, also vier Menschen, findet sich heute vielleicht ein Single. Aber ist so viel Platz allein nötig? Und können da nicht Wege gefunden werden, nicht benötigten Wohnraum anderen Menschen zur Verfügung zu stellen? Ist Neubau wirklich die einzige Lösung, um der Nachfrage auf dem angespannt­en Immobilien­markt gerecht zu werden? Bestimmt nicht.

Das Problem ist bislang, dass es für die anderen Wege und Lösungen, mit dem Immobilien­bestand, mit dem Raum auf kreative Weise umzugehen, keine etablierte­n Geschäftsm­odelle gibt. Aber vielleicht finden sich da ja irgendwann einmal Pioniere, die etwas Neues wagen, indem sie ihre berufliche Existenz ganz auf das Bestehende setzen.

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