Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Suche nach Seltenen Erden
Blick in die Geschichte
Die Wissenschaft berichtet immer wieder von aussterbenden Tierarten. Ein häufiger Grund dafür, dass diese Tiere ums Überleben kämpfen müssen, ist ihr schwindender Lebensraum. Schwalben zum Beispiel haben es immer schwerer, Nistplätze zu finden, weil viele Scheunen und alte Gemäuer abgerissen oder saniert werden. Doch wer hätte gedacht, dass Schmetterlinge auch vom Aussterben bedroht sind? Gerade Zitronenfalter und Ochsenaugen, die uns so häufig ihren schönen leichten Anblick bieten, sterben aus, obwohl sie, was ihren Lebensraum betrifft, völlig anspruchslos sind.
Selbst in Naturschutzgebieten können sie ihren Bestand nicht vermehren, haben Wissenschaftler der Technischen Universität München nun festge-
Die Seltenen Erden haben vor ein paar Jahren die wissenschaftlichen Schlagzeilen dominiert. Mit ihrem mystisch anmutendem Namen sind die chemischen Elemente zu den Aufregern unter den Rohstoffen geworden, sie galten als sehr kostbar.
Und sie wurden als Retter der Energiewende gehandelt, weil sie für Windräder und Elektromotoren benötigt werden. Das hat niemand in Frage gestellt – bis jetzt. Dr. Volker Zepf hat sich mit einem der Metalle der Seltenen Erden beschäftigt: Neodym. Dabei ist er auf Ungereimtheiten gestoßen.
Es begann harmlos. Zepf stellte ausgehend von den vielen Medienberichten und Veröffentlichungen eine Hypothese auf: 80 Prozent der weltweiten Fördermenge an Neodym sind in vier Bereichen verbaut: Computerfestplatten, Mobiltelefone, Windräder und Antriebsmotoren. Als Metalle haben sie besondere Eigenschaften und dienen in diesen neuen Technologien als Magnete. Er nahm Festplatten und Handys auseinander und studierte sämtliche Daten über Windräder und Motoren.
Sein Ergebnis: Zepf konnte sich so höchstens den Verbleib von 35 Prozent des geförderten Neodyms auf der Erde erklären. Wo der Rest stellt. Sie untersuchten Artenlisten und Schmetterlingssammlungen zurückgehend bis auf das Jahr 1840. Diese Daten stammen von Schmetterlingsforschern, sogenannten Lepidopterologen, aus Gebieten rund um Regensburg. „Die Beobachtung über einen Zeitraum von 200 Jahren bestätigt, dass spezialisierte Arten stark rückläufig sind, obwohl sie im Fokus des Naturschutzes stehen“, erklärt Dr. Jan Christian Habel vom Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie. Hierzu nennt er auch ein Beispiel. Während es 1840 noch 117 Tagfalterarten gegeben habe, seien zwischen 2010 und 2013 geblieben ist, will er seither zusammen mit Studenten im Seminar „Ressourcengeographie von Innovationstechnologien“herausfinden.
„Es sind tolle Stoffe und sie haben tolle Eigenschaften“, sagt Zepf. Deswegen werden sie bei vielen neuen Technologien eingesetzt. Das Einzige, was viele vor ein paar Jahren beunruhigte, ist, dass Neodym zum Beispiel zu 100 Prozent in China gefördert wird.
Viele befürchten, dass man sich auch in Deutschland auf die Stoffe stützt und es dann auf einmal Lieferengpässe geben könnte. Und das nicht, weil die Erden wirklich selten sind – sie können noch etwa tausend Jahre lang gefördert werden –, sondern weil China das Vorkommen in den Händen hat. Zepf und seine Studenten erforschen deshalb, wozu Neodym wirklich verwendet wird und in welchen Mengen es recycelt werden kann.
Angefangen haben die Studenten mit Smartphones. Sie zerlegten die Geräte – manchmal mehr manchmal weniger einfach – in ihre Einzelteile und betrachteten im Labor die Magnetringe, in denen die Seltenen Erden stecken. Das Gewicht lag durchschnittlich bei 1,7 Gramm – 0,5 Gramm davon entfallen auf Seltene Erden.
Vergleicht man dieses Ergebnis mit den weltweiten Verkaufszahlen von Mobiltelefonen aus dem Jahr 2013, dann stecken etwa 900 Tonnen Neodym in Handys.
Das klingt erst mal nach einer großen Zahl, doch Zepf möchte diesen Eindruck relativieren. Der Anteil an Seltenen Erden in Handys sei nicht so groß, wie das oft behauptet wird. Nur dafür lohne sich das Recyceln nicht – auf dieses Ergebnis sind auch die Studenten gekommen. Dennoch sei laut Zepf Recyceln das „Gebot der Stunde“, allein aufgrund vieler anderer wertvoller Stoffe, wie zum Beispiel Kupfer.
Der Elektromotor eines E-bikes enthält nach den Ergebnissen der Studenten, die die Bestandteile aufgeschraubt, zerlegt und untersucht haben, zwischen 16 und 22 dieser Magnetringe mit einem Gesamtgewicht bis zu 240 Gramm. Der Anteil an Neodym liegt zwischen 40 und 80 Gramm. Bei einer Jahresproduktion von etwa 30 Millionen Elektrofahrrädern weltweit (2013) und einem Mittelwert von 70 Gramm Neodym entfallen auf diesen Bereich rund 2100 Tonnen.
Mit diesen Ergebnissen ist die Suche der Studenten am Wissenschaftszentrum Umwelt noch nicht beendet. Die Magnete, die das Neodym enthalten, stecken überall, erklärt Zepf. Sogar viele Schließmechanismen der Schränke bei Ikea funktionieren mit derartigen Magneten. Mit dieser Ergebnissammlung verfolgen Zepf und seine Studenten ein langfristiges Ziel. Sie wollen der großen Datenunsicherheit im Bezug HISTORISCHE STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST nur noch 71 Arten verzeichnet worden. Verschwunden sind vor allem Habitat-spezialisten, wie Zitronenfalter oder Ochsenaugen, die Raupenfutterpflanzen zum Überleben benötigen. Den Grund für diese Entwicklung sehen die Forscher darin, dass die Natur in dieser Umgebung zu nährstoffreich geworden ist. Seit in dieser Gegend viele fossile Brennstoffe wie Holz verbrannt werden, wird viel reaktiver Stickstoff freigesetzt. Er wirkt wie Dünger für Pflanzen wie Löwenzahn oder Disteln. Doch mit dieser Vegetation können die Schmetterlinge nichts anfangen. Diese Pflanzen verdrängen die für sie so wichtigen Raupenfutterpflanzen und werfen Schatten, wo die Schmetterlinge Wärme suchen. (kafi) auf Seltene Erden entgegenwirken. Denn diese Unsicherheit hat auch wirtschaftliche Folgen. Die Preise für die Seltenen Erden schwanken stark. Neue Unternehmen haben versucht, in den Markt, der China vorbehalten war, einzusteigen. Doch sie konnten sich nicht halten. Zepf glaubt, es dauert, bis der Markt für Seltene Erden sich reguliert. Bis dahin tragen er und seine Studenten ihren Teil dazu bei, indem sie darüber aufklären, wie selten die Elemente wirklich sind – und wo sie gebraucht werden. (kafi)