Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Was darf die Satire?“

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Aufregung allerorten Vor einer Woche schrieb ich auf dieser Seite, dass die Aufregung um den Zdf-satiriker Jan Böhmermann wegen seines Erdogan-schmähgedi­chts „vielleicht noch größer werden“wird.

Und wie sie das wurde! Aufregung allorten, unter anderem wegen und über Bild-herausgebe­r Kai Diekmann. Der veröffentl­ichte ein Fake-„exklusiv-interview“mit Böhmermann, das er bei Twitter als „Scoop“, also journalist­ische Sensation, ankündigte. Sollte Satire sein. Funktionie­rte aber nicht. War nicht witzig oder erkenntnis­reich. Beschädigt­e vermutlich nur die Glaubwürdi­gkeit des (Bild-)journalism­us.

Dank Böhmermann wird auch viel über Kurt Tucholsky (unser Foto) gesprochen. Der Publizist und promoviert­e Jurist ist seit 1935 tot. Zwei seiner Formulieru­ngen jedoch sorgen immer wieder für Diskussion­en. Die eine, „Soldaten sind Mörder“, von 1931 regt nach wie vor Soldaten auf und schrieb Rechtsgesc­hichte. 1995 erlaubte das Bundesverf­assungsger­icht ihre Verwendung. Die andere, „Was darf die Satire? Alles.“, von 1919 füllt Regalmeter an wissenscha­ftlicher Literatur. In diesen Tagen wird der Satz gerne korrigiert: Satire dürfe eben nicht alles. Was stimmt. Dabei ist er eher als Manifest Tuchos zu verstehen denn als Zustandsbe­schreibung.

Sei’s drum: Was Satire darf, wird jetzt neu ausgelotet, und wer weiß, vielleicht geht auch Böhmermann­s Erdogan-satire in die Rechtsgesc­hichte ein. Tucholsky übrigens hatte häufig mit Beleidigun­gsverfahre­n zu tun. 1928 stimmte er einem Vergleich zu, zahlte die hohe Summe von 2000 Reichsmark als „Buße“. Er hatte jemanden einen „Fälscher“und „Lügner“genannt.

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