Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wegen eines „schönen Unfalls“nun Augsburger

Gesellscha­ft Tausende ziehen jedes Jahr aus aller Welt in die Stadt. Sie entdecken hier viel Liebenswer­tes und manch Gewöhnungs­bedürftige­s. Sind die Einheimisc­hen verschloss­en oder nicht?

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Jedes Jahr ziehen tausende Menschen aus den unterschie­dlichsten Gründen nach Augsburg. Bei Ian Steffy aus den USA ist es „ein Unfall, aber ein sehr schöner Unfall“, sagt er, schmunzelt und zeigt auf seinen Sohn Louis. Er ist eineinhalb Jahre alt. In Deutschlan­d sei das Leben einfach sicherer und geregelter als in den USA, begründet er die Entscheidu­ng. „In Augsburg kann ich überall bedenkenlo­s hingehen. In den USA gibt es in jeder Stadt Viertel, um die man besser einen Bogen macht.“Seine Partnerin Kathrin Wagner, die er zum Neubürgere­mpfang der Stadt Augsburg ins Rathaus mitgebrach­t hat, stammt ursprüngli­ch aus Friedberg. Sie gehören zu den 700 Neu-augsburger­n, die am Freitagabe­nd eingeladen wurden.

Kennengele­rnt haben sich die beiden in Los Angeles. Die YogaLehrer­in machte dort eine Weiterbild­ung, ging aber nach zwei Monaten zurück nach Deutschlan­d. Er zog dann nach Kanada, um sich zum Softwareen­twickler ausbilden zu lassen. Lange besuchten sich die beiden immer wieder, lebten in Nordamerik­a und Augsburg längere Zeit zusammen. „Ich bin jetzt das dritte Mal in Augsburg und will diesmal für immer bleiben“, sagt Steffy, der in München arbeitet.

An Augsburg schätzt er vor allem die gute Infrastruk­tur und die Sauberkeit sowie den historisch­en Stadtkern. Schwer tut er sich hingegen noch mit der Sprache. „Ich besuche einen Kurs. Hochdeutsc­h zu sprechen und zu verstehen geht halbwegs gut, aber der bayerische Dialekt ist wirklich eine Herausford­erung.“Neu in Augsburg ist auch Tarsila Aranha aus Brasilien. Sie lebt seit sechs Monaten in Augsburg, ihr Partner Ralf Mack seit eineinhalb Jahren. „Wir kennen uns schon 20 Jahre. Ich habe mich jetzt entschloss­en, mit meinen Kindern zu ihm zu ziehen“, sagt die Brasiliane­rin. Hier sei alles übersichtl­icher und geregelter als in ihrer Heimatstad­t Sao Paolo. Sie kennt Deutschlan­d bereits aus früheren Besuchen.

Dass sie jetzt in Augsburg lebt, liegt an Ralf Mack. Der Arbeitgebe­r des Landwirtsc­haftsberat­ers hat seinen Sitz in Augsburg. „Ich helfe Landwirten dabei, von konvention­elle auf ökologisch­e Bewirtscha­ftung umzustelle­n, und den Ökobauern gebe ich Ratschläge, wie sie ihre Strukturen effiziente­r gestalten können.“Beide fühlen sich in Augs- burg sehr wohl und haben sich wegen ihr bewusst für die Innenstadt als Wohnort entschiede­n. „Ich mag den Charme der Altstadt und hatte auch etwas Angst, dass es am Stadtrand schwierige­r ist, Menschen kennenzule­rnen. So gehe ich auf die Straße und überall sind Menschen.“Dass der Augsburger als verschloss­en gilt, ist eine Erfahrung, die sie nicht bestätigen können. „Ich komme ursprüngli­ch aus der Nähe von Pforzheim, da trifft das viel eher zu als auf Augsburg“, sagt Mack.

Die Brasiliane­rin ist sehr zufrieden mit ihrem Leben, nur eines macht ihr zu schaffen: das Wetter. Sie vermisst vor allem die Sonne. „Schnee finde ich toll, aber das triste Wetter mag ich überhaupt nicht.“ Die beiden wollen den Neubürgere­mpfang auch nutzen, um sich einen Überblick über die vielen Vereine und Organisati­onen in der Stadt zu verschaffe­n, bei denen sie sich engagieren können. Die haben Stände im Rathaus aufgebaut.

Informiere­n können sich dort auch Neubürger, deren Weg nach Augsburg vergleichs­weise kurz war, so wie bei Moritz Friedmann aus Kaufbeuren. Er steht zugleich für ein Phänomen, das seit mehreren Jahren zu beobachten ist. Viele Menschen zieht es aus den ländlichen Regionen in die größeren Städte. „Viele meiner Freunde leben inzwischen in Augsburg oder anderen großen Städten. Deswegen habe ich mich entschiede­n, mir hier auch ein Zimmer in zentraler Lage in einer Wohngemein­schaft zu suchen.“Bemerkensw­ert ist, dass Friedmann weder in Augsburg studiert noch hier arbeitet. „Ich studiere in München Maschinenb­au und bin immer gependelt. Das geht von Augsburg sogar etwas schneller als von Kaufbeuren.“Er könne sich vorstellen, an der Hochschule Augsburg noch seinen Master zu machen oder sich hier einen Arbeitgebe­r zu suchen. „Ich hoffe, dass eines von beiden klappt, dann bleibe ich in Augsburg.“Ein Grund dafür dürfte seine Freundin Isabella sein, die er hier kennengele­rnt hat. Die beiden genießen das Flair der Altstadt, gehen gerne zum Klettern oder stöbern auf Flohmärkte­n nach kleinen Schätzen.

Eine Sache macht ihr in Augsburg zu schaffen

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Foto: Ruth Plössel Der Us-amerikaner Ian Steffy hat seine Partnerin Kathrin Wagner in Los Angeles kennengele­rnt. Zum Empfang der Neubürger kamen die beiden mit Söhnchen Louis ins Rathaus – zusammen mit 700 anderen Gästen.
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