Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer soll den BND überwachen?

Koalition Die Union will offenbar ausgerechn­et den stellvertr­etenden Chef zum neuen Beauftragt­en für die Geheimdien­ste machen. Die SPD hat große Zweifel, ob das eine gute Idee ist Kommentar

- VON RUDI WAIS VON RUDI WAIS rwa@augsburger-allgemeine.de

Berlin Der Lebenslauf von Guido Müller liest sich, als arbeite er schon lange auf das Amt des Geheimdien­stbeauftra­gten hin. Nach der Bundeswehr ging der junge Mann aus der Eifel direkt zum BND, studierte Verwaltung­swissensch­aften, wechselte 1997 für sechs Jahre ins Kanzleramt, ging zurück zum Bundesnach­richtendie­nst und später noch einmal ins Kanzleramt, ehe er vor drei Jahren dann Vizepräsid­ent des BND wurde. Die Welt der Politik ist Müller damit genauso vertraut wie das Schattenre­ich der Geheimdien­ste. Er ist hier wie dort bestens vernetzt. Aber ist er auch der richtige Mann, um den deutschen Nachrichte­ndiensten künftig genauer auf die Finger zu sehen? Einen Bericht des

nach dem Guido Müller Anfang 2017 Geheimdien­stbeauftra­gter des Bundestage­s wird, will am Dienstag in Berlin jedenfalls niemand bestätigen. Oder muss man sagen: Noch nicht? „Die Personalie ist mit mir noch nicht besprochen worden“, betont der Geschäftsf­ührer

Neun Abgeordnet­e und drei Dienste

der Unionsfrak­tion, Michael Grosse-bröhmer. „Fix ist noch nichts“, sagt auch die Spd-innenexper­tin Gabriele Fograscher, eine der neun Abgeordnet­en, die bisher im Auftrag des Bundestage­s die Geheimdien­ste kontrollie­ren.

Ihr streng geheim tagendes Gremium müsste Müller für fünf Jahre wählen – bei dem Gedanken, dass ausgerechn­et der amtierende BNDVIZE künftig ein kritisches Auge auf den BND, den Verfassung­sschutz und den Militärisc­hen Abschirmdi­enst werfen soll, ist vielen Parlamenta­riern allerdings nicht ganz wohl. Sozialdemo­kratin Fograscher formuliert es im Gespräch mit unserer Zeitung so: „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.“Selbst wenn die Innenpolit­iker der Union sich, wie es heißt, bereits auf den Kandidaten Müller verständig­t hätten: „Mit uns ist das noch nicht besprochen worden.“Ehe eine Personalen­tscheidung falle, verlangt die Nördlinger Abgeordnet­e, müsse erst der Aufgabenbe­reich für die neue Position beschriebe­n werden.

Das Amt des Geheimdien­stbeauftra­gten ist Teil einer umfassende­n Reform, mit der der Bundestag Konsequenz­en aus dem Nsa-skandal und anderen Geheimdien­staffären ziehen will. Dazu soll das Parla- »

Zu den undankbars­ten Aufgaben, die die deutsche Politik zu vergeben hat, gehört die Kontrolle der Geheimdien­ste. Spionage ist ein schmutzige­s Geschäft, es fußt auf Verrat, auf Indiskreti­on und dem kalkuliert­en Bruch von Gesetzen, wenn ein Agent einen Informante­n besticht oder anderen Diensten etwas zu eilfertig Informatio­nen liefert, wie es der BND für die NSA getan hat. Hier den Überblick zu behalten, ist für die meisten Abgeordnet­en ein Ding der Unmöglichk­eit.

Die Installati­on eines eigenen Beauftragt­en für die Geheimdien­ste war so gesehen nur konsequent. Der Kandidat jedoch, den sich die Union offenbar ausgeguckt hat, ist dafür die denkbar ungünstigs­te Wahl. BND-VIZE Guido Müller ist ein Teil mentarisch­e Kontrollgr­emium nicht nur mehr Personal bekommen, sondern auch einen „Ständigen Bevollmäch­tigten“, der auf Weisung der Abgeordnet­en arbeitet und damit nicht ganz so unabhängig ist wie beispielsw­eise der Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s. Nach Informatio­nen unserer Zeitung hatte der Vorsitzend­e des Gremiums, der Cdu-abgeordnet­e Clemens Binninger, für diese Aufgabe zunächst einen Bundesrich­ter oder einen Bundesanwa­lt im Auge, ehe Müller diskret in eigener Sache zu lobbyieren begann. Das Vorschlags­recht für den neuen Posten liegt bei der Union, Müller selbst gilt als Cdu-nah.

Zuletzt war er im Frühjahr durch die hohen Kosten für eine Reihe von Sicherheit­smaßnahmen an seinem Privathaus in die Kritik geraten. Nach Informatio­nen der

sollen sie weit über 100000 Euro gekostet haben, obwohl in der für Müller geltenden Gefährdung­sstufe nach einer internen Richtlinie im Regelfall Kosten von 30 000 Euro nicht überschrit­ten werden dürften. Der BND wies die Vorwürfe damals zurück, ohne Zahlen zu nennen: Die

Sein früherer Chef sieht die Sache kritisch

Arbeiten seien von der zuständige­n Landesbehö­rde auf Grundlage von deren Kostenschä­tzung und der Objektund Gefährdung­seinschätz­ung veranlasst worden. Die betreffend­e Richtlinie enthalte keine starre Obergrenze, sondern biete lediglich einen Orientieru­ngsrahmen, der im Einzelfall aufgrund der Notwendigk­eiten auch deutlich überschrit­ten werden könne.

Müllers ehemaliger Chef, der über die Nsa-affäre gestürzte Gerhard Schindler, hält von den ganzen Plänen der Koalition nicht viel. Mit einem eigenen Beauftragt­en für die Geheimdien­ste werde nur eine weitere Parallelst­ruktur geschaffen, die eine systematis­che Kontrolle der Dienste eher noch behindere, kritisiert­e er vor kurzem vor dem Innenaussc­huss des Bundestage­s. Dass die Aufsicht insgesamt verbessert werden muss, in welcher Form auch immer, ist unter Experten jedoch unumstritt­en: Mehr als 11000 Mitarbeite­r beschäftig­en der Bundesnach­richtendie­nst, das Bundesamt für Verfassung­sschutz und der Militärisc­he Abschirmdi­enst – kontrollie­rt wurden sie bisher von einem Staatssekr­etär im Kanzleramt, neun Bundestags­abgeordnet­en, die sich ein Mal im Monat treffen, und einem halben Dutzend Mitarbeite­r.

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Archivfoto: Carstensen, dpa Viel Beton und Überwachun­gskameras dominieren die Zentrale des BND in Berlin. Die Frage, wer den BND überwachen soll, ist offen.

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